Tichys Einblick
Der Euro als Krisenwährung

Macron macht in Aachen den Trump

Bei der Verleihung des Karlspreises übernimmt Emmanuel Macron die Kritik des US-Präsidenten Donald Trump an den deutschen Handeslbilanzüberschüssen. Merkel signalisiert Freundschaft - hilflos.

© Lukas Schulze/Getty Images

Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel demonstrieren gerne ihre Freundschaft. Klar, wer möchte nicht Anhänger des Sunny-Boys sein, der so ganz anders auftritt als die eher bleiern und mürbe wirkende Bundeskanzlerin. 

Freundschaft in der Politik bedeutet nicht viel

Aber Freundschaft in der Politik heißt nicht gegenseitige Unterstützung und sie überwindet keine Interessengegensätze. Wie eine eiskalte Dusche hat Angela Merkel die Rede erwischt, die Macron in Aachen zur Vergabe des Karlspreises hielt. Es sind nur einige wenige Sätze, aber sie haben es in sich.

Folgt man Macron, dann fährt Deutschland einen zu strikten Sparkurs und zeigt mangelnden Mut bei der Reform EU-Europas. Macron forderte die Bundesregierung zu höheren EU-Ausgaben auf. „Ich glaube an eine stärker integrierte Eurozone mit einem eigenen Haushalt“, sagte Macron. Üblicherweise setzt man als Journalist das Wörtchen „scharf“ vor kritisierte, wenn er formuliert: „Scharf kritisierte“ Macron den deutschen „Fetischismus“ für Budget- und Handelsüberschüsse. Die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel stemmt sich bisher gegen deutlich höhere Ausgaben und ist nur zu den Mehrkosten durch das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU (Brexit) bereit: immerhin auch schon 6 Milliärdchen, Europas kleine Recheneinheit. Und weiter: Frankreich müsse sicherlich eine Änderung der EU-Verträge und die Stärkung der Regeln in der EU akzeptieren, damit weniger öffentliches Geld ausgegeben werde. „Aber analog dazu kann es in Deutschland auch keinen Fetisch geben, der Haushalts- und Handelsüberschuss heißt. Denn das geht immer auf Kosten anderer“, so Macron.

Nichts ist leichter als Schuldenmacherei

Mit dem Haushaltsüberschuss ist es so eine Sache: Ja, den hat Deutschland derzeit; in der Summe entspricht seine Verschuldung aber in etwa den Vorschriften, die im Euro-Gründungsvertrag von Maastricht formuliert wurden: Mit Müh und Not wird Berlin trotz phantastischer Steuermehreinnahmen und gewaltiger Ersparnisse wegen der Null-Zinsen, 2019 den Status erreichen, der vorgeschrieben ist – eine Verschuldung in Höhe von maximal 60 Prozent des Bruttosozialproduktes.

Bürokratische Sackgassen
Der deutsche Überschuss ist schuld oder Panem et Circenses
Sparsam wäre eine andere Politik. Es ist ein Fetischismus mit wenig Sexappeal. Außerdem: Die neue Bundesregierung hat gigantische neue Augabenprogramme beschlossen; schwächt sich die Konjunktur nur geringfügig ab und steigen etwa die Ausgaben für Arbeitslosigkeit wieder an, dann ist der Haushalt schnell wieder tiefrot – beim Bund, den Ländern und in den Kommunen. Noch ein paar Milliarden für Europa wegen Brexit oder weil Macron sie für seinen Haushalt in Paris braucht – und Deutschland hat wieder viele Schulden – ein zweifelhafter Erfolg, aber solcher Friede ist machbar …
Handelsbilanzüberschuss: Schwierig, ganz schwierig

So sind Macrons Forderungen nach mehr Schulden schnell erfüllt; schneller als sogar ihm Recht sein kann. Schwieriger ist es mit dem Handelsbilanzüberschuss. Er entsteht, weil Deutschland mehr exportiert als importiert. Das ist gut für die Arbeitsplätze – so werden Jobs in Deutschland geschaffen – und beispielsweise in Frankreich, Italien, oder den USA zerstört. Das führt Donald Trump immer wieder als Kritik an; er reagiert mit der Drohung von Strafzöllen darauf. Jetzt hat Macron seine Argumentation übernommen.

