Tichys Einblick
Rohrkrepierer

Übermedien zur Causa Käßmann: Verleumdung durch Verleumdungsvorwurf?

Erfüllen Boris Rosenkranz als Autor und Stefan Niggemeier als Partner der GmbH „Übermedien“ den § 186 des Strafgesetzbuches: Üble Nachrede?

Kirchentag (Church Day) festival

© CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

Der Journalist Boris Rosenkranz berichtet vom Kirchentag. In einem heiteren Zusammenhang wäre das sicher eine charmante Zote wert. Aber hier ist es unangebracht. Denn dieser Herr Rosenkranz möchte der erste Kübelgießer vor dem Herrn sein, möchte auf Biegen und Brechen sein Portal Übermedien, welches er zusammen mit Stefan Niggemeier als GmbH betreibt, in die Schlagzeilen bringen. Seine Idee dazu: Eine Margot Käßmann-Verteidigung.

Rosenkranz titelt: „AfD, Broder und Tichy verleumden Margot Käßmann als Rassistin.“ Da dreht sich nun ein merkwürdiges Karussell, denn was, wenn nun Rosenkranz seinerseits falsch läge? Möglicherweise justiziabel? Das Strafgesetzbuch § 186 erklärt jedenfalls zur üblen Nachrede:

„Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Zwischenzeitlich sollen übrigens auch erste Strafanzeigen wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen Frau Käßmann selbst abgesetzt worden sein, berichtet ein kontaminiertes Portal, das sich journalistenwatch nennt, sich also offensichtlich ebenso wie Übermedien der Beobachtung der anderen verschrieben hat. Das allerdings macht Meedia bereits viel erfolgreicher – also Wassertreten im viel zu engen Bottich?

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Zur Causa Käßmann: Ihre Landeskirche berichtete ausführlich über den Auftritt der Ex-EKD-Vorsitzenden auf dem Kirchentag, die aktuell als so genannte „Reformationsbotschafterin“ unterwegs sei. Da es offensichtlich noch keine veröffentlichte Aufnahme der Rede Käßmanns gibt, soll diese Quelle reichen. Und dort heißt es nun, Margot Käßmann hätte auf dem Kirchentag eine Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung auf- bzw. angegriffen. Das entspreche dem kleinen Arierparagrafen der Nazis, sagte Käßmann: „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht.“ Das nun zu zitieren, ob mit oder ohne Verweis auf die AfD, ist nicht nur legitim, sondern dringend erforderlich. Denn zunächst einmal ist Familienpolitik nicht nur Teil aller Parteiprogramme, sondern sogar zentraler Bestandteil der Gesellschaftspolitik. „Sie versucht das Zusammenleben von Paaren, das Leben mit Kindern und den Generationenzusammenhang zu unterstützen.“

Nein, das sagt nicht die AfD, sondern die Bundeszentrale für politische Bildung. Und man darf vermuten, dass sich eine deutsche Familienpolitik zunächst einmal an deutsche Staatsbürger richtet. Alles andere wäre auch merkwürdig, denn immerhin geht es um Steuergelder, die hier eingesetzt werden sollen, das Kinderkriegen wieder attraktiv zu machen.

Die Junge Union (JU) forderte jüngst sogar eine Abgabe für Kinderlose von einem Prozent des Bruttoeinkommens. „Das wäre keine Benachteiligung, sondern nur ein Ausgleich“, sagte der Vorsitzende der JU, Paul Ziemiak, in einem Interview. Und der CDU-Wirtschaftspolitiker Bareiß hatte noch 2016 wegen der sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland eine Überprüfung des Elterngeldes verlangt. Schließlich habe die Leistung ihren Zweck nicht erreicht. Also wohl Geld für mehr Vermehrung. Der Geburtenrückgang der Deutschen (übrigens ganz nüchtern festgestellt mit vornehmlich deutschen Eltern und Großeltern, auch wenn das dem geborenen Kind zunächst zu Recht völlig schnuppe sein darf) ist sogar für die Grünen so besorgniserregend, dass sie ebenfalls keine Hoffnung mehr in die deutsche Familienpolitik setzen, die Zahlen des Statistischen Bundesamtes seien alarmierend. Und doch scheint sich nichts zu tun. Die Grünen fordern also: „Verbessert Deutschland seine Einwanderungsbedingungen nicht, wird es die Herausforderungen des demografischen Wandels und Fachkräftemangels kaum lösen können.“  Wenn die Deutschen mit deutschen Eltern und Großeltern es nicht hinbekommen, dann eben andere, will man sagen.

