Tichys Einblick
Durchblick schenken 2022

Wenn Statistik auf Analphabetismus im Umgang mit Zahlen trifft

Statistik ist vermutlich die gefährlichste Waffe in der öffentlichen Debatte. Während der „Pandemie“ wurde der halbe Globus mit fragwürdigen Daten und schiefen Behauptungen hinter die Maske geführt. Zeit, sich gegen Manipulation zu wappnen.

Verlängert Kaffeegenuss das Leben? Oder verkürzt er sie? Schützt Pflanzenkost vor Corona? Machen Smartphones denkfaul? Jeden Tag überbietet eine Schlagzeile die andere – oft auf Basis einer neu veröffentlichten Studie oder Statistik. Meist entsteht sie aufgrund falscher Dateninterpretation. Und nur allzu schnell fallen wir auf Fake News und Panikmache rein.

Der Psychologe Gerd Gigerenzer, die Datenanalystin Katharina Schüller, der Ökonom Thomas Bauer und der Statistiker Walter Krämer bekämpfen seit Jahren in ihrer „Unstatistik des Monats“ eine Art Analphabetismus im Umgang mit Zahlen, Wahrscheinlichkeiten und Risiken. Seit rund zehn Jahren hinterfragt ein Team mit Expertise in Datenanalyse, Ökonomie, Psychologie und Statistik spektakuläre Schlagzeilen, die sich auf statistisch gesicherte Studien berufen. Auch ihr neues Buch ist ein Augenöffner.

Anhand zahlreicher spektakulärer Beispiele erklären die vier, wie wir lernen, Unsinn zu erkennen, Prognosen richtig einzuordnen, zwischen Kausalität und Korrelation zu unterscheiden und unsere immer komplexere Welt sinnvoll zu beschreiben.

Sie zeigen uns, wovor wir unnötig Angst haben, was künstliche Intelligenz alles (nicht) kann, dass Daten nicht unbedingt mehr Wissen erzeugen und wie wir die Zahlenblindheit überwinden. Das ist nicht nur lehrreich, sondern auch überaus unterhaltsam!

Politik hat ja aufgehört zu argumentieren. Es herrscht Alternativlosigkeit, und Zahlen werden zu gefährlichen Waffen, mit denen eine gewünschte Entscheidung herbeimanipuliert wird. Der „Gender-Pay-Gap“, also angebliche schlechtere Bezahlung für Frauen, ist so eine pseudostatistische Lüge, die zum Glaubenssatz erklärt wurde und auf angeblich unumstößlicher wissenschaftlicher Wahrheit beruht. Es ist natürlich Unfug. Angeblich sind „diverse“ Teams leistungsfähiger – eine wirklich tragfähige Bestätigung gibt es nicht. Und in der Corona-Phase habe sich Befürworter wie Kritiker der Regierungsmaßnahmen Zahlenreihen um die Ohren gehauen.

Subversiver Klassiker und Pflichtlektüre
»Trau nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast«
Nicht nur um statistische Methoden geht es, sondern vielmehr um kritischen Umgang mit den Untersuchungen. Wer wird befragt, was wurde wirklich gemessen, hat sich bei Zeitreihen etwas an der Messmethode geändert? Neue Meßmethoden, Meßorte und ein neuer Maßstab machen aus einer unveränderten Lage plötzlich dramatisch steigende Nitratbelastungen des Grundwassers, lösen politische Hektik und teure Rettungsmaßnahmen aus, die schlicht unnötig sind.

Zeitreihen zeigen alarmierende Anstiege von Pestiziden, beweisen das baldige Aussterben der Haselmaus und erhöhen die Menge importierten Wassers in Form von Agrarprodukten aus Trockengebieten um das Vielfache. Das zu durchschauen braucht man keine mathematischen Kunstgriffe, sondern nur den gesunden Menschenverstand und ein wenig Mißtrauen sowie Erfahrung, die sich aus diesem Buch gewinnen läßt – und schon ist die Welt eine andere, in der sich medial vermittelte von wirklich wichtigen Themen unterscheiden lassen.

Skepsis ist die Mutter der Statistik. Schon in den Formulierungen versteckt sich oft das gewünschte Ergebnis: Wer wurde befragt? Wie lautet die Frage wirklich, die den Befragten vorgelegt wurde, um das Ergebnis zu erzeugen?

Was noch fehlt ist ein Werk, das zeigt, dass wichtige politische Entscheidungen auf falsch interpretierter Statistik beruhen. Denn normale Lügen sind leichter zu durchschauen als Pseudowissenschaft, die sich in pompöser Arroganz als unwiderlegbar darstellt und genau dadurch belegt, dass das nicht wissenschaftlich ist.

So zerstört die Behauptung der Wissenschaftlichkeit die Wissenschaft. Und am Ende landet man bei der Süddeutschen Zeitung, die errechnet hat, das Haselhuhn sei durch den Straßenverkehr vom Aussterben bedroht, denn pro Jahr und Straßenkilometer sterben 0,2 dieser seltenen Federvögel. Doch bedauerlicherweise gibt es gar nicht so viele Haselhühner, die überfahren werden könnten bei insgesamt 230.000 Straßenkilometern: Um die 5000 Vögel gibt es insgesamt, nicht 46.000 die es bräuchte, um das Fazit der SZ zu bestätigen.

Ehe Sie also auf die nächste Fake-News aus einem Qualitätsmedium (?) hereinfallen zeigen Sie dem Redakteur einen Vogel und verweisen darauf, dass Joggen unsterblich macht. Es ist auch nicht falscher.

Bauer/Gigerenzer/Krämer/Schüller, Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich. Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik. Campus Verlag, Klappenbroschur, 208 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 22,00 €


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