Tichys Einblick
SMS-Affäre um von der Leyen

Nach belastendem Prüfbericht: Pfizer-Chef will nicht vor dem EU-Covid-Ausschuss erscheinen

Nachdem neue Erkenntnisse seinen engen Kontakt mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen bestätigt haben, nahm Pfizer-Chef Albert Bourla seine Zusage an den Covid-Ausschuss des EU-Parlaments zurück. Ihn hätten dort sehr kritische Fragen erwartet, etwa zur Impfstoffsicherheit und Transparenz.

Pfizer-Chef Albert Bourla während der diesjährigen Tagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos, Schweiz, am 25. Mai 2022

IMAGO / Xinhua

Der Vorstandsvorsitzende von Pfizer, Albert Bourla, hat seine Teilnahme an einer Fragestunde im Covid-Ausschuss des EU-Parlaments abgesagt. Eigentlich hätte Bourla dort am 10. Oktober erscheinen sollen. Die Absage ist brisant, weil Bourla unter dem Verdacht steht, mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen unter der Hand spezielle Bedingungen für die Lieferung des ‚Covid-Impfstoffs‘ Comirnaty von Biontech-Pfizer ausgehandelt zu haben.

Ein neuer Prüfbericht des Europäischen Rechnungshofs aus dem September hat neue Fragen über die Kontakte der beiden Führungspersonen aufgeworfen. Von der Leyen hatte private SMS mit Bourla ausgetauscht, die bis heute nicht veröffentlicht wurden und inzwischen laut der EU-Kommissarin für Transparenz, Věra Jourová, nicht mehr auffindbar sind beziehungsweise nie als offizielle Dokumente „registriert“ wurden. Dabei besteht laut Jourová kein Zweifel daran, dass es sich um offizielle Dokumente handelt. Diese hätten laut den selbstgegebenen Regeln der Kommission archiviert werden müssen.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Der Prüfbericht des Rechnungshofs bestätigt, dass von der Leyen direkt an der Aushandlung eines im Mai 2021 abgeschlossenen Vertrags über 1,8 Milliarden Impfstoff-Dosen beteiligt war. Im Grunde ist das nichts Neues. Bourla selbst berichtete laut New York Times von dem „tiefen Vertrauen“, das er und von der Leyen während dieser Verhandlungen entwickelt hatten.

Es könnte aber noch mehr Gründe für die Absage von Bourla geben. Anfang September hatten sich Moderna-CEO Stéphane Bancel und eine Vertreterin von AstraZeneca den Fragen der EU-Parlamentarier gestellt. Dabei erregte zumindest der Auftritt der AstraZeneca-Vizepräsidentin Iskra Reic für Aufsehen durch die auch sprachliche Unsicherheit, die sie bei der Beantwortung verschiedener Fragen zeigte. Daneben waren auch Vertreter von Gilead Sciences (Produzent von Remdesivir) und Sanofi anwesend.

Der französische Pharma-Konzern Sanofi will, nachdem man an der Entwicklung eines mRNA-Stoffs gescheitert ist, einen proteinbasierten, dadurch angeblich „klassischen“ Impfstoff auf den Markt bringen. Der Sanofi-Stoff soll Spike-Proteine des Wuhan-Typs und der (südafrikanischen) Beta-Variante enthalten. Beide Virustypen zirkulieren laut WHO derzeit nicht mehr. Behauptet wird trotzdem, dass der neue Stoff einen Schutz gegen die Omikron-Variante bietet, den viele Menschen aber gar nicht mehr für nötig erachten.

Sind die Impfstoffe nur wertlos oder schädlich?

Christine Anderson, hessische AfD-Abgeordnete im EU-Parlament, wagte in der Ausschuss-Sitzung einen Rückblick: „Als diese ‚Impfstoffe‘ auf den Markt kamen, wurde uns versprochen, dass sie Ansteckung und Übertragung von Covid-19 verhindern würden.“ Das hätten Regierungen auf der ganzen Welt ebenso wie die EU-Kommission immer wieder gesagt, zugleich „begannen sie damit, die Menschen einzuschüchtern, damit sie den angeblichen ‚Game Changer‘ nehmen“. Das habe sich als Fake-News erwiesen, so Anderson. Die ‚Impfstoffe‘ seien „im besten Fall wertlos, im schlechtesten Fall schädlich“.