Noch 2006 hielt die damalige Bundesfamilienministerin von der Leyen die hohe Kinderlosigkeit für alarmierend und forderte ein Umdenken. Darf man annehmen, dass sie damit nicht den Kurs der Grünen meinte? Matthias Platzeck wies damals als SPD-Chef auf die Bedeutung des demographischen Faktors für die Politik hin. Er bedauerte sogar, dass die Rente mit 67 „eine klare Reaktion auf diese demographischen Herausforderungen“ sei.

Hier nun den Schluss zuzulassen, dass Frau Käßmann, wenn sie die hier eben kurz skizzierte Familienpolitik in die Nähe des Nationalsozialismus rückt („da weiß man, wo der braune Wind weht“) „Vollstuss“ rede, wie es Henryk M. Broder auf seine Weise zuspitzte, ist wahrscheinlich von der Meinungsfreiheit gedeckt, also nicht nur legitim, sondern sogar besonders naheliegend.

Nun erwägt Frau Käßmann dagegen den Rechtsweg. Auch das sei ihr freigestellt. Allerdings mag hier die Betonung auf „erwägt“ liegen. Und sie erläutert dann ja auch ausführlich, was ihre wahren Motive sind: „Du fühlst dich hilflos, weil du es nicht geraderücken kannst.“ Das allerdings ist eine Erfahrung, die Kritiker beispielsweise der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik schon länger machen. Willkommen im Club, mögen diese der Frau Käßmann nun hinüber rufen dürfen.

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Anders macht es Übermedien. Das Portal, das dem gefallenen Werbeagentur-Engel der Kampagne #keingeldfürrechts, Gerald Hensel und seinem neu gegründeten Verein „Fearless Democracy“ – wohl eine Art Ich-AG –  gerade eine eigene Kolumne eingeräumt hat, kritisiert nun u.a. Roland Tichy, der auf TE zur Causa Käßmann völlig zu Recht feststellte: „das alles sei „ein klarer Fall von Fake-News“, da die AfD ja „die deutschen Großeltern nicht im Programm habe.“ Aber, so unkt nun Übermedien: das stamme sehr wohl von der AfD. Exakt hier macht man dann offensichtlich den Verleumdungsvorwurf an Roland Tichy fest. Denn ein Landtagsabgeordneter der AfD, Ralph Weber hätte das doch – man will es kaum glauben – auf Facebook so gesagt!

Frage: Könnte das den Schluss zulassen, dass Übermedien, dass Rosenkranz als Autor und Niggemeier als Partner der GmbH „Übermedien“ hier den § 186 des Strafgesetzbuches erfüllen? Denn Roland Tichy bezog sich ja eindeutig auf das Programm der AfD und wird damit sogar von Übermedien zitiert, die sich also – au weia – im eigenen Text verheddern.

Aber das verrückte Narrenstück geht noch weiter: Denn ausgerechnet gegen den von Frau Käßmann zitierten AfDler Ralph Weber aus dem Facebook hatte die AfD eine Abmahnung erwirkt mit der Begründung, er habe mit seinen Ausführungen die Grundsätze der Partei verletzt. Naheliegend also: Frau Käßmann ebenso wie Übermedien behaupten wahrheitswidrig die Aussagen Webers seien Forderungen der AfD, wie es auch die Landeskirche behauptet hatte. Dass man nun annehmen könnte, es gäbe sicher diverse AfDler, die es gedanklich lieber sehen, wenn hier Kinder geboren würden von deutschen Eltern und Großeltern, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Familienpolitik in Deutschland trifft jedenfalls nach wie vor eben auch diese von Käßmann – wenn man es so lesen will – in Verruf gebrachte Klientel. Und die Volksparteien in Deutschland bedauerten bisher auch ziemlich einstimmig, dass die finanziellen Anreize nicht zu mehr deutschen Zeugungsergebnissen führen. Ganz gleich, ob nun von Deutschen mit oder ohne Eltern, von Deutschen mit Eltern aus Istanbul oder Sofia, von Deutschen mit oder ohne Großeltern aus Danzig oder New York. 2010 gab der Staat circa 200 Milliarden Euro für die Familie aus. Ein Hauptziel war die Sicherung der Renten durch Steigerung der Geburtenrate. Setzt man nun wie die Kanzlerin 2015 auf Zuwanderung, ist aber auch das offensichtlich kein Selbstläufer, wie Professor Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung der BILD-Zeitung mitteilte: „Mit Zuwanderung lässt sich das Problem der geringen Geburtenrate nicht beseitigen. Das liegt daran, dass sich Migranten an ihr Umfeld anpassen. Das gilt auch für die Zahl an Kindern.“  Ob in der Aussage von Bonin nun wiederum eine Fake News versteckt ist, möge jeder Leser selbst entscheiden.