Tichys Einblick
Indirekte Kritik an Söder und Merkel

Mittelstands-Union in der CSU: Lockdown ist nicht die richtige Medizin

Während CSU-Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder wieder Lockerungen eine Absage erteilt, wird an der CSU-Basis deutliche Kritik laut. Der Wirtschaftsflügel will weg vom pauschalen Lockdown und fordert "Entscheidungen ohne Angst".

Markus Söder (Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender)

IMAGO / Sven Simon

Zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren einstigen Kritiker und nunmehrigen Bewunderer Markus Söder passt nicht nur pandemiepolitisch kaum noch ein Blatt (vgl. aktuelles Söder-Interview im Stern). Scharfe Kritik dagegen kommt nun vom Wirtschaftsflügel der CSU. In einer Pressemitteilung fordert der Bezirksvorsitzende der Mittelstands-Union in Mittelfranken, Robert Pfeffer, was sonst eher von Oppositionsparteien zu hören ist, nämlich die „Aufarbeitung der Krise ohne Tabus“. Offenbar hat man den Eindruck, dass es solche Tabus bislang gibt.

Pfeffer zeichnet ein dramatisches Bild vom Zustand der Wirtschaft und der Gesellschaft:

„Die Bedrohungs-Lage wird für große Teile des Mittelstands immer unerträglicher und dramatischer, in Deutschland und in Bayern. Es geht in dieser Krise nicht um die Unternehmerschaft, sondern um die Bürgerschaft, und damit um Unternehmer und Arbeitnehmer, die Familien ernähren und der Volkswirtschaft dienen. Sinnhafte, transparente und nachvollziehbar kluge „Entscheidungen ohne Angst“ sind von der Exekutive gefordert, zumindest jetzt.“ 

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Die CSU-Vereinigung fordert letztlich eine grundlegende Wende in der Pandemiepolitik: „Bei Abwägung der enormen Lockdown-Schäden gegen die mangelnde Wirksamkeit des Schutzes von Bürgern und Gesundheitssystem durch Lockdowns sind geeignetere Mittel zum Schutz von Bürgern und Unternehmerschaft einzusetzen.“

Sie beruft sich dabei auf die jüngste Studie von John Ioannidis von der Stanford Universität, in der er „keine signifikanten Vorteile restriktiverer Lockdowns auf das Fallwachstum“ feststellen konnte: „Vergleichbare Reduzierungen können mit weniger restriktiven Interventionen erreicht werden.“ Und so fragt die CSU-Vereinigung: „Wenn der Lockdown nicht die richtige Medizin ist, macht es dann Sinn die Dosis zu erhöhen?“

Dass harte Lockdowns nicht die erhoffte Wirkung hätten, zeige das Beispiel des Landkreises Berchtesgadener Land: Der dort ab dem 19.10.2020 verhängte harte Lockdown durch die Bayerische Staatsregierung mit drastischen Ausgangssperren und faktischer Heimquarantäne sei nahezu wirkungslos geblieben. „Dort lag der sogenannte Inzidenzwert bei 252. Dieser Wert stieg weiter an, z.B. auf 324 am 29.12.2020 und zuletzt sogar auf einen Rekordwert von 347 am 11.01.2021.“

In der Pressemitteilung fordert die MU „die Rückkehr zu einer nüchternen, faktenbasierten Diskussion über Lösungen und Entscheidungsfindung und -Verkündung.“ Es gehe darum, „tragfähige Schutzkonzepte auf die höchst und leidvoll betroffene Risikogruppe, also Menschen ab dem 60. Lebensjahr zu konzentrieren!“

Das statistische Risiko „an oder mit Corona“ zu sterben liege, so die MU, für Menschen von 0 bis 59 Jahre, bei 0,0025%. Das sei „niedriger als die Wahrscheinlichkeit als Teilnehmer am Straßenverkehr zu Tode zu kommen“. Diese Altersgruppe von 0 bis 59 Corona-bedingt vom öffentlichen Leben auszuschließen, könne daher keine spürbaren Schutzeffekte erzielen.

Söders Eingeständnis:
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Die Politik müsse, so Pfeffer, die grundsätzliche Haltung gegenüber Unternehmern verändern. „Nur gemeinsam, mit den Unternehmen und mit den Menschen, können wir gestärkt aus der Krise heraus kommen. Nicht gegen die Unternehmen, nicht gegen die Menschen. Wenn die Menschen die Maßnahmen nicht verstehen und akzeptieren, sondern nur durch staatliche Zwangsmaßnahmen erdulden, werden wir alle nicht gewinnen!“

Markus Söder dürfte von derartigen Äußerungen aus seiner fränkischen Heimat wenig begeistert sein. Er sagte vor den Beratungen über mögliche Lockdown-Lockerungen: „Sicherheit ist am Ende der beste Ratgeber.“ Am Freitagabend bei der Jahresauftakt-Klausur der hessischen CDU hatte Söder schon ähnliches gesagt: „Wenn wir nicht aufpassen, machen wir alle Erfolge zunichte. Und die Kombination aus überstürzter Lockerung und Mutation ist hochgefährlich.“

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