Tichys Einblick
Sozialismus in Berlin

Nach dem Mietpreisdeckel: Warum nicht ein Menüpreisdeckel?

Wenn Wohnen ein Menschenrecht ist, dann ist es Essen allemal. Und wenn der rot-dunkelrot-grüne Senat in Berlin seiner leistungsallergischen Klientel bei der Miete unter die Arme greift, kann er das bei der Restaurantrechnung bestimmt auch.

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„Der Mietendeckel ist Notwehr.“ (Katrin Lompscher, Bauverhinderungssenatorin in Berlin am 26.08.2019) 

Was fällt Ihnen zu Kreuzberg ein? Vielleicht dies: Kreuzberg ist der Berliner Bezirk, in dem Hans-Christian Ströbele für die Grünen das erste Bundestags-Direktmandat ihrer Geschichte holte. Kreuzberg hat einen sehr hohen Ausländeranteil – früher wegen der Türken, heute wegen der Schwaben, die die meisten Türken nach Neukölln verdrängt haben. In Kreuzberg veranstalten Antifa und Autonome jedes Jahr am 1. Mai eine Art Volksfest, bei dem lustiges Brauchtum gepflegt wird – wie das Abfackeln von Autos oder versuchter Polizistenmord mit Zwillen und Stahlkugeln.

Sicher nicht ohne Grund hat Star-Koch Tim Raue in ebendiesem geradezu absurd linken Kreuzberg sein Gourmet-Restaurant angesiedelt – eines von nur fünf Lokalen in der Hauptstadt, die vom Guide Michelin zwei der begehrten Sterne bekommen haben. Es schmeckt da wirklich lecker. Aber, aber… ein sogenanntes „Signature Menü“ kostet beachtliche 188 Euro ohne Getränke.

Für die Herzdame freilich sollte einem nur das Allerbeste gut genug sein. Also führte ich meine Liebste jetzt am Jahrestag unseres Kennenlernens aus – und zu Tim Raue. An diesem besonderen Datum versuche ich jedes Jahr, der Angebeteten etwas Besonderes zu bieten. Die dafür nötigen Finanzmittel werden, wie bei uns Bürgerlichen halt so üblich, übers restliche Jahr angespart.

Am Nebentisch wurde bei einem Riesling (112 Euro die Flasche, ich habe später in der Weinkarte nachgesehen) recht laut über den Berliner Immobilienmarkt diskutiert – das heißt, eigentlich wurde vor allem der kürzlich vom Abgeordnetenhaus mit seiner Mehrheit aus SPD, SED/PDS/Linken und Grünen beschlossene Mietpreisdeckel gelobt.

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Der soll demnächst vielen Menschen aus der SPD-SED/PDS/Linken-Grünen-Klientel ermöglichen, innerhalb des Berliner S-Bahnrings zu wohnen (der international begehrtesten und teuersten Gegend der Stadt): Menschen, die dank drastisch falscher Lebensentscheidungen zwar nicht über genug Einkommen dafür verfügen und auch keine Rücklagen haben (zum Beispiel, weil sie darauf bestehen, nichts vor elf Uhr mittags und überhaupt nur irgendwas mit Medien zu machen, statt ab sieben Uhr morgens einem ordentlichen Beruf nachzugehen). Menschen, die aber aus unerfindlichen Gründen trotzdem glauben, sie hätten ein quasi naturgegebenes Recht, ausgerechnet da zu wohnen.

Wohl dem, der eine Katrin Lompscher hat, die einen bei der Abwehr der eigentlich zwangsläufigen Folgen solcher Selbstgerechtigkeit tatkräftig unterstützt – zu Lasten derer, die lieber fleißig arbeiten als sich selbst zu verwirklichen und die deshalb auch die Ressourcen für eine Wohnung in schöner Lage haben (oder sogar für ein eigenes Häuschen). Und zu Lasten derer, denen SPD und Grüne vor gar nicht allzu langer Zeit noch geraten hatten, für die private Altersvorsorge eine Immobilie anzuschaffen und gewinnbringend zu vermieten.

Tempora mutantur, die Zeiten ändern sich. Die Rentnerin, die sich damals auf den Rat der Herren Schröder und Fischer hin nicht auf die staatliche Rente verließ und mit einer kleinen Wohnung unter die Vermieter ging, ist jetzt verlassen. 2005 galt sie SPD und Grünen noch als weitsichtige und verantwortungsbewusste Oma. Heute gilt sie denselben Parteien als raffgieriger Miethai. Pech irgendwie.

