Tichys Einblick
Untersuchungsausschuss im Bundestag

Opposition stellt fest: Verteidigungsministerin von der Leyen hat komplett versagt

Sie funktioniert also doch, die Opposition im Bundestag. Von der Leyen, so stellen die vier Parteien fest, ist verantwortlich dafür, dass das Verteidigungsministerium mehr als 200 Millionen Euro für zweifelhafte Beraterverträge ausgab.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

imago images / Xinhua

So hatte es sich die CDU/CSU/SPD-GroKo vorgestellt: Die vormalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU, Verteidigungsministerin von 2013 bis 2019) sollte aus dem Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre ohne einen einzigen Kratzer auf ihrem hochpolierten Image hervorgehen und ihr seit Kindestagen einstudiertes Lächeln auch weiterhin als EU-Kommissionspräsidentin verbreiten dürfen. Ein Freispruch Erster Klasse sollte es werden, das wollte das GroKo-Vernebelungskartell so. Wir haben hier bei TE am 9. Juni darüber berichtet und unseren damaligen Beitrag mit folgenden Zeilen abgeschlossen: „Ende Juni werden die Oppositionsparteien AfD, Grüne, Linke und FDP ihre eigenen Berichte vorlegen. Man kann nur hoffen, dass die Oppositionsfraktionen etwas Licht ins Dunkel bringen. Und vor allem kann man nur hoffen, dass es noch eine vernehmbare parlamentarische Opposition in diesem unserem Lande gibt.“ 

Nun haben die vier Oppositionsparteien ihren „Job“ gemacht – und zwar ohne Ansehen der Person. Die vier haben zwar keinen gemeinsamen Minderheitenbericht vorgelegt, weil eine von ihnen die AfD ist, aber: „So what!“ – wie der Brite sagen würde. Die Minderheitenvoten haben es in sich: das gemeinsame Votum der Fraktionen von Grünen/FDP/Linkspartei und das Votum der AfD.

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Kernaussage bei allen: Von der Leyen kann sich nicht davonstehlen, sie trägt die Gesamtverantwortung dafür, dass nicht nur mehr als 200 Millionen für Beraterverträge ausgegeben wurden, sondern dass es bei der Vergabe der Verträge (Methode „Vetternwirtschaft“) auch nicht mit rechten Dingen zuging und die Beratung des Verteidigungsministeriums zu einer „Goldgrube“ für die Unternehmen McKinsey und Accenture wurde. Der Bundesrechnungshof hatte dies gerügt. (Apropos McKinsey: Dort war bei einer US-Dependance von der Leyens Sohn David von 2015 bis 2019 als Associate & Jr. Engagement Manager beschäftigt.)

Im Detail: FDP/Grüne/Linksfraktion werfen von der Leyen vor, sie habe ihre damalige Staatssekretärin Suder (vormals McKinsey) offenbar freihändig gewähren lassen, die Ministerin habe nicht eingegriffen, als erste Missstände bekannt wurden. Mit dem Hinweis, die Unregelmäßigkeiten seien alle auf der Arbeitsebene („weit unter meiner Ebene“) geschehen, könne sich von der Leyen nicht davonstehlen, sie trage die Gesamtverantwortung. Zudem habe die Ministerin kaum Interesse an einer Aufklärung gezeigt und offenbar etwas verbergen wollen, denn laut Recherchen des Ministeriums habe von der Leyen mit ihrem bevorstehenden Antritt als EU-Kommissionschefin auf einem früheren Handy alle SMS gelöscht, bevor sie es zurückgab. Die AfD sprach von einem „fundamentalen Werteverfall im Verteidigungsministerium.“ Der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner sagte, von der Leyen habe Berater als Allzweckwaffe ins Ministerium geholt, die Wunder seien aber ausgeblieben, stattdessen seien jede Menge Steuergelder verschwendet worden. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann urteilte: Mit der in ihren Aufgaben restlos überforderten von der Leyen habe sich das Ministerium „sperrangelweit“ und ohne Kontrolle für Berater geöffnet. Matthias Höhn (Links-Fraktion) kritisierte: „Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie es nicht laufen darf.“ Siehe auch hier und hier.

Dass sich Ursula von der Leyen trotz (oder wegen?) dieser Affäre als EU-Kommissionspräsidentin nach Brüssel absetzen konnte, bleibt ein Skandal. Zumal von der Leyen bei den EU-Wahlen vom Mai 2019 als Kandidatin überhaupt nicht zur Wahl stand. Aber das war die einsame Entscheidung eines französischen Staatspräsidenten Macron und einer Kanzlerin Merkel, die damit der Politik- bzw. der Politikerverdrossenheit einen gewaltigen Schub gaben. Was die finanzpolitischen Befugnisse einer Kommissionspräsidentin von der Leyen betrifft, so wird sie als eine, die jetzt mit Billionen jongliert, 200 Millionen Fehlausgaben als „peanuts“ abtun. Man kann nur hoffen, dass die Abgeordneten des Parlaments der EU durch die Voten der vier Oppositionsfraktionen des Bundestages hellhörig geworden sind und der EU-Kommissionspräsidentin ab sofort sehr genau auf die Finger schauen.

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