Tichys Einblick
Risiken der Strommangelbewirtschaftung

Ein Blackout wäre ein katastrophales Ereignis von nationaler Tragweite

Es ist höchste Zeit neben der ökologischen Frage die zwei anderen Säulen einer nachhaltigen Energieversorgung neu zu entdecken: die der Wirtschaftlichkeit und die der Versorgungssicherheit.

Die Stromversorgung als Lebensader unserer Volkswirtschaft ist zunehmend bedroht. Es kann zum unbeabsichtigten Blackout kommen, also dem vollständigen Zusammenbruch der Stromversorgung, oder zu geplanten, „rollierenden Blackouts“, bei denen abwechselnd Städte und Regionen abgeschaltet werden, wenn nicht mehr genügend Strom erzeugt werden kann. In letzterem Fall spricht man auch von „Brownouts“.

Die Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft wären in beiden Fällen fatal. Ein Blackout wäre ein katastrophales Ereignis von nationaler Tragweite.

Die Gefahr eines totalen Stromausfalls in Teilen oder in ganz Europa erhöht sich durch die deutsche Energiewende beständig. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland eine durch einen Stromausfall verursachte Katastrophe eintritt, höher als jede andere Gefahr bewertet. Die Folgen wären der Behörde zufolge dramatisch: „Ab drei Tage aufwärts würden wir heute einschätzen, dass das zu katastrophalen Zuständen führen würde.“

Blackout bedeutet Festhängen der Aufzüge, Zusammenbruch des Telefonnetzes und der Datendienste, Ausfall der Beleuchtung, Stillstand des Zug- und Straßenbahnverkehrs, Ausfall der Wasserversorgung (Toiletten!), Ausfall der Heizungen, massivste Beeinträchtigung der Nahrungsmittelversorgung, Stillstand der Industrieproduktion und etliches mehr.

Unzureichende staatliche Risikovorsorge
Blackout – wenn es zum Äußersten kommt
Ein großflächiger Blackout hat einen weitreichenden Zusammenbruch der gesamten Infrastruktur zur Folge, so dass selbst nach Wiederherstellung der Stromversorgung die Schäden so groß sind, dass der schrittweise „Wiederaufbau“ von Anlagen, Software und Vernetzungen viele Wochen und sogar Monate beanspruchen kann.

Ein Blackout ist ein großflächiger und langandauernder Stromausfall. Er entstünde in Europa auf der Ebene des so genannten „europäischen Verbundsystems“ (Verbundnetz), einem europaweiten engmaschigen Stromnetz aus Hoch- und Höchstspannungs-Leitungen (220 und 400 Kilovolt) für den Transport von elektrischer Energie über weite Distanzen.

Wie ein Spinnennetz sind die Leitungen des europäischen Verbundsystems verbunden. Störungen im Bereich eines der am Verbundnetz beteiligten Länder können europaweite Folgen haben. Wenn beispielsweise ein Kraftwerk in Rostock ausfällt, dann merkt man das sowohl in Portugal als auch in Griechenland – an der Frequenz.

In dieses europäische Verbundsystem muss in jeder Sekunde exakt genauso viel elektrische Energie eingespeist werden, wie gerade von den Verbrauchern entnommen wird. Jede Störung dieses Gleichgewichts zwischen Einspeisung und Verbrauch ist ein Problem. Wie es gelingt, das Netz im Gleichgewicht zu halten, lässt sich jederzeit an der Netzfrequenz ablesen. Beträgt sie 50 Hertz (Hz), schwingt der Wechselstrom also genau 50 Mal in der Sekunde, dann ist das Netz stabil.

Ein Blackout ist eine Großstörung im Stromnetz, bei der die Frequenz nicht mehr im Bereich um 50 Hz gehalten werden kann. In der Folge kann es aufgrund von automatischen Schutzmaßnahmen zur Abtrennung („Abschaltung“) der Kraftwerke vom Verbundnetz kommen, so dass dieses stromlos wird.

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Blackout: Wie die Realität die Fiktion einzuholen droht
Zum Blackout kann es einerseits durch ein Ungleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -verbrauch kommen, wenn also summarisch „zu viel“ oder „zu wenig“ ins Verbundnetz eingespeist wird. Andererseits kann es im ungünstigen Fall auch dann zum Blackout kommen, wenn einzelne Stromleitungen im Verbundnetz durch zu hohe Stromflüsse überlastet werden und es infolge automatischer Schutzabschaltungen in einer Kettenreaktion zu Überlastungen und Schutzabschaltungen weiterer Leitungen des Netzes kommt.

