Tichys Einblick
Fragestunde im Bundestag Teil 2

Seehofer: Wer nicht mitzieht beim EU-Asylrecht, muss das finanziell spüren

Als Seehofer von der AfD auf sein Wort der "Herrschaft des Unrechts" angesprochen wird, erklärt er es zu "Geschichte". Man habe doch "das Thema" mittlerweile "im Griff".

Fortsetzung von Teil 1: Horst Seehofer lobt die griechische Regierung für ihre Bereitschaft, Hilfe aus Deutschland anzunehmen. THW und Rotes Kreuz dürften jetzt bereits direkt auf Lesbos landen, um noch vor dem Winter würdige Bedingungen auf Lesbos zu schaffen. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge würde die positiven Erfahrungen in Deutschland jetzt dort einbringen. Welche das allerdings wären, bleibt er schuldig. „Aber ohne europäisches Asylrecht, werden wir keine positive und nachhaltige Lösung bekommen,“ so Seehofer.

Das Ziel ist also klar, es geht darum nationales Recht auszuhebeln und die zuwanderungskritischen EU-Mitgliedsländer über den EU-Knebel dazu zu zwingen, dieses EU-Asylrecht anzunehmen.

Luise Amtsberg (Grüne) erinnert daran, dass man schon seit fünf Jahren daran erinnert hätte, die Menschen seien dort katastrophal untergebracht. Amtsberg will weiter, was Göring-Eckardt und Baerbock gerade in einem Papier formuliert haben: Eine „Überwindung von Dublin“ schwebt ihr vor, es sollen keine neuen Lager aufgebaut werden. Der Kampf um den einen Platz als Juniorpartner oder gar mehr neben der Union auf der Regierungsbank nach den Wahlen 2021 hat begonnen und die Grünen möchten das nur zu gerne. Amtsberg will „eine dauerhafte verbindliche Verteilung der Zuwanderer“ die soll automatisch greifen.

Seehofer bleibt in seiner Antwort bei der Idee einer Asylprüfung an den Außengrenzen. Dann wünscht er ein Zusammenspiel aus Entwicklungshilfe und  Migration. Präziser kann man kaum Recht in Frage stellen, denn das Asylrecht, also das deutsche, das ja bald von einem europäischen abgelöst werden soll, ist aktuell noch kein Asylantragrecht, auch wenn es als solches massiv missbraucht wird. Nein, Migration ist kein Grundrecht.

Und der Bundesminister erneuert sein Drohung: Wer nicht mitzieht in der EU beim EU-Asylrecht, der muss das finanziell spüren. Die Grußadresse an Ungarn und weitere Staaten die sich weiterhin zuwanderungskritisch geben ist eindeutig.

Am Rande sei erwähnt, dass Horst Seehofer in der ersten Reihe der Regierungsbank während dieser Befragung alleine steht. Die Bank ist verwaist, niemand zu Hause außer Seehofer.

Amtsberg hakt nach, sie möchte einfach keine Prüfung an den Außengrenzen, die Menschen würden da ja nicht mehr wegkommen. Diese Logik versteht sie wahrscheinlich nur alleine, es ist die von ihr stur übernommene verquere Logik von Göring-Eckardt und Baerbock. Nun ist ganz klar, dass es eine Überfüllung immer geben wird, dann, wenn Menschen etwas begehren, das nur den wenigsten wirklich zusteht (Asylanspruch). Also müssen Bilder der Überfüllung ertragen werden oder das Asylrecht ganz aufgehoben und eben jeder eingelassen werden. Luise Amtsberg will es, Rot-rot will es, verdeckt offensichtlich auch die Kanzlerin als Mitbaumeisterin und Erfüllungsgehilfin der UN-Migrationspakte für Europa.

Dann Stephan Brandner für die AfD, nachdem zuvor noch sein Fraktionskollege Petr Bystron den Bundesminister mehrfach an die 13.000 Stühle vor dem Reichstag erinnert hat, die quasi über die Subventionierung der beteiligten NGOs auch Stück für Stück vom Steuerzahler bezahlt wurden. Die Antwort von Seehofer an Bystron war blankes Unverständnis. Er hat wohl nicht einmal mitbekommen, was der Abgeordnete eigentlich von ihm wollte. Eine lupenreine Denkverweigerung.