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Lompschers Günstlinge freut’s natürlich. Und wie man so am Nebentisch bei der nächsten Flasche Riesling auf die baldige Rückkehr der sozialistischen Wohnraumzwangsbewirtschaftung anstieß, kam mir ein revolutionärer Gedanke: Wo man eine so verzerrte Wahrnehmung vom Wohnen hat, da ist der nächste Irrglaube sicher nicht weit – nämlich der, dass man das Recht habe, auch kulinarisch über die eigenen und selbstverschuldeten Verhältnisse zu leben.

Ganz ehrlich: Die Idee gefällt mir. Heißa, wäre das ein Spaß!

Analog zum Mietpreisdeckel werden alle Restaurantpreise rückwirkend zum Stichtag 18. Juni 2019 für fünf Jahre eingefroren. Für den Restaurantbesucher ist es ein großer Vorteil, völlig unabhängig von der Ernte jetzt schon zu wissen, was die Portion Trüffel oder Bratkartoffeln im Jahr 2025 kosten wird. Es reicht ja, wenn der Gastronom noch nicht weiß, wie teuer seine Ware dann sein wird – diese Unsicherheit muss nun wirklich nicht auch noch an den Gast weitergegeben werden.

Natürlich gab es auch am 18. Juni 2019 schon relativ günstige Döner-Buden für jedermann – und relativ teure Restaurants für Besserverdiener (dass es überdurchschnittlich häufig einen Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Verdienst gibt, sei hier nur noch einmal kurz am Rande erwähnt).

Analog zum Mietpreisdeckel wird diese aus sozialistischer Sicht schreiende Ungerechtigkeit dadurch ausgeglichen, dass eine Art Durchschnittspreis aller Lokale eines Stadtbezirks gebildet wird. Mehr darf dann kein Restaurant mehr verlangen. Die Kellner sind verpflichtet, den Gast schon bei der Bestellung unaufgefordert über den zulässigen Menüpreis zu informieren.

Wenn das dem prekär im Mediensektor beschäftigten Kreuzberger SED/PDS/Linken-Anhänger immer noch nicht reicht, um sich regelmäßig bei Tim Raue den Wanst vollzuschlagen, greift die besonders charmante 30-Prozent-Regel: Ist die Summe der monatlichen Restaurantrechnungen höher als 30 Prozent des Netto-Haushaltseinkommens, gilt nämlich eine weitere Obergrenze. Die orientiert sich auch am Durchschnittspreis aller Lokale eines Stadtbezirks – aber nicht am aktuellen, sondern bezogen auf das Jahr 2013. Kein Scherz, kein Irrtum, kein Druckfehler: 2013.

Stellt man am Ende eines Monats nun fest, dass die Restaurantbesuche mehr als 30 Prozent des eigenen Netto-Haushaltseinkommens verschlungen haben, kann man bei den Berliner Behörden einen sogenannten „Absenkungsantrag“ stellen. Wird dem stattgegeben – und die Berliner Behörden sind notorisch großzügig mit dem Geld anderer Leute – dann darf man zu Tim Raue gehen, und der muss einem die Differenz zwischen der aktuellen Rechnung (zur Erinnerung: Die war ja schon gedeckelt) und der fiktiven gedeckelten Rechnung aus dem Jahr 2013 erstatten.

Um in unserer schnelllebigen Zeit die Restaurantbesucher nicht weiterem Stress auszusetzen, hat man für die Überprüfung seiner Bewirtungsbelege etwas Zeit. Oder auch etwas mehr – eigentlich sogar sehr viel Zeit: Volle zweieinhalb Jahre nach dem Essen kann man bei Tim Raue immer noch rückwirkend eine Reduzierung der Rechnung verlangen. Kein Scherz, kein Irrtum, kein Druckfehler: 30 Monate später.

Im Ergebnis wird Tim Raue sehr wahrscheinlich recht zügig sein Lokal dicht- und stattdessen etwas anderes machen. Eine Edel-Wäscherei vielleicht – so lange, bis die Lompscher-Klientel auch Reinigungen zu teuer findet.

Sozialismus kann so schön sein. Außer, man ist Gastronom (oder Vermieter eben).

Nennen sollten wir das Ganze „Menüpreisdeckel“. Das klingt fast wie Mietpreisdeckel – da weiß der Kenner sofort, worum es geht.

Ausgenommen vom Menüpreisdeckel wird selbstverständlich das „Borchardt“ am Gendarmenmarkt. Da kostet das Wiener Schnitzel zwar auch knapp 30 Euro (und schmeckt nicht mal besonders gut, von den berüchtigt schnöseligen Kellnern ganz zu schweigen). Der Schickimicki-Tempel ist aber das Stammlokal der linken Berliner Möchtegern-Elite.

Wenn’s da zu billig wird, kann man nicht mehr unter sich bleiben. So weit soll es mit der Gleichheit dann doch nicht gehen. Denn wie in jedem sozialistischen Zirkel sind auch in der Berliner Linken einige etwas gleicher.

Guten Appetit.

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