Tichys Einblick
CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Söder vs. Laschet: Kandidatenshow zur Ablenkung von der Bundesermächtigung

In der Fraktionssitzung der Unionsparteien treten Armin Laschet und Markus Söder auf. Wenn's um die Ego-Show geht, hat Söder wohl gewonnen. Auf jeden Fall gewonnen hat Merkel: Für ihren Plan, die Länder zu entmachten, ist der Kandidatenstreit das schönste Ablenkungsmanöver.

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder, auf dem Weg zur CDU/CSU-Fraktionssitzung

IMAGO / Reiner Zensen

Die 245 Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben sich am Dienstagnachmittag teilweise im Plenarsaal, größtenteils aber wieder vor ihren Bildschirmen, Tablets und Smartphonen versammelt. Eigentlich sollte die Bundesermächtigung der Hauptpunkt der Debatte sein. Doch von der möglichen Trauer oder gar Bedenken über den weiteren Abbau von föderalen Rechten in Deutschland werden sie mit einer Kandidatenshow abgelenkt – „Die Union sucht den Super-Star fürs Kanzleramt.“

So fallen Unmut und Ärger von Abgeordneten gleich zu Beginn der digitalen Sitzung unter den Tisch. Denn die Parteichefs von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder, halten zunächst ihre Bewerbungsreden vor der Bundestagsfraktion.
Dabei gibt es in einigen Landesgruppen der Union gegen das den Bund ermächtigende Infektionsschutzgesetz zwar noch Widerstand, der jedoch zum Wochenende wie ein Sturm im Wasserglas bei CDU und CSU im Bundestag beendet sein wird. Die Grünen stehen ohnehin als Kampfreserve der Regierungsparteien bereit. Da können FDP und AfD oder vielleicht auch ein paar Linke dagegen stimmen, wie sie wollen. Dös neue Infektionsgesetz, dös passt dann scho, würde Söder sagen.

Im Eilverfahren soll die Ermächtigung für die Bundesregierung durch den Bundestag gejagt werden: 1. Lesung am Freitag, Anhörung sowie 2. und 3. Lesung in der kommenden Woche. Dann wird wohl der Bundesrat mit seinen umgefallenen Ministerpräsidenten auf den Einspruch verzichten, so dass der Bundespräsident schließlich das neue Gesetz unterzeichnen kann, womit der stille Abgesang auf den Föderalismus beim Infektionsschutz perfekt und die Vorlage für Folgen beim Klimaschutz und anderen Eingriffen in die Gesellschaft gemacht ist.

Die Kanzlerkandidatenshow der Union beginnt

Zu Beginn der Sitzung verkündet Fraktionschef Ralph Brinkhaus den Anwesenden schier Unglaubliches: Es sei wichtig, dass man erfolgreich Wahlen gestaltet, das hieße vor allem Probleme lösen, die vor einem liegen. Ja, und das sei eben jetzt die Pandemie. Wer hätte das gedacht nach über einem Jahr Corona-Krise.

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Es nützen die besten Spitzenkandidaten nichts: „Wir müssen alle zusammenbleiben in den nächsten Wochen.“ Die Lage der Union sei ernst, sonst gebe es Probleme in der Außenwahrnehmung, warnt Brinkhaus seine Schäfchen. Merke: Aufmucken ist strikt verboten. Die Union muss die Reihen schließen. Brinkhaus formuliert neidisch: „Die Grünen sind momentan ein fester geschlossener Block.“ So müsse die Union auch auftreten.

Deswegen spricht sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gleich danach für bundeseinheitliche Regelungen aus, „die notwendig sind“. Es gehe jetzt nicht um kleine Details, es gehe um die große Botschaft, der Bundestag wolle die Pandemie bekämpfen. Die Bundesermächtigung soll also kommen und durchgewinkt werden.

Ja, und dann gibt es noch die Hinweise auf die Kandidatenshow zur Ablenkung: Die Union wolle, dass die besten Spieler auf dem Platz sind. Der Markus und der Armin sollen miteinander darüber reden. „Viel Spaß beim Fingerhakeln“, möchte der eine oder andere Unionsabgeordnete beim Zuhören im Stillen rufen.

