Tichys Einblick
AstraZeneca – die Hintergründe

Was im AstraZeneca-Impfstoff steckt

Nach der politischen Panik, schnell Impfstoffe freizugeben, machen die Nebenwirkungen des Stoffs von AstraZeneca nun klar, wie riskant das war. Rätselhaft ist auch, wo die Empörung gegen die Gentechnik geblieben ist, denn der Impfstoff ist deren Produkt.

Fläschchen mit dem Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca

IMAGO / C3 Pictures

Schon wieder AstraZeneca und der Impfstoff. Jetzt wurde es den Experten doch zu mulmig, sie schlugen Alarm. Und zwar so massiv, dass Bundesgesundheitsminister Spahn sich nicht anders zu helfen wusste, als radikal zu entscheiden: Der Impfstoff von AstraZeneca wird vorerst nicht weiter geimpft. Eine Entscheidung mit weitreichenden politischen Folgen.

Dieser Impfstoff spielte eine zentrale Rolle im Corona-Ausstiegsszenario. Ist – so die Logik – ein hinreichend großer Teil der Bevölkerung geimpft, so könne der Lockdown aufgehoben werden. Die Impfung gilt also als der einzige Ausweg aus der Nummer. 

Auch Frankreich hat gestern Abend die Verwendung dieses Impfstoffes ausgesetzt, ebenso wie bereits zuvor eine Reihe anderer europäischer Länder. Von der Europäischen Zulassungsbehörde EMA wird am Dienstag eine Erklärung erwartet.

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Das Paul-Ehrlich-Institut, das die Bundesregierung berät, berichtet von einem bemerkenswerten Anstieg einer bestimmten Form der seltenen zerebralen Venenthrombose, also einem Blutgerinnsel in einer Gehirnvene. Die Warnung sei eine rein »vorbeugende Maßnahme«. Der Bundesgesundheitsminister zur Begründung: »Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass Personen, die den Covid 19-Impfstoff von AstraZeneca bereits erhalten haben, und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen sollten, zum Beispiel mit starken Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen, sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben sollten.« Er verwies lediglich auf eine aktuelle Empfehlung des Paul-Ehrlich-Institutes, nannte jedoch keine detaillierten Gründe und bat um Verständnis, dass er auch noch nicht viel mehr wisse.

Von sieben Thrombose-Fällen nach einer Impfung mit AstraZeneca berichtete der Chef des Paul-Ehrlich-Institutes, drei verliefen tödlich.

Das aktuelle Desaster deutete sich an, nachdem sich Berichte über schwere Nebenwirkungen häuften. Dänemark, Norwegen, Island, Bulgarien und schließlich auch die Niederlande stoppten die Impfung mit AstraZeneca. Andere Länder wie Österreich, Luxemburg und die baltischen Länder sowie Italien und Rumänien stoppten nur die Impfung mit einer bestimmten Charge. Die italienische Provinz Piemont hatte die Impfung wieder aufgenommen, allerdings unter Ausschluss einer Reihe von Chargen. Dort war ein Lehrer einen Tag nach seiner Impfung verstorben.

In TE berichtete eine Ärztin über ihren Leidensweg, nachdem sie sich hatte impfen lassen. Der Druck auf ihre Gemeinschaftspraxis, so berichtete sie, sei immer stärker geworden. Viele Mediziner wehren sich gegen eine Impfung. Sie wissen um Funktion, Wirkung und ungeklärte Risiken dieses Impfstoffes. 

Schon im September hatte TE über einen massiven Rückschlag bei der Entwicklung bei AstraZeneca berichtet. Es kam zu einem ernsten Zwischenfall, als eine Probandin eine »seltene, aber schwerwiegende Entzündungsreaktion der Wirbelsäule« erlitt, wie seinerzeit Pascal Soriot, Vorstandsvorsitzender von AstraZeneca, während einer internen Telefonkonferenz mit Investoren erklärte. Es handelt sich um eine transverse Myelitis, eine ernste Erkrankung mit einer Entzündung des Rückenmarks und Muskelschwäche, Lähmung, Schmerzen und Blasenprobleme. In seltenen Fällen haben Impfstoffe Fälle von transversaler Myelitis ausgelöst, obwohl sie auch durch Virusinfektionen verursacht werden kann.

Auch dieser schwerwiegende Zwischenfall war nicht der erste. Soriot bestätigte seinerzeit weiterhin, dass die klinische Studie bereits einmal im Juli abgebrochen wurde, nachdem ein Teilnehmer neurologische Symptome aufwies. Bei einer weiteren Untersuchung wurde bei diesem Teilnehmer Multiple Sklerose diagnostiziert. Die wurde nach seinen Worten allerdings als nicht mit der Impfstoffbehandlung in Zusammenhang stehend betrachtet.