Im Zuge der insbesondere auf Wind- und Solaranlagen gestützten deutschen Energiewende entsteht mit der endgültigen Stilllegung von immer mehr konventionellen Kraftwerken immer häufiger die Situation, dass bei Windflaute, an trüben Tagen und nach Sonnenuntergang nicht mehr genügend Strom erzeugt werden kann. Das Gleichgewicht soll dann immer häufiger dadurch hergestellt werden, dass der Stromverbrauch entsprechend reduziert wird. Liefern Sonne und Wind nicht genügend Energie, dann soll auf entsprechenden Stromverbrauch verzichtet werden.

Das ist keine Fiktion, denn schon heute werden industrielle Großverbraucher immer häufiger phasenweise vom Netz genommen. Künftig sollen weitere Betriebe und die privaten Haushalte in solchen Fällen Einschränkungen erfahren. Die Rede ist von einer „angebotsorientierten“ Stromversorgung, in der der Strom nur dann zuverlässig aus der Steckdose kommt, wenn Wind- und Solaranlagen genügend erzeugen können. Und das ist sehr häufig nicht der Fall.

Strom soll und muss unter solchen Bedingungen „rationiert“ werden, mit rollierenden Blackouts könnten künftig regelmäßig Stadtteile, Städte bzw. Regionen phasenweise regelmäßig nicht mehr mit Strom versorgt werden. Auch lässt sich über hohe Strompreise erzwingen, dass der Verbrauch zurückgeht. Mit solchen „kontrollierten Stromausfällen“ soll der große Blackout verhindert werden. Unklar bleibt, ob das in einem immer fragiler werdenden System tatsächlich gelingt.

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Mit der Energiewende entschlossen in ein grünes Nirwana
Eine solche „StromMangelWirtschaft“ mit ständigen Unterbrechungen der Versorgung und (phasenweisen) Verteuerungen des Stroms hätte aber ebenfalls katastrophale Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Die Energiewende bedarf daher dringend der Korrektur.

Ändert sich die Energiepolitik nicht, dann entsteht mit weiteren Kraftwerksstilllegungen eine wachsende „Stromlücke“, mit der Folge, dass es jederzeit sowohl zu einem ungeplanten Blackout kommen kann, und dass es zu regelmäßigen, vorsätzlichen Stromausfällen kommen muss.

Viele Experten, darunter auch große Versorgungsunternehmen, sehen in der Energiewende mit dem Ausstieg aus der Atom- und Kohlestromerzeugung ein erhebliches Risiko für die Stabilität des Stromnetzes in Deutschland und den Nachbarländern. Im November 2021 sagte der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns E.On, Leonhard Birnbaum, dass das Stromnetz aufgrund des Zubaus erneuerbarer Energien an seiner Belastungsgrenze angekommen sei. Vor diesem Hintergrund warnte er vor der Abschaltung des Stroms in ganzen Städten.

Gravierende Stromausfälle hat es in Deutschland bislang zwar nicht gegeben, aber die Zahl notwendiger Eingriffe der Netzbetreiber zur Stabilisierung des Stromnetzes ist deutlich höher als vor Beginn der Energiewende. So kommt auch das Baseler Prognos-Institut zum Ergebnis, dass die Versorgungssicherheit im Laufe der nächsten Jahre leiden könnte.

Die Situation ist derart verfahren, dass im Februar 2022 beispielsweise auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vor einem Blackout warnte und darauf hinwies, dass „wir in Deutschland auf die Folgen eines flächendeckenden Stromausfalls nicht ausreichend vorbereitet“ sind.

Der frühere Präsident des Technischen Hilfswerks, Albrecht Broemme, mahnt: „Auf einen Blackout ist Deutschland überhaupt nicht vorbereitet.“ Die Sensibilität für die Folgen eines Blackouts sei in keiner gesellschaftlichen Gruppe vorhanden.

Dem ist zuzustimmen. Neben einer Korrektur der Energiewende wird es daher insbesondere auch darauf ankommen, für den Fall eines Blackouts umfassend vorzusorgen.

Um die Fußnoten bereinigter Auszug aus:
Jungnischke/Paulitz, Strom-Abschaltungen und Blackout-Risiko. Warum Versorgungssicherheit und Risikovorsorge überlebenswichtig sind. Akademie Bergstraße, Taschenbuch, 192 Seiten, 27,00 €.


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