CDU-Kandidat Laschet darf als Erster ran

CDU-Chef Armin Laschet zeigt sich dankbar, „wieder einmal da sein zu können“. Damit allen klar wird, er kann auch kämpfen, beschwert er sich gleich zuerst über SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und seine Vorwürfe – die Union sei nur mit sich selbst beschäftigt. Wie unverschämt! Denn es gebe nichts, was die Union so beschäftigt wie die Pandemielage. Man müsse jetzt sich für dieses Bundesgesetz entscheiden. Laschet beschwört in Merkel-Manier die Infektionszahlen: „Wir müssen jetzt sehr schnell handeln.“ Zumindest erwähnt er wenigstens die Sorgen arbeitender Menschen. Einen anderen Kurs will aber auch er nicht.

Es kämen jetzt entscheidende Tage, so Laschet laut Teilnehmern. Die Umfragewerte für die Union seien nicht gut. Die hätten im ersten Jahr der Corona-Krise schon mal bei 40 Prozent gelegen, räumt der Kandidat ein, der sein CDU-Präsidium vermeintlich hinter sich weiß. Schlechtes Regieren und unverständliches Handeln seien die Gründe für den Abschwung, gibt sich Laschet kritisch. Ob Merkel jetzt endgültig den Daumen über ihm senkt?, fragen sich zuhörende Abgeordnete.

Laschet redet weiter: Aus dem Dilemma käme man nur raus, wenn das Corona-Management besser werde. „Deshalb muss die Union schneller und im Regierungshandeln besser werden.“ Laschets Methode – Glaube und Hoffnung. In nur fünf Monaten bis zur Bundestagswahl soll die Union die Stimmung kippen, in dem sie in der Regierung nicht mehr so fürchterlich herumpfuscht. Wer’s glaubt, wird selig.

Wie zum Beweis für die allgemeine politische Handlungsohnmacht stellt Laschet oft nur Fragen. Zum Beispiel: „Wie schafft man es CDU und CSU zusammenzuhalten?“ Auf diese Frage liefert der CDU-Vorsitzende dann jedoch keine schlüssige Erklärung. Es folgen Allgemeinplätze und Anekdoten.

Markus Söder – Ich, einfach unverbesserlich

Ganz anders sein Konkurrent und Möchtegern-Kanzlerkandidat aus Bayern. Er zündet vor den Abgeordneten ein regelrechtes Bayern-Feuerwerk à la „mia san mia” – übersetzt ins Söderische: „Ich bin der Kanzler in spe“.

Werber Söder macht den um ihre Wahlkreise zitternden Abgeordneten besserwisserisch klar: „Wer glaubt, dass der Wahlkampf auf Plätzen oder Veranstaltungen gewonnen wird“, habe fast schon verloren. Fernsehen, Internet oder Social Media würden alles heute bestimmen. Ja, und der Söder ist hier natürlich „Dahoam“.

Alle Macht zu Merkel – der Einstieg in den Einheitsstaat droht
Angst machen wie seine Kanzlerin kann er auch: „Wenn wir festhalten, dass die Lage sehr, sehr ernst ist,“ – er wolle jetzt nicht Kassandra spielen – müsse man eines festhalten: „Wir brauchen in dieser Lage die maximal beste Aufstellung, um die Begeisterung zu wecken.“ Natürlich denkt Söder dabei nur an sich. „Wir müssen Basis und Bevölkerung begeistern.“ Die Union müsse auch nach 16 Jahren Regierung im Kanzleramt, etwas Neues zu bieten haben. „Die Leute erwarten von uns einen Erneuerungsprozess.“ Nur, wie soll das gehen, wenn Sie den Merkel-Kurs fortsetzen wollen, Herr Söder?

Sein Rezept dafür lautet: Corona-Management, ein gutes Programm und vernünftige Personen. Armin Laschet und Markus Söder stellt er dabei als ein Herz und eine Seele dar: „Wir haben eine gemeinsame menschliche Basis – ohne Groll.“ Wie nett.
Nebenbei gibt es noch eine kleine Watschen für SPD, Linke und Grüne: „Denen dürfen wir unser Land nicht überlassen, auf keinen Fall.“

Aber auch Söder scheint inzwischen den tiefen Unionsabsturz erkannt zu haben. Schließlich liegt seine „Christlich-Sozialistische Union“ (CSU-Eigenspott) nicht mehr bei 49, sondern nur noch bei 40 Prozent in Umfragen. Also: „Selbst wenn wir alles abstellen, wird nicht alles besser.“ Achtung: „Es kann sein, dass der Abwärtstrend gestoppt wird.“ Selbst der Allergrößte zeige für einen Moment Restzweifel an der Erholung, berichten Teilnehmer der Sitzung.

