Die Kuh ist noch nicht ganz vom Eis, aber immerhin steht sie schon auf halbwegs gefestigtem Ufergrund. Diesen Eindruck musste im Konflikt um die Ukraine jeder aufmerksame Beobachter der gemeinsamen Bilanz von Putin und Scholz nach ihrem mehrstündigen Gespräch ziehen. Zumindest kann man davon ausgehen, dass nicht schon gleich morgen die russischen Panzer Richtung Kiew zu rollen beginnen. Ganz offensichtlich spielt das Verhältnis zu Deutschland für Putin eine zentrale Rolle.
Über die Kritik an der Rolle des Alt-Bundeskanzlers Gerhard Schröder im beidseitigen Verhältnis gab Putin sich erstaunt: „Es sei doch im Interesse der Deutschen, wenn ein Deutscher in den entscheidenden Gremien der für die Energieversorgung Deutschlands wichtigen Unternehmen säße.“ Ein Argument, das hier in Deutschland, wo nationale Gefühle längst als rechts-außen diffamiert werden, nur schwer zu verstehen sein dürfte. Eines schaffte die Nummer Eins der Russen allerdings nicht. Er konnte den Gast aus Berlin nicht aus der geschlossenen Front des Westens herausbrechen.
Bemerkenswert ist neben diesem wesentlichen Punkt auch das sonstige Auftreten des deutschen Kanzlers. So sprach er deutlich das rigide Vorgehen gegen die Menschenrechtsorganisation Memorial an, ebenso wie den „nicht rechtsstaatlichen“ Umgang mit dem Kreml-Kritiker Nawalny. Auch die Behinderung der Arbeit deutscher Organisationen – gemeint sind die Tätigkeit der Partei-Stiftungen und der NGOs – brachte der Kanzler zur Sprache. Sicher war es auch kein Zufall, dass die erste Frage in der Pressekonferenz ostentativ von einer Mitarbeiterin der seit kurzem in Russland mit Sendeverbot belegten „Deutschen Welle“ gestellt wurde. Putin wird all dies zur Kenntnis genommen haben, obwohl er erwartungsgemäß mit keiner Silbe darauf einging.
Unter dem Strich war der Scholz-Besuch ein Erfolg! Einen Durchbruch konnte niemand erwarten. Die unmittelbare Kriegsgefahr aber scheint gebannt. Jetzt kommt es wieder auf die Diplomatie an.