Tichys Einblick
Ein Lackmustest

Wie unempfindlich sind wie viele Bürger?

Interessant wird sein, ob die Gewalttaten von AntiFa und Schwarzem Block in Hamburg in den Umfragen, die danach durchgeführt werden, den derzeitigen Trend schlicht fortschreiben oder Veränderungen signalisieren.

A man on his bike looks at a masked protester throwning a stone at riot police using water cannon on July 7, 2017 in Hamburg

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die chronische Intransparenz fängt damit an, dass der Umfragezeitraum durch das Veröffentlichungsdatum vernebelt wird. Forsa befragte vom 3. bis 7. Juli – INSA vom 7. bis 10. Juli: Forsa also vor G20 in Hamburg und INSA während der Gipfel-Tage. Das Veröffentlichungsdatum gaukelt aber vor, das Forsa-Ergebnis wäre aktueller. Das Gegenteil ist der Fall.

Interessant wird erst sein, ob die Gewalttaten von AntiFa und Schwarzem Block in Hamburg in den Umfragen, die danach durchgeführt werden, den derzeitigen Trend schlicht fortschreiben oder Veränderungen abweichend vom Trend zeigen.

Bewegt das einschneidende Hamburger Gewaltereignis nichts in den neuen Parteienziffern, bedeutet das noch nicht, dass sich nichts bewegt. Denn manches messen die üblichen Umfragen nicht oder bleibt der Öffentlichkeit verborgen: die Wahlbeteiligungsabsicht und die mögliche Differenz zwischen Erst- und Zweitstimmen. Ich kann mir vorstellen, dass in der Gruppe der wahrscheinlichen Nichtwähler mehr passiert als in der mit Wahlabsicht für die verschiedenen Parteien. Und in der Möglichkeit des Stimmensplittings stecken immer unkalkulierbare Effekte.

Unter der Käseglocke keine Luft
Beruf Politik - genauer: die Verwaltungslaufbahn Allerhöchster Dienst
Dass die AfD wahrscheinlich nicht in großen Zahlen von den Hamburger Unruhen profitieren wird, hat einen Grund, der mit aktuellen Ereignissen nichts oder wenig zu tun hat: sondern im real existierenden Parteiensystem strukturell steckt. Er lässt sich mit einem Vorgang dieser Tage in Österreich illustrieren. Die Grünen haben sich so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie dabei ihr Zugpferd Nummer Eins, den Querkopf Peter Pilz nicht wieder aufgestellt haben für die Nationalratswahl am 15. Oktober des Jahres. Ob Pilz mit einer eigenen Liste antritt, steht nicht endgültig fest. Mir geht es hier um seine Begründung für diese Möglichkeit:

„Hauptziel ist es, eine neue Bewegung ins Parlament zu bringen, an der man politisch nicht vorbei­kann. Und eines ist auch klar, ich werde keine neue Partei gründen. Die Leute haben nämlich von Parteien, die sich ausschließlich mit sich selber beschäftigen, die Nase voll.“

Wahlvereine
Parteienstaat und Staatsparteien
Peter Pilz stellt klar, er will bewusst keine Partei gründen: „Davon haben alle die Nase voll.“ In Österreich reichen 40 Personen, um in allen Wahlkreisen und mit Bundeswahllisten flächendeckend anzutreten. Österreich zwingt seine Bürger nicht in der Weise wie Deutschland, bürokratische Monster von Parteien mit maximaler Garantie vor allem unproduktiver Binnenbeschäftigung in Geschäftsordnung, Satzungen und so weiter und so weiter in die Welt zu setzen, bevor politische Engagierte zu Wahlen antreten können.

Vor die Erneuerung der deutschen Politik haben die Götter die Abschaffung des Parteien-Monopols gesetzt. Doch eine Hundertschaft unabhängiger, in ihrer Lebens- und Arbeits-Umgebung angeseher Bürger könnte in Gestalt von Direktkandidaten in hundert ausgesuchten Bundestagswahlkreisen auch die deutsche politische Landschaft aufmischen. Darunter könnten auch solche sein, die von der Parteien, in denen sie sich bisher versuchten, die Nase voll haben.

Aber erst mal können wir auf die nächsten Umfragen warten. Sie können uns nicht sagen, wie die Bundestagswahl ausgeht. Aber viel, wenig und gar keine Bewegung der Ziffern wird uns ahnen lassen, wie der Hase läuft.

Was ist Ihre Assoziation bei dem obigen Titelbild? Mein Gedanke bleibt auch nach mehrmaligem Hinschauen derselbe: ich glaube es nicht.