Tichys Einblick
Westutopie trifft auf ostdeutschen Realismus

Öl-Embargo: Robert Habeck trifft in Schwedt auf die Wut der Betroffenen

Worum es geht, hat Habeck in Schwedt gesagt: Die Öl-Raffinierie soll zur Verarbeitung von Wasserstoff umgerüstet werden, denn die Abkehr von fossilen Energieträgern sei für die Klimawende notwendig. Benutzt der Wirtschaftsminister den Krieg, um die große Transformation voranzutreiben?

Bundesminister Habeck in der Erdöl-Raffinerie Schwedt am 9. Mai 2022

IMAGO / Frank Ossenbrink

In Schwedt an der Oder traf gestern die Utopie der Bundesregierung direkt mit ihren erwartbaren Folgen in der Wirklichkeit zusammen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck trat in der durch die Politik der Bundesregierung in ihrer Existenz bedrohten Raffinerie der Stadt vor die Beschäftigten. Es sagt viel über das Bild Habecks von den Ostdeutschen im Allgemeinen und den Arbeitnehmern in Schwedt im Besonderen aus, dass er am Ende froh war, dass keine Eier geflogen waren, stattdessen wurden sachliche und deshalb sehr kritische Fragen gestellt. Dass im öffentlich-grünen Rundfunk später wie inzwischen üblich Kritik an den Grünen als Verschwörungstheorien diffamiert wurden, gehört inzwischen zur Normalität.

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Geduldig hörten sich jedenfalls die Mitarbeiter Habecks wolkigen Plan an. Die Bundesregierung nimmt nun als Vorreiter eines Öl-Embargos gegen Russland in Kauf, dass der Großraum Berlin, dass Ostdeutschland, nicht zuletzt das mitteldeutsche Chemiedreieck ohne Öl und ohne Benzin dasteht und es zu über 3 Millionen Arbeitslosen kommen könnte. Selbst wenn Habecks tollkühner Plan aufgeht, bedeutet das eine äußerst spürbare Verteuerung des Öls, die die Bürger in doppelter Weise trifft, als Steuerzahler und als Verbraucher, denn Habeck spielt nicht mit eigenem Geld. Insofern stellte ein Mitarbeiter die Frage: „Können Sie belegen, dass Sie deutsche Interessen vertreten?“ Eine andere Mitarbeiterin mahnte deshalb auch: „Ich möchte Sie höflich daran erinnern, dass Sie einen Eid geschworen haben“, nämlich Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

Habeck versuchte mit seiner üblichen Taktik, den Verständnisvollen zu geben. Er sagte: „Ich würde mich freuen, wenn Sie mich nicht nur als Ihren Feind sehen …“ und versuchte, die Zuhörer mit nett klingenden Erklärungen einzuwiegen. Doch das gelingt sicher in Berlins woker und journalistischer Mitte, nicht aber in Schwedt, wo die Menschen einen klaren Blick für die Realitäten besitzen. Habecks famoser Plan sieht nun vor, dass Erdöl in Großtankern nach Rostock und Danzig verschifft und von dort durch Pipelines nach Schwedt gepumpt wird. Nur besitzt der Rostocker Hafen nicht die Voraussetzungen für Großtanker. Durch welche Pipelines soll welches Öl strömen? Möglicherweise umdeklariertes russisches Öl?

Nach der Energiewende: Enteignungswende
Habeck liebäugelt mit der Enteignung von Energieunternehmen
Zur Not, versuchte Habeck zu beruhigen, stünde noch die nationale Erdölreserve in Wilhelmshaven zur Verfügung, die für drei Monate reicht. Man sieht, der Energieminister plant langfristig. Habecks Plan für Schwedt sieht also vor, Öl durch Schiffe in Rostock und Danzig anzuliefern, notfalls die nationale Erdölreserve einzusetzen und die Raffinerie Schwedt, die Rosneft gehört, enteignen zu lassen, um die Verarbeitung umzustellen, da sich russisches Öl von Erdöl aus dem Nahen Osten unterscheidet. Wie viele Unsicherheiten der Plan hat und auf welch wackligen Beinen er steht, wird in Habecks Rede immer wieder deutlich. Der Minister stellt sich vor, das Öl so zu mischen, dass es in der PCK-Raffinerie verarbeitet werden kann. Und räumt ein, dass es technisch, also auf dem Papier, also in der Theorie gehen müsste. Des Utopisten Imperativ ist der Konjunktiv.

