Tichys Einblick
„revolutionäre 1. Mai-Demo“

Linke Szene macht für Krawalle mobil: Was erwartet Berlin heute am 1. Mai?

Wie schwer werden die Ausschreitungen am 1. Mai in Berlin? Die linke Szene macht sich ungewöhnlich stark für den Tag bereit. Auch die Polizei erhöht im Vergleich zu den Vorjahren ihre Mannstärke. Auch ein stärkerer Anti-Israel-Fokus wird erwartet. In der Walpurgisnacht kam es zudem zu einem Mord im Clan-Milieu.

IMAGO / Müller-Stauffenberg

Am 1. Mai geht es in Berlin traditionell heiß her, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Seit ich denken kann, brannten in unserem Kreuzberger Kiez pünktlich zum Maiauftakt jedes Jahr Mülltonnen, Autos und manchmal ganze Straßenabschnitte. Egal ob man im ersten oder dritten Stock wohnte, man war nicht vorm Pflaster-Steinschlag sicher. Banken, Supermärkte und alle anderen Läden, die den Tag überleben wollten, verbarrikadierten jedes Jahr ihre Scheiben mit dicken Holzpaletten. Und wer sein Auto nicht wegfuhr, hatte am nächsten Tag im schlechtesten Fall keines mehr.

Schon als ich in der Grundschule war, wusste jeder, dass man am „antikapitalistischen Kampftag“ spätestens um 18 Uhr zuhause sein musste, wenn man nicht zwischen die Fronten der Antifa und der Polizei geraten wollte – denn dann wurde es nicht nur brenzlig, es herrschte regelrecht Krieg auf den Straßen. Einer, der in den letzten zehn Jahren dank großer Straßenfeste immer beschaulicher wurde. Dieses Jahr gibt es aber kein Fest, dafür viel Wut und neue aggressive und antisemitische Antifa-Gruppen. Die Gewalt könnte damit erneut eskalieren.

Maifeiertag
Der Gewerkschaftsbund DGB ringt am 1. Mai um Relevanz
Schon im letzten Jahr hatte ich kurz vorm ersten Mai ein schlechtes Gefühl – und sollte damit leider Recht behalten. In Neukölln explodierte die geballte linke Lockdown-Wut angestachelt durch coronabedingte Demo- und Festverbote, mehrere Zwangsräumungen besetzter Häuser und unterstützt durch den neuen aggressiven Antifa-Ableger Migrantifa – der linken Kampftruppe von Migranten für Migranten, gegen den Kapitalismus. In Neukölln kam die sogenannte „revolutionäre 1. Mai-Demo“ mit der neuen Gruppe im Front-Block nur wenige hundert Meter weit, bis die Gewalt völlig eskalierte. Im Sekundentakt hagelte es Flaschen, Böller und Steine auf Polizeibeamte, während auf den Straßen brennende Barrikaden errichtet wurden. Bei der Straßenschlacht wurden 93 Polizisten verletzt, 354 Extremisten festgenommen und unzählige Autos Unbeteiligter schwer beschädigt bis völlig niedergebrannt.

Szenen, die sich dieses Jahr wiederholen könnten – denn die linke Szene macht seit Wochen im Internet, auf Plakaten und über Demonstrationen mobil und gibt damit an, aus der Polizeitaktik des letzten Jahres gelernt haben zu wollen. Auch die Gewerkschaft der Polizei rechnet dieses Jahr erneut mit zunehmender Gewaltbereitschaft. Laut GdP-Landesvize Stephan Kelm „werden [wir] keinen 1. Mai wie in den späten 1980ern erleben, aber es wird eben auch kein Kindergeburtstag“. Anfang der Woche verkündete Innensenatorin Iris Spranger (SPD), dass 5.000 Polizisten, die Hälfte aus Berlin und der Rest aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei, am 1. Mai für Ordnung sorgen sollen. Kelm sagte, dass man „beim Blick auf die äußeren Gegebenheiten, die aktuellen politischen Konfliktlagen und die Ankündigungen aus dem linksextremen Szenebereich“ jede und jeden Einzelnen brauchen werde. Und da stimme ich ihm zu, dass Berlin „sicher sein“ wird, bezweifle ich aber leider.