Doch schon sei Söder wieder in der Spur, um danach gegen den eigentlichen Staatsfeind Nummer eins auszuholen. Unionsgegner sind nicht etwa Grüne oder die SPD, nein, es ist die durch Kanzlerin Merkels Politik entstandene Alternative für Deutschland. „Wir haben einen Gegner, die AfD!“ Und: „Es wird sehr schmutzig werden.“ Dieser Klassenfeind sei eine „Gefahr in Zerstören von Vertrauen und in Fake News“. Gegen die AfD will sich also Söder besonders wenden und deren Wähler verängstigen und verschrecken.

Söder schätzt die Grünen als Wettbewerber

Die Grünen hingegen seien für die Union nur „der Wettbewerber“ – also kein Gegner. Na klar, Bienenkönig Söder möchte mit Ihnen regieren. Deswegen ist jetzt auch klar: Wer Union wählt bekommt Schwarz-Grün.

Söder sinniert daher vor den Unionsabgeordneten wohlwollend darüber: Wie reagiere man geistig auf diese smarten Grünen? So etwa: „Starker Staat und moderne Gesellschaft.“

Da die Union nun lange genug hinter dem grünen Zeitgeist hergelaufen ist, hält Söder noch einen Tipp parat: „Wir müssen den repräsentieren.“ Er will Umwelt und Wirtschaft als ein Thema anbieten. Als ob das die Grünen nicht auch machen, Parteifreund Söder, mag der eine oder andere Abgeordnete denken.

Doch dann erinnert sich Söder wohl an das Erfolgsmotto von weiland Gerhard Schröder: „Du wirst nur zum Super-Held, wenn Du Dich selbst für Super hälst!“

Klartext
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Zum Schluss stellt Söder deswegen noch einmal klar, dass man nicht mit Deppen oder depperten Ideen in den Wahlkampf ziehen kann. Denn, so der selbst ernannte Stratege: „Wer zieht wen im Wahlkampf? Ein spannendes Parteiprogramm oder eine spannende Person? Werden im Fernsehen die Programme gezeigt oder die Personen?“

Falls es ein Abgeordneter noch nicht verstanden hat, schiebt Söder hinterher: „Die Person oder die Partei?“ Die Botschaft im Stillen für die im Plenarsaal oder virtuell Versammelten ist ganz klar: „Nur ich, einfach unverbesserlich Söder, kann’s!“

Damit das nicht so auffällt, lobt der Markus noch den Armin. Zur Konkurrenz zwischen ihm und Laschet meint der CSU-Chef: „Beide halten wir uns für geeignet, beide sind bereit zur Verantwortung.“

Um gleich danach noch ein virtuelles „Aber“ hinterher zu senden: „Was hat die besten Chancen nach draußen, mit wem wollen wir gewinnen?“ Nein, und Rivalitäten gebe es auch nicht, amüsieren sich Abgeordnete beim Zuhören. Söder: „Wir sind nicht Strauß und Kohl“ – also der Markus und der Armin – man wolle „den Prozess hochkonstruktiv führen“. Soso.

Söder stellt klar: „Ich bin bereit!“

Wer der Gewinner dabei sein soll, ist auch vielen Abgeordneten schnell klar. Söder verbreitet Selbstlob: „Ich habe soviel Anfragen und Rückenwind bekommen.“ Und natürlich die Frage: „Trauen Sie sich das auch zu – ja natürlich!“ Söder in voller Selbstbegeisterung: „Ich bin bereit, wenn die Union mich unterstützt, würde ich mich zur Verfügung stellen.“ Na endlich, ist es raus.

Denn: „Ich bin sehr entschlossen, dass wir gemeinsam Erfolg haben.“ Deswegen müsse man zusammenarbeiten. Armin und Markus würden darüber reden. Aber falls es einer überhört hat: „Mein Angebot steht.“ Er werde Verantwortung übernehmen.

Auch ganz zum Schluss kann die Ich-AG Söder das kleine Besteck definitiv nicht auflegen. Die letzten Worte von Merkels Musterschüler der Neuzeit vor den Unionsabgeordneten sind eine Eloge an seine Regierungschefin und sein Erfolgs-Ego: „Wir werden am Ende eine großartige Bundeskanzlerin verabschieden, und eine neue Ära gestalten.“ Natürlich mit Söder im Kanzleramt – grüner Merkel-Kurs in Blau-Weis. Was für Aussichten!

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