Damit umzugehen wird schwer für Deutschland. 

In der Vergangenheit hätte ein derartiger Handelsbilanzüberschuss zu zwei Anpassungsreaktionen geführt: Die Deutsche Mark wäre „aufgewertet“, also  immer teurer geworden. Aus Sicht der Käufer wären deutsche Exporte teurer, und Importe nach Deutschland billiger geworden. Ein einfaches Beispiel: Renault, Fiat und GM hätten ihre Preise in Deutschland senken können; Mercedes und BMW wären in Frankreich, Italien und USA teurer geworden.

Der Handelsbilanzüberschuss wäre automatisch reduziert worden.

Möglicherweise wären in Deutschland damit Arbeitsplätze verschwunden. Die Arbeitsplatzbesitzer wären tendenziell wohlhabender geworden, denn die Importpreise verbilligen fast alles, von Autos bis Benzin und Auslandsurlaub. Außerdem hätte die Bundesbank die Zinsen erhöht; das verteuert Investitionen. 

Aber der Mechanismus funktioniert nicht mehr – wegen des Euros statt der DM.

Der Euro ist der Sündenbock

Der Euro ist eine Durchschnittswährung für alle teilnehmenden Staaten. Der Wechselkursmechanismus ist ausgeschaltet. Die Zinsen werden von der europäischen Zentralbank niedrig gehalten, damit Länder wie Griechenland und Italien ihre Staatsschulden überhaupt ertragen können.

Und nun? Bis jetzt hat Merkel die Sache laufen lassen. Schon seit 10 Jahren steht Deutschland wegen seiner Haushaltsüberschüsse am Pranger und verteidigt sie mit Verweis auf die Tüchtigkeit deutscher Exporteure, wo es doch die fatale Wirkung der Einheitswährung ist.

Das Duo Macron/Trump zwingt Deutschland zur Anpassung

Es gibt nur wenige Rezepte:

  1. Löhne rauf. Dann gibt es Arbeitslosigkeit, höhere Schulden, alles ist gut. Außer bei den Arbeitslosen. Man hört schon das Geschrei. Deutschland wird dann weiter Industrie und Zukunftsfähigkeit verlieren.
  2. Exportzölle, auch eine denkbare Sache: wer exportiert, zahlt eine Steuer an den Staat, der damit deutsche Produkte verteuert. Nicht praktikabel. Die Exporteure würden die Bundesregierung zerfetzen.
  3. Höhere Zinsen über die EZB sind machbar; aber dann verlieren die Südstaaten des Kontinents.

Jetzt rächt sich, dass die Wirtschaftspolitik in Deutschland systematisch vernachlässigt wurde. 

Es gibt mächtig Ärger in Europa. Der Ausweg wäre die Abschaffung des Euros. Auch schwer zu machen, Deutschland bliebe auf seinen Exportüberschüssen in Europa sitzen – in Form von wertlosem Papiergeld aus Italien, Griechenland usw.

„Wir hören einander zu und wir finden schließlich auch gemeinsame Wege. Das ist die Herausforderung und das ist der Zauber Europas“, so Merkel. „Die Art der Konflikte hat sich nach Ende des Kalten Krieges vollständig verschoben“, betonte die Bundeskanzlerin, die den „lieben Emmanuel“ als leidenschaftlichen Demokraten würdigte. Auch würdigte Merkel Macrons Begeisterung, Einsatz und Courage. „Du sprühst vor Ideen und hast die europapolitische Debatte mit neuen Vorschlägen neu belebt“, sagte sie. Die Auszeichnung solle nicht nur Bestätigung für den richtigen Weg sein, sondern auch Bestärkung und Ansporn, den Weg zuversichtlich weiterzugehen. „Ich freue mich, auf diesem Weg mit Dir gemeinsam arbeiten zu können“, sagte Merkel.

Ich bin gespannt auf diesen Weg. Er wird steinig – für Deutschland.