Tichys Einblick
"Tagesschau"-Panne?

Wie die ARD die Gewerkschaftsvizechefin als „Bahnkundin“ verkaufte

In der Tagesschau spricht eine „Bahnkundin“ lobend über das 9-Euro-Ticket der Bundesregierung – bei ihr handelt es sich um die DGB-Vize-Vorsitzende Elke Hannack. Es ist nicht der erste Fall dieser Art im ÖRR.

Am Montag berichtete die Tagesschau über das 9-Euro-Ticket. Dazu befragte sie zufällig Bahnkunden, was sie von diesem hielten. Eine davon, „Elke Hanak“, äußerte sich lobend über den grünen Regierungsvorstoß: „Ja, würde ich mir kaufen. Ist auf jeden Fall günstiger mal, durch die ganze Republik zu reisen mit der Deutschen Bahn, wenn’s auch länger dauert.“

Das Problem: Die Interviewte heißt in Wirklichkeit Elke Hannack mit Doppel-n und einem c vor dem k – und ist stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Doch diese Information bleibt die Sendung dem Zuschauer schuldig. Dass sie Gewerkschaftlerin ist und damit Vertreterin klarer politischer Interessen, bleibt dem Zuschauer verborgen.

Von Journalistenkollegen gab es Häme. „Taz“-Redakteur Pascal Beucker schrieb auf Twitter: „Schon lustig, liebe Tagesschau, da interviewt Ihr so eine ganz normale Bahnkundin zum 9-Euro-Ticket – und wisst nicht, wer das ist? Aber wie soll man auch als Nachrichtenredaktion die stellvertretende DGB-Vorsitzende erkennen? Richtig heißt sie übrigens Elke Hannack.“

Natürlich durfte auch diese Kritik nicht eingeschränkt werden: Denn nachdem der verantwortliche ARD-Redakteur Tom Schneider den „Griff ins Klo“ zugab, setzte Beucker nach: „Bevor sich hier irgendwelche ÖRR-Hasser:innen trollen: 1. Ich schätze den ÖRR sehr. 2. Der ARD-Kollege hat souverän auf meinen Hinweis reagiert.“

Beucker ist offenbar klar, dass jede Kritik am Gebührenfernsehen ein potenzieller Angriff auf die Demokratie sein muss. Eine Krähe pickt der anderen eben kein Auge aus, insbesondere beim lobenswerten Linksdrall in den Rundfunkanstalten. Dabei handelt es sich eben um keinen singulären Ausrutscher.

2019 etwa hatte das ZDF eine vermeintliche „Kundin“ in einem Bio-Supermarkt interviewt. Das Geschäft boykottierte die Hirse-Produkte einer Mühle, deren Besitzer AfD-Politiker war. Mehrere Supermarktketten in Deutschland boykottierten zu diesem Zeitpunkt die „Spreewalder Hirsemühle“ – Begründung: Die AfD leugne den menschengemachten Klimawandel. Auf die Situation angesprochen verteidigte die Befragte die Entscheidung des Bio-Supermarkts – schließlich wolle sie ja keine Gefahr laufen, „AfD-Produkte“ zu essen.

Bei der zufällig ausgewählten Kundin handelte es sich allerdings um keine Unbekannte – sondern um die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar, Mitglied im Innenausschuss und als Grüne eine erklärte politische Gegnerin der AfD. Das ZDF gab nichts davon an. Lazar erklärte später, sie habe dem Sender ihre Tätigkeit angegeben. Auch ein Ausrutscher?

Jüngstes Beispiel: Georg Kössler, bekennender Klimaaktivist und grüner Abgeordneter in Berlin. Ebenfalls in der ARD wurde dieser vorbeifahrende Radfahrer zu „Pop-up-Radwegen“ in Berlin befragt. Es gebe „mehr und mehr“ Radwege, das finde er „super“, er wolle „mehr davon“. Auf der Sonnenallee fahre er nach wie vor nicht, weil die „zu gefährlich“ sei. Auch hier: keine Kennzeichnung. Und noch eine Gemeinsamkeit: Ähnlich wie der Hannack-Beitrag kam auch der Kössler-Beitrag ursprünglich vom rbb.

Im Sich-Entschuldigen sind die ÖRR mittlerweile routiniert. TE sammelt die Fälle:

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