Brandners Frage zielt auf Seehofers Formulierung einer „Herrschaft des Unrechts“ von 2015. Die aktuellen Ereignisse würden Brandner an diese Zustände erinnern. Also möchte er nun wissen, wie die an der Herrschaft des Unrechts Beteiligten zur Rechenschaft gezogen wurden.

Seehofer antwortet: „Ich verstehe ihre Frage.“ Was für eine Eröffnung! Nach Bystrons Frage ist das Antworthirn des Bundesministers bei einem weiteren AfD-Abgeordneten also überraschend wieder zugeschaltet. Und weiter: „Was sie da hochkochen wollen und weitertreiben wollen, dass ist alles Geschichte. Die Dinge sind verändert worden, wir haben sie im Griff, die Zustimmung der Bevölkerung zu unserer Migrationspolitik ist außerordentlich hoch, dass hat ja erst wieder NRW gezeigt, aber sie werden das noch öfters erleben. Und eines habe ich mir fest vorgenommen, Herr Brandner, bei allem Verständnis für Parlamentarier ..,“ (Schäuble dazwischen: Danke sehr!) Seehofer trotzdem weiter: „…nach ihrer Auffassung werde ich mich nie richten. Nie, in meinen politischen Leben.“

Das muss man sich ganz langsam vorlesen, was der Minister da gerade Unfassbares gesagt hat, und vor allem, wie es noch vor der vollständigen Antwort vom Bundestagspräsidenten abgewinkt werden sollte als also nicht beantwortungswürdig. Brandner muss breit grinsen, dass versteht ja keiner mehr, also erinnert er in seiner Nachfrage daran, dass es nicht um ihn ginge, sondern um das von Seehofer 2015 Gesagte („Herrschaft des Unrechts“).

Der so Zitierte holt also erneut aus: „Das ist doch Geschichte, was sie fragen. Das liegt alles fünf Jahre zurück. Wir haben die Konsequenzen daraus gezogen. Wir haben Ordnung geschaffen. Wir steuern. Die Zahl der Begrenzungen ist deutlich … ähm … hat gegriffen und deshalb habe ich mich überhaupt bereit erklärt, als Innenminister anzutreten, weil zu diesem Zeitpunkt das Thema in Deutschland durch die Regierung im Griff war.“

Tatsächlich ist, was dort gerade für Jedermann zu hören war, eine Vorausschau auf das, was sich die Verantwortlichen zurechtgelegt haben, um sich zu verantworten: Die Verantwortung wird von der Person entkoppelt, eine Mittäterschaft („Herrschaft des Unrechts“) weit von sich gewiesen und einfach an die Geschichte übergeben. So stellt man es sich auf der Regierungsbank jedenfalls vor. Mindestens Horst Seehofer hat da aber gerade ein Eingeständnis der Schuld abgegeben, das dick unterstrichen werden kann – für die Geschichtsbücher.

Auf eine weitere Nachfrage eines CDU-Abgeordneten erwähnt Seehofer noch einmal die Zahl von 1,7 Millionen aufgenommenen Asylbewerbern seit 2015, aber die Probleme von damals seien nun alle gelöst: „Wir haben jetzt Ordnung.“

Wo lebt der Mann? Wo war er, als Stuttgart passierte und Frankfurt, wohin duckt er sich eigentlich weg, bei jedem neuen Bericht über zuwanderungsspezifische Übergriffe, Gewalttätigkeiten und sogar Morde? Glaubt Seehofer sie wirklich selbst schon, diese von seinem Ministerium ausgehend beauftragten Behauptungen rund um sinkende Kriminalität und wachsende Beschäftigung von Zuwanderern?

Ja, es wird alles einmal Geschichte sein. Aber diese Geschichte wird ein Urteil über diese Regierung fällen. Und es muss schon massiv mit besagtem Unrecht zugehen, wenn ein Urteil gefällt werden sollte, das nicht Verachtung für diesen Verächter des eigenen Landes ist.

