Tichys Einblick
Sozialismus führt zwangsläufig zu Despotismus

Der Urvater des Antifaschismus Hayek warnt vor der Knechtschaft

Vor 80 Jahren erschien „The Road to Serfdom“. Das Werk sollte zum Pflichtlektürekanon gehören. Besser lässt sich eine Demokratie nicht fördern und besser lässt sie sich nicht verteidigen. Besser lässt sie sich wohl auch nicht schützen. Von Carlos A. Gebauer

In diesen Tagen ist es 80 Jahre her, dass die Streitkräfte der freien Welt sich abschließend auf ihre geschichtsträchtige Invasion in der Normandie vorbereiteten. Mit dem legendären „D-Day“ am 6. Juni 1944 trat die nationalsozialistische Gewaltherrschaft über Deutschland und Europa in ihre Endphase.

Praktisch zeitgleich publizierte Friedrich August von Hayek sein wohl bekanntestes Werk: „The Road to Serfdom“. Obgleich sich dieses – an die „Sozialisten in allen Parteien“ gerichtete – Werk seiner Ursprungsannahme nach nur in wenigen Ausgaben verkaufen werde, entwickelte es sich zügig zu einem Weltbestseller.

Schon am 9. April 1944 veröffentlichte George Orwell eine Rezension des Buches, in der er die wesentlichen Kernthesen Hayeks vorstellte: Sozialismus führt unvermeidlich zu Despotismus. Eine staatliche Organisation, die – wie typisch für eine sozialistische – alles menschliches Leben unter bürokratische Kontrolle bringt, produziert unausweichlich eine kleine Gruppe von Bürokraten. Diese werden Macht ausüben und dann auch an ihren jeweiligen Machtpositionen anschließend rigoros festhalten wollen.

Es war also kein historischer Zufall, dass genau dieser George Orwell nur 4 Jahre später, im Jahr 1948, einen ebenso einschneidenden Roman veröffentlichte, mit dem er die Gefahren eines – kraft völliger Durchplanung des menschlichen Lebens – totalitär werdenden Gemeinwesens eindrücklich beschrieb. In Verkehrung der Ziffernfolge des Erscheinungsjahrs benannte er seinen Roman: „1984“.

»Ein unverbrüchlich menschliches Buch«
George Orwell: Auf der Suche nach Wahrheit in einer Welt voller Lügen
Auch wenn es lange vor dem Erscheinen des „Weges zur Knechtschaft“ vielfältige Warnungen vor menschenverachtenden Systemen wie dem des Faschismus und des Kommunismus wie auch eines nationalen Sozialismus gegeben hatte, so erscheint nicht fernliegend, Hayek als den Urvater des Antifaschismus zu charakterisieren. Denn gerade er – als studierter Jurist und Wirtschaftswissenschaftler – war knapp 30 Jahre nach der Russischen Revolution und rund 10 Jahre nach Hitlers Machtergreifung prädestiniert für die nun empirisch gesicherte Erkenntnis, dass ein mittels staatlicher Bürokratie durchorganisierter volkswirtschaftlicher Gesamtapparat die Freiheiten des Individuums zwangsläufig eliminieren musste.

Doch nicht nur der menschenrechtliche Aspekt einer Übergehung individueller Freiheiten sprach schon aus dem Erkenntnishorizont Hayeks gegen die Idee einer staatlichen Zentralverwaltungswirtschaft. Indem sich die kleine Gruppe staatlicher Bürokraten bei ihrer Wirtschaftssteuerung nur auf die eigenen kognitiven Fähigkeiten verlassen müssen, war für Hayek absehbar, warum das wirtschaftliche Wohlergehen in einer Planwirtschaft mit dem einer freien Wirtschaft niemals würde standhalten können: Staatlich ferngesteuerte und fremdbestimmte Wirtschaftssubjekte ohne substantielle eigene Entscheidungsbefugnisse können bei weitem nie so divers und kreativ und produktiv sein wie unzählige frei gebildete Produktionseinheiten von selbstverantwortlichen Menschen.

Die Analyse und Kritik der staatlichen Wirtschaftsorganisation samt aller Umverteilungsmaßnahmen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, wie auch die psychologischen Nebenfolgen solcher Organisationen auf machtbewusste Staatenlenker, war aus der Sicht des Jahres 1944 nicht nur eine intellektuelle Glanzleistung. Insbesondere die auf die Zukunft bezogene Weitsicht Hayeks lässt ihn geradezu als einen Propheten der weiteren Entwicklung erkennen.

Rezension von Uwe Tellkamp:
Die Wohlgesinnten. Notizen zu Alexander Wendts Buch »Verachtung nach unten«
Aus heutiger Sicht – 80 Jahre nach dem ersten Erscheinen des „Weges zur Knechtschaft“ – präsentiert sich dem aufmerksamen Publikum an vielen Stellen eine neue Anmaßung des Wissens: Das Informationsproblem der frühen Zentralverwalter zwischen Entscheidungsebene und operierenden Peripherien scheint durch moderne Informationstechnik digital gelöst zu sein. Doch abseits aller diesbezüglichen Schwierigkeiten mit Medienbrüchen und den Herausforderungen der Tatsachenerfassung, Tatsachenbeschreibung, Tatsachenwertung, Tatsachenwürdigung und zielgerichteter Reaktion auf Informationsaufnahmen bleibt hier wiederum die rechtliche Dimension ungeklärt: Hat ein digitalisiertes Individuum inmitten mannigfaltiger Algorithmen überhaupt noch die ethisch gebotene Menschenwürde, um ein eigenes Leben zu führen?

Der intellektuelle Streit für die Rechte des Individuums, der publizistische Einsatz für die Menschenwürde und die akademische Arbeit zu Gunsten einer freien Gesellschaft sind bis heute nicht ansatzweise abgeschlossen. Die Rezeption des Werkes von Hayek bedarf kontinuierlicher Fortschreibung. Er erkannte in rechtlicher und ökonomischer Hinsicht die fatalen Parallelen zwischen Faschismus, Kommunismus und zentraler Verwaltungswirtschaft. Auch wenn es seiner Generation nach dem D-Day des Jahres 1944 im Westen noch gelang, totale Übergriffigkeiten anmaßender Eliten zu Gunsten individueller Freiheit zurückzudrängen, so ist diese Debatte bis heute nicht beendet. „The Road to Serfdom“ gehört in den Pflichtlektürekanon jedes Gymnasiasten. Besser lässt sich eine Demokratie nicht fördern und besser lässt sie sich nicht verteidigen. Besser lässt sie sich wohl auch nicht schützen.

Carlos A. Gebauer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und freier Publizist.

Friedrich A. Hayek, Der Weg zur Knechtschaft. Edition Olzog im Lau-Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 336 Seiten, 39,90 €


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