Der stellvertretende Leiter der ifo-Niederlassung Dresden, Prof. Dr. Joachim Ragnitz, schätzt, dass die im Welthandel üblichen Tanker zu groß für den Rostocker Hafen sind. Daher müsste das Öl in Rotterdam in kleinere Schiffe umgepumpt werden. „Das zweite Problem, das ich sehe, ist, dass die Kapazität der Pipeline nicht ausreicht, um dort sowohl Schwedt als auch Leuna mitzubeliefern.“ Die Raffinerie in Leuna versorgt circa 1300 Tankstellen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen mit Benzin, zudem benötigt die Chemieindustrie in Mitteldeutschland Erdöl.

Größere Schiffe könnten zwar in Danzig anlegen, doch müsste dann über Umwege das Öl in die Pipeline Druschba gepumpt und so nach Schwedt und Leuna transportiert werden. Abgesehen davon, dass darüber mit Polen Verträge geschlossen werden müssen, die sicher nicht zum Nulltarif zu haben sind, wäre dieses Verfahren extrem aufwändig. Zu recht betont daher der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum: „Ersatz für das russische Öl gibt es nur zu höheren Preisen.“ Zu wesentlich, zu empfindlich höheren Preisen.

Was kostet der Gas-Boykott?
Die Bundesregierung will immer noch nicht eingestehen, dass ihre Energiepolitik gescheitert ist
Zur gleichen Zeit, in der die Bundesregierung 10 Milliarden Euro an Indien für „Klimaprojekte“ überweisen will, treibt sie die Verteuerung der Energie in beispielloser Weise in Deutschland in die Höhe – und verdient daran prächtig. Die Bürger werden in einem Maße geschröpft, dass man es schon als kalte Enteignung bezeichnen kann. Worum es im Grunde geht, hat Habeck in Schwedt gesagt, denn da man ohnehin von den fossilen Energieträgern so schnell wie möglich wegkommen will, soll in Habecks Utopia Schwedt zur Verarbeitung von Wasserstoff umgerüstet werden. Die Abkehr von fossilen Energieträgern wie Erdöl sei für die Klimawende notwendig. Benutzt der Wirtschaftsminister, benutzt die Bundesregierung den Krieg, um die große Transformation – koste es die Deutschen, was es wolle – voranzutreiben?

Dass die Kosten für die Energiewende auf die Verbraucher umgelegt werden, zeigt auch die kürzlich vorgeschlagene Novellierung des Energieschutzgesetzes von 1975. Im „Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung. Für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP“ steht im Abschnitt 1, Paragraph 24:

„Hat die Bundesnetzagentur nach Ausrufung der Alarmstufe oder Notfallstufe nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 in Verbindung mit dem Notfallplan Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom September 2019, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlicht ist, eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland festgestellt, haben alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen.“

Im Klartext heißt das, um die Insolvenz von Energieversorgungsunternehmen zu vermeiden, ihnen womöglich satte Gewinne zu ermöglichen, dürfen sie die Gaspreise für die Kunden nach Belieben erhöhen. Für alle von der Bundesregierung erlassenen Maßnahmen im Bereich der Energie hat der Kunde aufzukommen. Auf die Idee, über die auch in Spanien nachgedacht wird, wie in Ungarn den Energiepreis zu deckeln, kommt die Bundesregierung nicht, denn Minister Habeck hat bereits vor dem Krieg verkündet, dass die Energiewende viel Geld kosten wird, aber, wie er anderer Stelle betonte, es ist ja „nur Geld“.