Tichys Einblick
Der Niedergang von Ludwigshafen

Streit in der SPD: Oberbürgermeisterin verlässt die Partei

Jutta Steinruck ist eine Sozialdemokratin alter Schule. Und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen. Doch die SPD verlässt sie jetzt. Dabei geht es um viel mehr als um eine Lokalposse.

Jutta Steinruck bei ihrer Ernennung zur Oberbürgermeisterin Ludwigshafen, 10.01.2018

IMAGO / masterpress

Wollte man Jüngeren erklären, wofür die SPD mal stand, dann müsste man ihnen Jutta Steinruck (60) vorstellen: Betriebswirtschaft studiert und als Expertin für Personalfragen für Aktiengesellschaften gearbeitet wie Bilfinger Berger oder die heutige ABB. Steinruck hat in diesen Funktionen selbst gut verdient, sich aber trotzdem oder auch gerade deswegen für die eingesetzt, die es schwerer hatten, ihren Teil vom erwirtschafteten Wohlstand abzubekommen. 2004 wechselt Steinruck die Seiten gänzlich, wird DGB-Vorsitzende für die Region Vorderpfalz und Südpfalz – der Großraum Ludwigshafen also.

Jahrzehnte lang ist die Kurpfalz eine Hochburg. Zu ihr gehören auch Städte in Baden-Württemberg wie etwa Mannheim. Ein gewisser Helmut Kohl hat sich schwergetan in der Region, sein Direktmandat für den Bundestag zu gewinnen. Doch mit der alten Herrlichkeit ist es vorbei. Mannheim hat die SPD jüngst an die CDU verloren – auf der anderen Seite der „Brigg“ droht nun das gleiche, da selbst die Oberbürgermeisterin nichts mehr mit den Sozialdemokraten zu tun haben will.

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Steinruck ist die SPD. Vielmehr. Sie war es. Jetzt ist sie ausgetreten. Ihre Gründe will sie öffentlich nicht nennen. Auch das ist die alte Schule der Sozialdemokratie: Wenn du nichts Gutes über die Partei sagen kannst, dann sag lieber gar nichts. Also schweigt Steinruck fortan über die SPD. Ihre ehemalige Partei. Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen bleibt sie. Anders als all die Minister, Abgeordneten, wissenschaftlichen Mitarbeiter oder politischen Beamten war es der Wähler und nicht die Partei, der Steinruck in das Amt gewählt hat, das sie seit 2018 begleitet. Sie ist noch für gut zwei Jahre gewählt.

Viele Medien haben gar keine Idee, warum Steinruck die SPD verlässt. SWR und Spiegel sehen den ewigen Streit mit der Stadtratsfraktion als Grund dafür. Das ist richtig. Reicht aber tiefer als irgendwelche Beintretereien in einer lokalen Politposse. Wer in der SPD ist, nimmt solche Tretereien in Kauf. Andere Politiker aus der Pfalz beschreiben die Partei als Familie. Im Guten wie im Schlechten: Hass und Streit gehören zwar dazu, aber am Ende halten alle zusammen.

Es sind vielmehr Grundsätze, die Steinruck von der SPD entfremdet haben. In Rheinland-Pfalz fordert und fördert die Ministerpräsidentin Malu Dreyer seit Jahren Nachwuchs, der vor allem weiblich, jung und links sein soll. Damit entwickelt sich die Partei immer mehr zu einem dieser woke-grünen Kulten mit lebensfremder Führungsreserve. Jungpolitiker, die glauben, dass Fahrradbeauftragte mit ihren Steuern Beauftrage im „Kampf gegen Rechts“ bezahlen können. Was praktisch ist, weil sie selber später mal Fahrradbeauftragter werden, Beauftragter im „Kampf gegen Rechts“, Minister, Abgeordneter, „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ oder politischer Beamter.

