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Blackout: Wie die Realität die Fiktion einzuholen droht

An einem kalten Februartag brechen in Europa alle Stromnetze zusammen. Der totale Blackout. Der italienische Informatiker Piero Manzano vermutet einen Hackerangriff und versucht, die Behörden zu warnen – erfolglos. Ganz Europa liegt im Dunkeln, und der Kampf ums Überleben beginnt …

Es gibt Romane, die verändern die Wirklichkeit. Es gibt wenige Bücher, die so aufrütteln, dass ein Lerneffekt entsteht: vor zehn Jahren erschien der Wissenschaftsthriller BLACKOUT von Marc Elsberg – und er ist aktueller denn je. Nicht etwa, weil die Verfilmung mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle vor kurzem als TV-Serie startete; sondern weil die Realität die Fiktion dieses spannungsgeladenen Romans immer wieder einzuholen droht. Groß angelegte Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen und Unternehmen gehören inzwischen beängstigenderweise zur Tagesordnung.

Vier Jahre intensive Recherche hatte der Autor vor Veröffentlichung von BLACKOUT investiert und konnte sich als Quelle der Fachkenntnis von Experten aus der IT- und Energiebranche sowie des Katastrophenschutzes ebenso bedienen, wie der Ergebnisse von Studien zur Materie. Der Bericht „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und lang andauernden Ausfalls der Stromversorgung“ des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung, der kurz vor Veröffentlichung seines Manuskripts erschien, bestätigten die Recherchen des Autors.

Wie unwahrscheinlich ist ein Blackout?
Immer mehr Menschen richten sich für mögliche Krisen ein
Heute ist vieles davon Allgemeinwissen: Dass zwischen einer modernen, auf Strom basierenden Gesellschaft und der nackten, brutalen Herrschaft der Gewalt nur sieben Tage liegen. Sieben Tage, in denen die Tankstellen wie die Wasserleitungen trocken bleiben, die Supermärkte geschlossen sind und die Notversorgung in den Krankenhäusern ausläuft, Hunger und Anarchie die jetzt noch schlummernde Gewalt in den Alltag zurückbringen.

Fundiert wie ein wissenschaftliches Sachbuch, von Bild der Wissenschaft zum spannendsten Wissensbuch gekürt, ist dieser gleichzeitig atemberaubend spannend erzählte Pageturner von Millionen Lesern zu einem Megabestseller gemacht worden. Nun liegt zum Start der High-End-Serie eine Premiumausgabe vor, in der nicht nur von Marc Elsberg Geschichten zur Entstehung und Rezeption seines Thrillers sowie ein Gespräch mit den Drehbuchautoren und der Produzentin der Serie (nebst zahlreichen exklusiven Abbildungen) zu finden sind, sondern auch Beiträge von Experten wie dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Jochen Homann, dem Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Armin Schuster oder zum Thema „Blackout in der neuen Energiewelt“ von Jürgen Weiss von der Harvard Business School.

Auch das ist ein Grund, warum man sich dieses grandiose Buch (vielleicht sogar noch einmal) vornehmen sollte. So schreibt der Präsident der Bundesnetzagentur, es habe „nicht an Aktualität verloren. Die möglichen katastrophalen Konsequenzen eines flächendeckenden und langanhaltenden Stromausfalls rücken die Sicherheit der Stromversorgung regelmäßig in das Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit“.

Tichys Lieblingsbuch der Woche
Wir rasen als Geisterfahrer der Energiepolitik in die Klimadämmerung
Darf man also zu hoffen beginnen, dass die Sensibilität an verantwortlicher Stelle zunimmt? Denn es ist klar, dass die einseitige Fokussierung auf Wind als Energiequelle mit ein wenig Solar im Sommer und der drastische Abbau jeglicher Grundlastversorgung mit steuerbaren Energiequellen die Gefahr eines Blackouts erhöht. Doch der Herr Präsident leugnet das schlicht in seinem Beitrag: „Als Ursache für einen Blackout halten wir daher einen Mangel an Erzeugungsleistung nicht für ein relevantes Risiko.“

Und genau in diesem Punkt widerspricht wenige Seiten später der Wissenschaftler Jürgen Weiss. Er warnt, dass durch die Umstellung der Mobilität auf E-Autos auch die Folgen eines Blackouts dramatischer werden: Dann fährt kein dieselgetriebenes Feuerwehr- oder Versorgungsfahrzeug mehr. Und die Wärmeerzeugung aus Kohle, Öl oder mit Gas betriebenen Anlagen entfällt. Je mehr Alternativen der Energieerzeugung beerdigt werden, um so mehr steigt die Verletzlichkeit der Infrastruktur. Noch „spannender“ wird es, so Weiss, wenn „das Ungleichgewicht zwischen (regenerativem) Angebot und Nachfrage länger anhält. Im deutschen Wortschatz gibt es das schöne Wort ‚Dunkelflaute‘, das eine Situation definiert, bei der über mehrere Tage hinweg weder die Sonne scheint noch der Wind weht“. So wird der Blackout gewissermaßen eingebaut, die Gefahr seines Eintretens durch die Energiepolitik jeden Tag erhöht.

Wie reagiert nun das Bundesamt für Katastrophenschutz darauf, gewissermaßen die letzte Verteidigungslinie zwischen Zivilisation und Katastrophe? Dieses Amt und sein Präsident Armin Schuster raten uns dann zu einer „Gazpacho Andaluz“ und er liefert auch gleich das Rezept dazu. Wenn Sie also nach dem Versagen der Bundesnetzagentur und der Politik frierend in einer eiskalten Wohnung hungern, wird eine kalte Suppe sicher die Folgen des Blackouts reduzieren – oder: Die Behörden weigern sich auf Geheiß der Politik die Konsequenzen aus dem zu ziehen, was dieser unbedingt lesenswerte Roman ihnen vor Augen führt. Man lernt eben doch nur aus Romanen, wenn man lernen will.


Marc Elsberg, Blackout. Morgen ist es zu spät. Blanvalet. Erweiterte Premiumausgabe, (HC mit Schutzumschlag, Schwarzschnitt, Leseband), 896 Seiten, 25,00 €


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