Tichys Einblick
Demokratie stört taz

taz: Das Parlament schwächen wenn Demokratie lästig

Der taz-Glaubens-Satz: Die parlamentarische Demokratie darf nicht gestärkt werden, wenn eine "falsche" Fraktion in "falscher" Größe in diesem Parlament sitzt. Denn Demokratie ist lästig, wenn es eine andere Meinung gibt.

imago images / pictureteam

Nach mehrfachem lesen blieb mir nichts mehr anderes übrig, als wahrzunehmen, ja, es steht tatsächlich da mit dem Absender @tazgezwitscher:

„Nach der Wahl wird über eine #Minderheitsregierung in #Thueringen sinniert. Das ist gefährlich: Wer das #Parlament stärkt, stärkt die #AfD gleich mit.“

Im Umkehrschluss heißt das wohl: Schwächt das Parlament, wenn sich darin andere Meinungen als meine wiederfinden. Nur meine Meinung ist erlaubt. Dass das irgendwie das Gegenteil von Demokratie sein könnte, kommt der taz nicht in den Sinn.

Der taz-Schreiber erinnert daran, dass es im Bundestag relativ lange rechnerisch eine Mehrheit von SPD, Linken und Grünen gab für politisch linke Projekte wie „eine Bürgerversicherung oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes“ – „diese aber nie real zustande kam, weil die SPD an die Koalition mit der CDU gebunden war.“ Da fehlt wohl das simple Wissen darüber, dass der Bundeskanzler (und auch die Bundeskanzlerin, diese Ergänzung ist für Grammatik-Schwächelnde) von der Mehrheit des Parlaments gewählt wird und nicht eine Art Merkel-Monarchie darstellt. Aber wer kennt heute noch Grundgesetz oder parlamentarische Verfahren? Dann wird der taz-Text geradezu schwärmerisch:

Man traut sich kaum vorzustellen, was mit einer Merkel-Minderheitsregierung und einer rot-rot-grünen Mehrheit im Parlament alles möglich gewesen wäre. Das Parlament entscheidet ganz ohne Koalitionszwang: In normalen Zeiten eine fabelhafte, verlockende Vision, womöglich gar ein Fest der parlamentarischen Demokratie.

Damit es keiner überliest: In normalen Zeiten eine fabelhafte, verlockende Vision, womöglich gar ein Fest der parlamentarischen Demokratie.

Und nun kommt der taz-Satz des Jahres: Doch die Zeiten sind nicht normal, insbesondere in Thüringen nicht. Die Begründung gleich hinterher: Denn dort sitzt die AfD als zweitstärkste Kraft im Parlament. Wer in einer solchen Situation durch eine Minderheitsregierung das Parlament stärkt, stärkt die AfD gleich mit.“

Merke: Die parlamentarische Demokratie darf nicht gestärkt werden, wenn eine „falsche“ Fraktion in „falscher“ Größe im Parlament sitzt, weil die Wähler nicht so wählten, wie die taz das wollte.

Nein, werte Leser, der taz-Schreiber stellt Sie nicht satirisch auf die Probe, er meint das nicht nur ernst, sondern hält das aus seinem politischen Glauben heraus für zwingend richtig und gerechtfertigt: echter Parlamentarismus ohne Koalitionszwang nur in Parlamenten mit „richtigen“, also linken Mehrheiten.

Die Leserin Frau Kirschgrün übersetzt den Schreiber ins Praktische:

„Die AfD muss so gut wie es legal möglich ist, von allem ferngehalten werden, was nach Einfluß, Macht(beteiligung) oder Durchsetzung auch nur kleinster rechter Ansichten riecht! Auch aus der Opposition heraus.“

Ich könnte den Text noch weiter sezieren, doch das lohnt nicht. Der Schreiber kommt über die Beschreibung der Sackgasse nicht hinaus, in der Ramelow selbst sich gar nicht sieht, wie sein Interview im Tagesspiegel zeigt, wo er sagt:

„Die Minderheitsregierung wird auch bei uns früher oder später kommen, da ist es allemal besser, sich schon jetzt auf neue Regierungsformate einzustellen und für eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz zu werben.“

Dazu meint der taz-Schreiber:

„Das Ablaufdatum eines Minderheitsmodells wäre daher auch ungewiss. CDU und FDP könnten schon die nächsten Haushaltsverhandlungen zum Anlass nehmen, Ramelow zu stürzen und Neuwahlen zu provozieren.

Aus dem folgenden Chaos könnte die AfD gestärkt hervorgehen, schließlich wären es die verhassten Etablierten, die nichts auf die Kette kriegten. Die Situation in Thüringen ist zu ernst für demokratiepolitische Experimente, die die AfD nicht nur unmittelbar, sondern womöglich auch langfristig stärken würden.“

Da kann er recht haben.

Dass es die AfD nur gibt, weil die anderen Parteien seit Jahrzehnten im Parteienstaat nur noch an ihren Karrieren und Pfründen arbeiten, darüber den Staat verkommen lassen und die Wirtschaft totregulieren, liegt außerhalb des Erkenntnisradius der Zeitgeist-Linken. Und stellen wir uns einmal vor, man dächte laut darüber nach, das Parlament zu schwächen, weil SED/DIE LINKE drin sind. Dann wäre aber was los.

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