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Steinruck ist anders. Sie ist Sozialdemokratin, die Wohlstand verteilen will. Aber sie ist noch der Typus von Sozialdemokratie, die wusste, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er verteilt werden kann. Das hat sie in ihrer Zeit in der freien Wirtschaft gelernt, das hat sie als DGB-Funktionärin beherzigt. Als Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen wusste sie das längst. Es sei denn auch der Streit um die Finanzpolitik, der Steinruck und SPD voneinander entfremdet hätten, zitiert der Spiegel den SWR.

Steinruck will der Stadt einen rigiden Sparkurs verpassen. Vielmehr sie muss. Ludwigshafen gehört dank BASF zu den Gewinnern der Bonner Republik – und wird zu einer der Verliererinnen der grünen Berliner Republik. Jener Republik, in der ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Unternehmen sagt, sie müssten gar nicht in die Insolvenz – sie könnten ja rechtzeitig aufhören zu produzieren. BASF hat auf den grünen Vordenker gehört. Die aktuellen Zahlen sind verheerend – für den weltweit agierenden Konzern genauso für die Stadt, in der er beheimatet ist.

Der Umsatz der BASF ist jüngst um 25 Prozent eingebrochen, der Betriebsgewinn sogar um 75 Prozent. Der Vorstand kündigt ein rigides Programm an: Stellen abbauen, Anlagen schließen, Lagerbestände reduzieren und Investitionen herunterfahren. Dass dies eher den deutschen Standort mit seinen Rekordpreisen für Energie treffen werde als andere Standorte, ließ der Konzern bereits im vergangenen Jahr wissen.

Mit BASF war Ludwigshafen eine architektonisch missglückte Stadt mit viel Geld. Jetzt fehlt auch noch das. Die alte SPD wie Steinruck stellt das vor Herkulesaufgaben. Die neue SPD ist da unbekümmerter: Schulden machen und Geld ausgeben – das wird die Wirtschaft schon beleben. Und falls nicht, dann zahlt man mit neuen Schulden, die Zinsen, die alten Schulden und neue Investitionen. Wichtig ist nur, dass das Gehalt des Fahrradbeauftragten hoch bleibt und das des Beauftragten im „Kampf gegen Rechts“ und so weiter.

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Steinruck ist keine, die hinschmeißt. Sie bleibt Oberbürgermeisterin, nimmt die Verantwortung ernst, die ihr der Wähler direkt übertragen hat. Sie hat nur deutlich gemacht, dass man mit dieser neuen SPD nicht zusammenarbeiten kann – obwohl sie das im Stadtrat weiter tun muss. Doch Steinruck ist eine Kämpferin. Sie hat die Männerwelt des alten DGB überlebt, in der ein Bezirks-Vorsitzender gerne so spät noch seine Mitarbeiter runtergemacht hat, dass die dafür den Begriff der „Nachtfalter-Mails“ geprägt haben.

Die rheinland-pfälzische SPD ist in einer Krise. Malu Dreyer arbeitet an ihrer Nachfolge als Ministerpräsidentin. Die soll weiblich, links und jung sein. Doch dafür hat sie als Kandidaten nur den ehemaligen Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling zu bieten. Die Partei hätte aber lieber Arbeitsminister Alexander Schweitzer, der wie Steinruck aus der Pfalz kommt – der Herzkammer der rheinland-pfälzischen SPD. Deswegen spielt Dreyer jetzt auf Zeit. Bei der Wahl des neuen SPD-Landesvorsitzenden setzt sie daher auf den alten: Roger Lewentz. In der Hoffnung, der Partei Ebling noch schmackhaft machen zu können.

Lewentz wiederum war durch sein Vollversagen während der Ahrtal-Flut so untragbar geworden, dass er als Innenminister zurücktreten musste. Für die SPD reicht’s aber. So das Dreyer-Kalkül. Für ihr Landesverband ist ein politisch Gescheiterter genau der richtige Anführer – ein Landesverband, dem Steinruck nun den Rücken gedreht hat. Wer mag es ihr verdenken.

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