Tichys Einblick
Digitales Dorf Deutschland

Nancy Faeser versagt in der Digitalisierung der Verwaltung

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verfehlt ihr Ziel, die Verwaltung zu digitalisieren, deutlich. Es ist aber nicht so, dass sich die Ampel gar nicht um das Thema Internet kümmert – sie bereitet derzeit eine Steuer darauf vor.

Symbolbild; Online-Terminvergabe der Stadtverwaltung Bonn

IMAGO / photothek

Bis zum Jahresende sollten deutsche Behörden 575 Leistungen digital anbieten. Das hatte sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgenommen. Das schafft sie nicht ganz. Die Hälfte erreicht sie auch nicht, oder ein Viertel, dafür verfehlt sie dann auch noch das Fünftel der Vorgabe. Nicht knapp, eher deutlich: 575 Leistungen wollte der Bund bis zum Jahresende digital bereitstellen. 101 Leistungen werden es, wie die Welt berichtet hat.

Faesers Innenministerium hat aus dem Verfehlen seiner Ziele gelernt. Künftig wird das Ministerium in der Digitalisierung keine Termine mehr verpassen – weil es sich keine mehr vornimmt. Das gehe aus einem Papier mit Änderungsvorschlägen zum sogenannten Onlinezugangsgesetz hervor, berichtet die Welt. Zu den Leistungen, die künftig digital möglich sein sollten, gehört der Antrag auf Elterngeld oder der auf ein neues Nummernschild fürs Auto.

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Das Scheitern in der Digitalisierung hat in Deutschland mittlerweile Tradition. Schon 2017 haben Union und SPD ein Gesetz beschlossen. Im Wettlauf um die Modernisierung der Welt wollte sich Deutschland Zeit lassen. Ein Formular ins Netz stellen, das nach Bearbeitung an die richtige Adresse weitergeleitet wird? Für diese hochkomplexe Aufgabe meinte der öffentliche Dienst in Deutschland fünf Jahre zu brauchen. Zu wenig. Angesichts der Kaffeepausen, Sonderzahlungen und Corona-Boni, die sich die Verwaltung in der Zwischenzeit gegönnt hat. So wird die Digitalisierung zur Daueraufgabe, wie das Innenministerium der Welt erklärt: Würde man sich da selbst eine Frist setzen, würde die den Moment der Daueraufgabe konterkarieren, argumentiert Faesers Haus. Klingt so, als ob das Faxgerät noch 2122 deutsche Amtsstuben dominieren wird.

Doch bloß, weil die Digitalisierung der Verwaltung nicht vorankommt, heißt das nicht, dass sich die Ampel gar nicht mit dem Internet beschäftigen würde. Unter Federführung von Minister Volker Wissing (FDP) arbeitet sie an der Einführung einer „Infrastrukturabgabe für Unternehmen, die besonders von einer hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur profitieren“. Also einer Internetsteuer, um es weniger euphemistisch auszudrücken. „Over-the-top content-Anbietern (OTT)“ müssten an den Netzausbaukosten „hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Netzneutralität, Internet-Ökosystem, Markt, Wettbewerb sowie Verbraucherinnen und Verbraucher genau geprüft werden“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Union. Auf Deutsch: Wer viele Daten im Netz verbraucht, soll auch hohe Steuern zahlen. Sorry: Abgaben.

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Wenn es schon nicht gut läuft mit der Digitalisierung, dann noch die wenigen funktionierenden Unternehmen mit Steuern lahmlegen. Die Idee kommt – richtig – aus Brüssel. Die EU hat ihren Mitgliedsstaaten auf den Weg mitgegeben, dass „alle Marktakteure … einen fairen und angemessenen Beitrag“ für den Ausbau der Infrastruktur leisten sollen. Die Bundesregierung will von den Plänen aus der Presse erfahren haben, antwortet Wissings Ministerium der Union. Das Ministerium selber gehe davon aus, dass eigentlich durch die Netzbetreiber und Subventionen genug Geld für den Netzausbau da sei. Wobei Wissings Haus auf Zeit spielt: Noch habe die EU keine konkreten Vorschläge gemacht und die müssten ja dann erstmal geprüft werden. Klingt so, als ob die Internetsteuer, die Digitalabgabe heißen wird, dann so in drei bis fünf Jahren kommen wird – vermutlich noch vor der Digitalisierung der deutschen Verwaltung.

Aber es ist nicht so, dass es zur Digitalisierung nur zwei schlechte Nachrichten gäbe. Es kommt noch eine dritte dazu. Mit dem Breitbandausbau kommt Wissing ebenfalls nicht voran. Sein Förderprogramm ist für 2022 vorzeitig ausgelaufen, weil es an Geld fehlte. Aber es gehe 2023 weiter, kündigt Wissing an. Halt nicht pünktlich, sondern frühestens im März. Vielleicht sollte sich der „Liberale“ ein Vorbild an Faeser nehmen und sich keine zeitlichen Vorgaben mehr machen – dann können die auch nicht verpasst werden.

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