Diese Fälle machen deutlich, dass die Entwicklung und Zulassung eines Impfstoffes unter sehr hohem Zeitdruck vollkommen entgegengesetzt zur normalen Praxis einer Impfstoffentwicklung steht. Normalerweise dauert die Entwicklung im Durchschnitt acht bis zwölf Jahre. Zu den wichtigsten Aufgaben zählen Tests in unterschiedlichen Stadien. Man will schließlich möglichst genau wissen, ob und wie die Substanz auf Menschen wirkt, die bekanntlich sehr unterschiedlich sind, und vor allem, ob es nach einiger Zeit Spätfolgen gibt.

Zudem betritt die Pharmaindustrie Neuland. Es handelt sich nicht mehr um einen Impfstoff im klassischen Sinne. Bei dem werden Erreger in abgeschwächter Form geimpft, der Organismus soll damit sein immunologisches Gedächtnis trainieren und schneller bei einer Infektion antworten können.

Vollkommen neu ist, dass es sich um ein genetisches Agens aus dem Baukasten der Biotechnologen handelt, das in die Körper injiziert wird. Das veranlasst, die Proteinfabriken in den Zellen zur Produktion von weiteren Proteinen, die eingedrungene SARS-Viren bekämpfen sollen.

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Für das AstraZeneca-Präparat unter der Bezeichnung AZD1222 wurde ein Gen für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 in ein Adenovirus von Schimpansen eingebaut. Das löst normalerweise bei Schimpansen eine Erkältung aus, gilt für Menschen als ungefährlich und wird als Transportvehikel in die Zelle benutzt. Diese neue Geninformation soll das Immunsystem dazu veranlassen, eine Schutzantwort gegen SARS-COV-2 zu erzeugen. Die Zellen sollen dazu gebracht werden, ein dem Virus ähnelndes Protein zu produzieren, das dann die Immunantwort des Organismus auslösen soll. Der Vorgang findet nicht im Zellkern, sondern in den Ribosomen statt, jenen zellulären Fabriken, in denen alle möglichen Proteine hergestellt werden. 

Es handelt sich also um Gentechnik reinsten Wassers – erstaunlich ist, dass es darüber nicht zu öffentlichem Protest kommt. Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen in Europa jedenfalls nicht auf die Äcker ausgebracht werden. 

Damit erfüllt sich auch ein Traum vieler Pharmafirmen, die seit 20 Jahren an sogenannten RNA-Stoffen forschen, aber noch nie die Gelegenheit hatten, diese in Massenexperimenten großflächig auszuprobieren. Bisher kamen sie in der Entwicklung noch nie über Vorstufen hinaus.

In der Politik scheint jetzt Panik angesagt. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zu Bild: »Das Aussetzen der Impfungen mit AstraZeneca ist ein klarer Fehler. Die Komplikationsrate bei dem Impfstoff liegt in einer Größenordnung von weniger als eins zu 100.000.«

Man mag sich lebhaft den politischen Druck ausmalen, unter den Zulassungsbehörden wie die europäische EMA gesetzt werden, um schnell die Zulassungen durchzuwinken. Doch es geht um Gesundheit und Leben von Menschen, daher stehen nicht umsonst sorgfältig aufeinander abgestimmte Kontrollmechanismen vor der Zulassung. Medikamente und Impfstoffe lassen sich nicht einfach durchwinken wie neue Parteivorsitzende in gefolgsamen Parteien.

Der Aufbau einer Großproduktion, der nächste Schritt, ist eine hoch komplexe Angelegenheit, Produktionsmaschinen sind Bakterien in großen Bioreaktoren. Neue Produktionsverfahren müssen entwickelt und aufgebaut werden – alles unter sterilen, sorgfältig kontrollierten Bedingungen. Eine der großen Werkbänke der Pharmaindustrie ist Indien, dort wird rund die Hälfte aller Impfstoffe und Vorprodukte hergestellt. Bei einem Hersteller hat es kürzlich gebrannt.

Das Robert-Koch-Institut hatte Ende Januar noch erklärt, die Daten von AstraZeneca seien nicht ausreichend, um die Wirksamkeit einer Impfung für Menschen ab 65 Jahren beurteilen zu können. Die ständige Impfkommission hatte den AstraZeneca-Impfstoff nur für Personen zwischen 18 bis 64 Jahre empfohlen. Doch die gehören nach bisherigen Erkenntnissen eher nicht zu den Risikogruppen.

Die EMA sah kein erhöhtes Risiko durch eine Coronaimpfung. Die Zahl der thromboembolischen Ereignisse bei geimpften Menschen sei nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Nach bisherigen Erkenntnissen, fügte sie vorsichtig hinzu.

Demgegenüber betonen Experten wie der Direktor des IHU Méditerranée Infection in Marseille, Didier Raoult, dass eine Impfung gegen Coronaviren sinnlos sei. Denn die Viren mutieren zu schnell und vollbringen zu viele Rekombinationen. Er hatte auch belegt, dass eine Immunität durch Antikörper gegen eine Variante des Coronavirus nicht vor einer Infektion einer anderen Variante schütze. Die WHO hatte dies früher bestritten.

Raoult wurde dafür scharf kritisiert. Er erinnerte übrigens auch an die Aufgabe von Regierungen: ruhig und besonnen zu reagieren und vor allem keine Panik zu verbreiten. 

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