Andersons an Reic gerichtete Frage war: „Haben Sie die EU-Kommission und Regierungen auf der ganzen Welt belogen, damit diese Milliarden und Abermilliarden Steuergelder ausgeben würden? Oder haben Sie der Kommission und den anderen Regierungen die Wahrheit über Ihre ‚Impfstoffe‘ gesagt und die Regierungen haben gelogen? Wer hat gelogen?“ Eine pointierte Frage, gewiss. Vielleicht war ja den Pharma-Managern selbst nicht klar, als wie nutzlos sich die Präparate letzten Endes erweisen sollten. Aber Anderson will ihnen keine Unwissenheit zugestehen.

Zu Beginn ihrer Antwort sagte Reic, dass sie alle Fragen ansprechen wolle. Der Frage Andersons wich sie dennoch gleich darauf aus: „Ja, wir haben während Covid-19 viel gelernt, und ich denke, es ist wirklich ermutigend zu sehen, wie eine Revolution in der Impfstofftechnologie tatsächlich stattgefunden hat, wegen Covid-19. Und bei AstraZeneca sind wir definitiv darum bemüht, das zu nutzen.“ Das ist für ein Pharma-Unternehmen verständlich, aber leider keine Antwort auf die Frage. Tatsächlich klingt der erste Satz wie ein halbes Schuldeingeständnis, als ob man aus seinen Fehlern und Irrtümern gelernt hätte, also unwissend war. Aber er ist eben keins.

Umstrittene Omikron-Impfstoffe
Politik, Behörden und Pharmakonzerne – Wo bleiben die Patienten?
Was „unerwünschte Ereignisse und die Sicherheit“ des eigenen Präparats angeht, redet sich Reic dann auf die große Zahl der ‚Impfungen‘ heraus, führt aber im Grunde nur ein einziges, zudem sehr selektives Argument für das Verfahren an: „Die Thrombozytose mit Thrombozytopenie, die Sie erwähnen, hat eine geringere Inzidenz als bei den Patienten, die geimpft … äh, nach der zweiten Impfung mit Covid infiziert wurden. Ich denke, das kann ihnen den Kontext liefern, über den wir sprechen …“ Regulierungsbehörden, die WHO und andere Stellen sagen laut Reic, dass „das Sicherheitsprofil akzeptabel“ sei.

Aber jenen Kontext, und wenn er von tausenden WHOs behauptet würde, gibt es gar nicht oder nicht mehr. Denn wenn eine Impfung die Erkrankung, vor der sie angeblich schützen soll („nach der zweiten Impfung mit Covid infiziert“ – sic!), nicht verhindern kann, dann ist die von Reic genannte Überlegung (dass Covid-Erkrankte ein Symptom häufiger hätten als Geimpfte), die in der Vergangenheit so häufig herangezogen wurde, um die Bedeutung der ‚Impfungen‘ zu untermauern, tatsächlich wert- und belanglos geworden. Denn der Geimpfte handelt sich einfach nur mehr Chancen ein, ein Symptom zu bekommen, das ihn bei einer Infektion oder bei jeder der ‚Impfungen‘ und ‚Boosterungen‘ treffen kann. Das ist ein teuflischer, ja satanischer Kreis.

Doch dann zitiert Iskra Reic noch eine Lancet-Studie aus diesem Sommer, wonach im ersten Jahr der internationalen Impfkampagne 20 Millionen Leben durch die diversen Präparate gerettet worden seien. Es gibt tatsächlich eine Studie, die das behauptet und sich dazu mathematischer Modelle bedient. Allerdings haben die Autoren die allgemeine Übersterblichkeit des Jahres 2021 schlichtweg als Covid-Folge verstanden, was natürlich unzulässig ist. Die ‚Impfungen‘ hätten laut der Studie etwa 0,5 Prozent der 4,36 Milliarden (= 4.360 Millionen) Geimpften weltweit gerettet, nämlich exakt 19,8 Millionen Menschen. Ohne die allgemeine Übersterblichkeit zu berücksichtigen, kommen die Forscher auf nur noch 14,4 Millionen gerettete Leben, doch auch das ist nur ein Schätzwert. Aber vor allem hängt das gesamte Zahlengebäude der Forscher von der Definition der Covid-Todesfälle ab, die bekanntlich äußerst umstritten ist (Stichwort: „an“ oder „mit“ Covid verstorben). Und genau das ist auch der Grund, warum die Autoren zur Übersterblichkeit griffen:

