Tichys Einblick
Selbstversorgung im Handstreich

Selbstbedienungsladen Parteienstaat

Hans Herbert von Arnim stellt heute in Stuttgart eine 60seitige Analyse des Skandals einer Blitzgesetzgebung binnen dreier Tage vor: unter dem Titel „Die Arroganz der Macht. Der baden-württembergische Diätencoup".

Als hätte der Parteienstaat selbst einen neuen Beweis der Selbstbedienung liefern wollen, gab er just zum Erscheinen des neuen Buches von Hans Herbert von Arnim – Die Hebel der Macht und wer sie bedient im Februar des Jahres eine neue Kostprobe für dessen Kapitel zur Blitzgesetzgebung: Binnen dreier Tage jagte der Landtag zwei Gesetze in eigener Sache durch – ohne Rücksicht auf die üblichen Fristen und fast ohne Debatte.

Von Arnims Bilanz: beide Gesetze sind sachlich unhaltbar und verfassunsgwidrig. Doch er sagt auch: Vom Volksantrag bis zum Volksbegehren gibt es direktdemokratische Mittel, mit denen solche Willkürentscheidungen rückgängig gemacht werden können. Wie, erläutert der streitbare Autor in seinem neuesten Werk: Die Arroganz der Macht.

Im einen Gesetz wird die staatliche Altersversorgung der Landtagsabgeordneten wiedereingeführt, die 2008 abgeschafft worden und durch Pauschalen für private Altersvorsorge ersetzt worden war. Im anderen Gesetz werden die Pauschalen der Abgeordneten für Mitarbeiter und andere Kosten gewaltig erhöht. Das erste Gesetz hatten die Fraktionen der Grünen, der CDU und der SPD eingebracht, das zweite die drei und die FDP. Beiden Gesetzen stimmte die AfD-Fraktion nicht zu, dem ersten Gesetz auch die FDP nicht.

Die Hebel der Macht 4
Parteienstaat und Staatsparteien: Systemwechsel nötig
Nach einer Woche zwangen die öffentlichen Proteste die Dreierbande Grüne, CDU und SPD, das Gesetz über die Alterversorgung auf die lange Bank zu schieben, es einer Expertenbegutachtung zu unterziehen mit der Absicht, es erst 2018 nach der Bundestagswahl, aber dann doch in Kraft treten zu lassen. Das zweite Gesetz soll im Windschatten der Schiebeverfügung beim ersten am 1. Mai 2017 wirksam werden. Mehr Geld für Abgeordnetenmitarbeiter (plus 40%) bedeutet in der Praxis mehr Geld für Parteiarbeit (nicht zulässig, aber bei Pauschalen ohne Rechnungslegungspflicht ohne weiteres praktikabel).

Auf die Gegenstimmen der AfD fällt der Schatten, dass ihre Fraktion wie die der CDU keine Antwort auf die Frage gibt, welche Zusatzzahlungen die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Arbeitskreisvorsitzenden erhalten. Von Arnim stellt die naheliegende Frage nach dem cui bono? und stellt fest:

„Von der Einführung der staatlichen Altersversorgung würden vor allem Abgeordnete der Grünen profitieren: Von den 47 Mitgliedern ihre Landtagsfraktion war der allergrößte Teil bisher allein auf den Vorsorgebeitrag angewiesen, der ihnen eine deutlich geringere Versorgung bringt als die jetzt zunächst wieder beschlossene Staatsversorgung. 37 der 47 grünen Abgeordneten, also etwas vier Fünftel, sind erst 2011 oder 2016 in den Landtag gekommen; deshalb gilt für sie bisher die Regelung der privaten Altersversorgung. Sie vor allem hätten den Nutzen …“

Und: „Die Präsidentin des Landtags und die Fraktionsvorsitzenden sollten in Zukunft eine besonders üppige Versorgung erhalten. Diese ist zweieinviertelmal so hoch wie die ‚einfacher‘ Abgeordneter … Für die Landtagspräsidenten Muhterem Aras (Die Grünen) und für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Andreas Schwarz, käme dieses vom Landtag zunächst beschlossene Gesetz einem Lottogewinn gleich. Vorausgesetzt dass sie die verbleibenden vier Jahre der Legislaturperiode im Amt blieben, würde die Altersversorgung, die die Neuregelung ihnen brächte, einen Wert von rund einer Viertelmillion Euro haben.“

Volksantrag, Volksbegehren, Volksentscheid

In der Landesverfassung heißt es: „Die Gesetze werden vom Landtag oder durch Volksabstimmung beschlossen.“ Es gibt also keine Notwendigkeit, dass die Parteien weiterhin in eigener Sache entscheiden. Abgabengesetze, Besoldungsgesetze und das Staatshaushaltsgesetz sind vom Volksentscheid ausgenommen, nicht aber Abgeordnetengesetze.

Mit 10.000 Unterschriften kann die Volksabstimmung in Gang gesetzt werden, erläutert von Arnim, mit 0,5% der Wahlberechtigten kann der Landtag durch Volksantrag gezwungen werden, sich mit einer Sache zu befassen. Die Besoldung und Versorgung der Abgeordneten könnten regelmäßig durch Volksabstimmung über entsprechende Gesetze entschieden werden, wie das in der Schweiz üblich ist.

Von Arnims Buch über die Arroganz der Macht zeigt exemplarisch in allen Details, wie eine abgehobene Herrschaftsschicht in Bunkermentalität vor lauter eigenen Interessen jedes Maß und Ziel verliert.