Bei den nun nach Deutschland zu holenden Menschen, so Seehofer, handle es sich um „geschundene Personen“, auch um „vergewaltigte Frauen“. Na klar, da hat man sofort Mitgefühl, auch als deutscher Bürger, der zunächst einmal mit den Zuständen in Lesbos nur marginal zu tun hat. Aber was ist mit der Verantwortung des Bundesministers für die vergewaltigten deutschen Frauen, vergewaltigt vielfach von Asylbewerbern, deren geschundene eigene Frauen, so überhaupt welche mitreisen durften, übrigens schon unsere Frauenhäuser überschwemmen? Ein christsozialer Minister vollkommen verheddert in einer düsteren Bigotterie, die auch jene der Bundeskanzlerin ist.

Heike Hänsel für die Linke erinnert noch einmal daran, dass Moria immerhin ein Hotspot der EU sei, der maßgeblich auf den so genannten Türkei-Deal zurückgehe. Und diesen Deal hätte nun einmal maßgeblich die Bundesregierung entwickelt und vorangetrieben. Wo sie Recht hat … „Sie müssen doch sehen“, meint die Linke, „dass ihre Politik gescheitert ist.“ Die Bundesregierung hätte ein Abkommen vorangetrieben, das nicht funktioniert. „Was wollen sie grundsätzlich und substanziell ändern?“ will die Linkspolitikerin von Seehofer wissen.

„Ich habe alles getan in meiner Amtszeit, dass der Vertag mit der Türkei mit Leben erfüllt wird“, antwortet in dieser Fragestunde ein Horst Seehofer, der dabei klingt, als wüsste er mehr über seinen baldigen Abgang als alle anderen. Wer jetzt eine Wette abschließen will, der sollte drauf setzen, dass Seehofer nicht bis zur nächsten Wahl im Amt bleibt. Die Zeichen stehen hier ganz klar auf Vorruhestand im Amt. Nein, vom Amt weg, der Vorruhestand im Amt läuft ja bereits seit längerem.

Hänsel fragt Interessantes nach: „Sind denn die Menschen, die Sie aufnehmen wollen, alle von den griechische Inseln, halten diese sich im Moment dort auf?“

Tatsächlich sollen die 400 Familien, die jetzt eine Zusage haben, auf fünf Inseln Griechenlands leben. Und Seehofer räumt gleich noch zum x-ten Mal mit einem Denkfehler auf: Seine 200.000 Obergrenze, sei eben eine Obergrenze, aber nicht Einladung, bis Oberkante aufzufüllen. Es klingt dabei schon wie ein Kalauer des Bundesinnenministers.

Ein SPD-Abgeordneter möchte wissen, wo die Milliarden eigentlich hin seien, welche Griechenland bekommen hätte, um humane Bedingungen auf den Inseln zu schaffen. Der Abgeordnete möchte zudem wissen, ob Seehofer wüsste, wofür die Gelder im Einzelnen eigentlich verwendet worden seien. Hier kommt also aus den Reihen der SPD sogar noch so etwas, wie ein Korruptionsvorwurf gegenüber den Griechen. Der Minister bedankt sich bei den Griechen, um sie anschließen zu bevormunden und die Sozialdemokraten unterstellen mindestens Geldschlampereien.

Was antwortet Seehofer?

„Mir ist ein Vertrag nicht bekannt. Wir werden jetzt einen Vertrag schließen müssen zwischen der EU und Griechenland wegen des europäischen Aufnahmezentrums. (…) Und die Griechen tun schon ihrerseits, übrigens wie die Türken auch, eine ganze Menge für die Integration der Leute. Das Geld was in die Türkei geht, ist kein verschwendetes Steuergeld, sondern das wird konkret für Bildung, Gesundheit, für Arbeitsplätze eingesetzt.“

Ja, da ist es doch ein echtes Wunder, dass die so gut Versorgten überhaupt noch in so großer drängender Zahl nach Deutschland wollen oder nicht?

Und an der Stelle wollen wir diese durchaus aufschlussreiche Fragerunde abbrechen. Wenn Sie noch interessante gehört haben, das hier noch nicht aufgeführt wurde, merken Sie das gerne in den Kommentaren an!

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