Tichys Einblick
Tellkamp und Bernig für Maron

„Verwahrlosung in der Berichterstattung“

Die Schriftsteller Uwe Tellkamp und Jörg Bernig nehmen Stellung für Monika Maron: Nicht was sie in ihren „Essays aus drei Jahrzehnten“ geschrieben hat, war für S. Fischer inkriminierend, sondern dass sie es in Susanne Dagens Verlag publiziert hat, der sich linkem Denken entzieht und für alle offen ist.

Der langjährige Suhrkamp-Autor Uwe Tellkamp („Der Turm“) und der Schriftsteller Jörg Bernig stellen sich in einer gemeinsamen Erklärung an die Seite von Monika Maron, der S. Fischer nach 40 Jahren die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte. Gleichzeitig verteidigen sie die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen gegen Anschuldigungen. S. Fischer hatte das Ende der Zusammenarbeit mit Maron damit begründet, dass sie ihren Essayband „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ in der Edition EXIL von Dagens Buchhaus Loschwitz veröffentlicht hatte. Dagen wird von verschiedenen Medien als „neurechts“ bezeichnet; in einem Text der „Süddeutschen“ wurde sie kürzlich ins rechtsextreme Spektrum gerückt.

Marons Essays – ältere Texte, darunter ein Essay, das 2019 in der Neuen Zürcher Zeitung erschien – waren allerdings schon im März 2020 in der Edition des Buchhauses Loschwitz publiziert worden; der Verlag hatte vorher sein Einverständnis gegeben.

„Unsere große Sorge erwächst aus Beobachtungen und Erfahrungen, die wir selbst während der letzten Jahre gemacht haben“, schreiben Tellkamp und Bernig, von denen auch jeweils ein Buch in der Edition des Buchhauses Loschwitz erschienen war: „Wir stellen eine Verwahrlosung und gewalttätige Aufladung der Berichterstattung und Kommentierung fest, wenn über Positionen und Menschen geschrieben und gesprochen wird, die sich kritisch zu problematischen Entwicklungen in diesem Land äußern – sei das zu Fragen der Meinungsfreiheit, der Verquickung von Politik und Medien, der Migrationspolitik, der Erscheinung des Islams in unserer Gesellschaft oder der Beschneidung verfassungsmäßig festgeschriebener Freiheiten. Mit großer Sorge blicken wir auf uns nachgerufene Formulierungen wie: ‚pegidafiziert’, ‚rassistisch’, ‚ausländerfeindlich’ oder ‚definitiv neurecht[s]’“

Beide Autoren rufen zur Mäßigung des öffentlichen Debattentons auf.
TE dokumentiert den gesamten Text:

In großer Sorge

Statement von Jörg Bernig und Uwe Tellkamp

In großer Sorge und mit Entschiedenheit stellen wir uns vor die Buchhändlerin, Verlegerin und Veranstalterin Susanne Dagen. Desgleichen treten wir an die Seite unserer Kollegin Monika Maron, der die weitere Zusammenarbeit mit dem Verlag S. Fischer aufgekündigt wurde, weil sie in der edition buchhaus loschwitz, dem Verlag Susanne Dagens, einen Band mit Essays veröffentlicht hat. Wohlgemerkt: nicht was Monika Maron in ihren „Essays aus dreißig Jahren“ geschrieben hat, war für S. Fischer inkriminierend, sondern daß sie es in Susanne Dagens edition buchhaus loschwitz publiziert hat. Susanne Dagens Buchhandlung, ihr dort angeschlossenes KulturHaus und der Verlag edition buchhaus loschwitz werden als Ort (neu)rechten Denkens stigmatisiert und das, bei Lichte besehen, schlicht aus dem Grund, weil Susanne Dagen sich einer Festlegung auf ein bloß irgendwie links geartetes Denken entzieht und stattdessen einen Ort bietet, der für alle offen ist.

Unsere große Sorge erwächst aus Beobachtungen und Erfahrungen, die wir selbst während der letzten Jahre gemacht haben. Wir stellen eine Verwahrlosung und gewalttätige Aufladung der Berichterstattung und Kommentierung fest, wenn über Positionen und Menschen geschrieben und gesprochen wird, die sich kritisch zu problematischen Entwicklungen in diesem Land äußern – sei das zu Fragen der Meinungsfreiheit, der Verquickung von Politik und Medien, der Migrationspolitik, der Erscheinung des Islams in unserer Gesellschaft oder der Beschneidung verfassungsmäßig festgeschriebener Freiheiten.

Mit großer Sorge blicken wir auf uns nachgerufene Formulierungen wie: „pegidafiziert“, „rassistisch“, „ausländerfeindlich“ oder „definitiv neurecht[s]“.
Wir fragen: Wohin soll das führen? Was soll der Schritt sein, der auf derlei verbale Attacken folgt? Oder: Welchen Folgeschritt sollen solche Attacken vorbereiten?
Wir leben in einer Zeit enormer Umbrüche. – Diskussion? Ja. Streit? Ja. Diffamierung? Nein. Denunzierung? Nein. Ausgrenzung? Nein. Verbale Gewalt? Nein und nein!

In großer Sorge um die Entwicklung in unserem Land rufen wir zu Mäßigung im Umgang miteinander auf.

Dresden, den 21. Oktober 2020

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