„However, even in countries with complete vital registration systems, it is difficult to accurately define the cause of death in individuals who present with multiple morbidities. Excess all-cause mortality (the difference between the observed and expected number of deaths in non-pandemic years) has therefore been used to quantify the impact of the COVID-19 pandemic. Although the exact contribution of COVID-19 to excess mortality is unknown, the strong temporal correlation observed globally between reported COVID-19 mortality and excess mortality provides evidence that excess mortality is an informative indicator of pandemic-related mortality.“

Fußnote: Es handelt sich um dieselbe Übersterblichkeit, die man ebenso gut als Folge der Impfungen ansehen kann.

Übrigens hatte dieselbe Iskra Reic bei einer früheren Fragestunde noch von nur sechs Millionen geretteten Leben gesprochen (Video des EU-Parlaments, Minute 2:40). Die Zahlenbasis scheint bei diesen vorgeblichen ‚Wirksamkeitsbeweisen‘ frei zu flottieren.

Moderna-Chef: Regierungen wollten schnelle Impfstoff-Lieferungen – daher der Haftungsausschluss

Der rumänische Abgeordnete Christian Terheș (Konservative und Reformer) sagte über die Pharma-Vertreter: „Ich sehe, dass sie es alle vermeiden, konkrete Fragen meiner Kollegen zu beantworten.“ Terheș entlockte dem Moderna-Chef Stéphane Bancel so die Aussage, dass man sich beim Impfstoff-Design auf die chinesische Sequenzierung des Wuhan-Typs, nicht auf eigene Forschung verlassen habe.

AIDS-Medikament in Pflegeheimen
Bei Anruf Paxlovid: Wird Lauterbach auch diesen Skandal politisch überleben?
Bancel sagte außerdem, dass die Präparate im Jahr 2021, als „es vor allem um Alpha und Delta ging“, auch gegen Infektionen geholfen hätten. Bancel scheint einzugestehen, dass dies bei Omikron definitiv nicht mehr der Fall sei. Als Nummer-eins-Priorität der Impfstoffentwicklung benennt Bancel die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten. Doch auch dieses Argument für eine (verpflichtende) Impfung fällt weg, seit sicher ist, dass die Krankenhäuser nicht mehr überlastet sind, es vielerorts nie waren.

Zur Frage der ausgeschlossenen Haftung sagt Bancel ganz klar, dass die Regierungen „eine rasche Zulassung“ haben wollten und deshalb den Pharma-Konzernen „einige Garantien in Bezug auf die Schadensersatzleistungen“ geben mussten. Er beklagt so indirekt das Fehlen von Langzeitstudien, wie es sonst für Impfstoffe üblich ist – doch dieses Fehlen verdanke sich eben „der Natur einer Pandemie“. Das mag für 2020 – zumindest im allgemeinen Empfinden – so gewesen sein. Heute gibt es sicher keine solche Eile und keinen derartigen Handlungszwang mehr. Das In-Umlauf-Bringen eines weitgehend ungetesteten Omikron-Boosters ist also hinfällig geworden.

Terheș zeigte auch Seiten aus den Verträgen der EU mit den Pharma-Konzernen, die fast vollständig geschwärzt sind. Er fragte: „Ist es fair, über diese Impfstoffe, über Booster, über medizinische Produkte zu sprechen, wenn wir die Klauseln dieser Verträge nicht kennen?“ Es scheint mehrere gute Gründe für Albert Bourla zu geben, dem Covid-Ausschuss des EU-Parlaments fernzubleiben.

Anzeige
Anzeige