Und da bin ich vielleicht nicht die Einzige, denn die Zahl der Polizisten wurden nun nochmal auf 6.000 Mann erhöht. Hört sich viel an, ist es aber immer noch nicht, wenn man bedenkt, dass allein bei der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ 5.000 bis 20.000 Teilnehmer erwartet werden – und die Beamten sind in ganz Berlin im Einsatz, nicht nur in Neukölln. Es könnte also wieder „heiter“ werden, denn die Linksextremen sind zahlreich und wütend. Sie nagen noch immer an der Räumung ihres geliebten Köpi-Wagenplatzes, der im Oktober 2021 bei einem massiven Polizeieinsatz und mit viel Gewalt geräumt und erst im April kurzzeitig erneut besetzt wurde.

Dazu kommt noch die neue Polizei-Wache am Kottbusser Tor – dem Kriminalitätsschwerpunkt Berlins -, die bereits in den letzten Wochen zu einzelnen Gewaltausbrüchen führte. Und dann hat sich das Bezirksamt Neukölln auch noch ausgedacht, ihre Demoroute mit muslimischen Straßenfesten zu unterbrechen – anlässlich des Fastenbrechens. Aber das halten die Antifa und ihre Freunde nur für einen Vorwand, um ihre Revoluzzen-Demo zu stören. Und das glaube ich auch, denn das ist die gleiche Strategie, die Berlin seit der Jahrtausendwende mit dem großen „MyFest“ fährt – und zwar relativ erfolgreich.

TE-Interview mit Frank Henkel
„Eingewanderter Antisemitismus ist ein großes Problem der inneren Sicherheit“
Dank des Straßenfests hatte jeder junge Pöbel die Wahl zwischen Alkohol, Konzerten und leckerem Essen auf der einen oder der 18-Uhr-Demo auf der anderen Seite. Und auch wenn man es vielleicht nicht glauben mag, viele, die ich kannte, bevorzugten Ersteres, auch wenn sie überzeugte Anhänger der linken Szene waren. In ganz Kreuzberg konnte man sich dank der Menschenmassen kaum noch bewegen, überall waren Besoffene, ein Meer aus Scherben und meterhohe Haufen Müll. Das Fest war für jeden Anwohner, der nicht selbst zum partywütigen Volk gehörte, jedes Jahr aufs Neue eine Qual. Ich hasse das MyFest, bin aber trotzdem überzeugt, dass es der Hauptgrund für den Rückgang der Gewalt ist und deshalb aktiver Befürworter – denn ich weiß noch genau, wie die Straßen vor Einführung der Feierlichkeiten gebrannt haben. Umso unverständlicher ist die erneute Absage des Festes, obwohl es im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren keine Corona-Auflagen mehr gibt, mit denen man die Absage begründen könnte.

Dabei hätte man dieses Jahr wirklich gute Gründe, alles zu tun, um die Gewalt zu unterbinden. Insbesondere wegen der Migrantifa – welches Gewaltpotenzial ihre Mitglieder mit sich bringen, haben sie nicht nur im Mai 2021 auf den Straßen Neuköllns gezeigt, sondern auch bei den antisemitischen Demonstrationen vor gut einer Woche. Die Migrantifa lädt dieses Jahr aktiv palästinensische Gruppen ein, sich dem Frontblock anzuschließen – es ist also nicht nur von Gewalt, sondern auch von aktiver Hetze gegen Juden und den Staat Israel auszugehen. Die Polizei wird mit 6.000 Mann nicht in der Lage sein, den offenen Antisemitismus zu unterbinden – genau wie die Gewalt, die brennenden Barrikaden und die Straßenschlachten, die uns drohen.

In der Walpurgisnacht ging es jedenfalls entsprechend los. Bei einer Feministischen Demo in Berlin-Mitte flogen Glasflaschen und Feuerwerkskörper auf Polizisten. Linksextreme griffen Lagerhäuser von mehreren Online-Lieferdiensten wie „Gorillas“ an. Bei den Maientagen am späten Samstagnachmittag gab es eine Messerstecherei, bei der ein Mann getötet wurde. 2022 wurde der Bruder des Opfers in der Nähe des Tempelhofer Felds erschossen – er hatte enge Verbindungen ins Clan-Milieu. Ein Zusammenhang wird geprüft – Berlin muss sich aber auch hier auf eine weitere Eskalation der Gewalt vorbereiten.

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