Tichys Einblick
Lauterbachs nächstes Scheitern

„Gebt das Hanf (nicht) frei“

Die Legalisierung von Cannabis ist ein Herzensprojekt der Ampel, liegt in der Verantwortung von Karl Lauterbach und – Überraschung – droht zu scheitern. Das sagt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.

IMAGO/Jens Schicke

Deutschland droht gerade ein nie gekanntes Krankenhaussterben. Die Kosten für die Pflege gehen durch die Decke – ebenso wie die Beiträge zur Pflege- und zur Krankenversicherung. Arbeit wird damit in Deutschland noch teurer – und für Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen noch weniger attraktiv. Und mit welchen Themen beschäftigt sich der Gesundheitsminister derweil? Karl Lauterbach (SPD) kämpft gegen den Hitzetod und für die Freigabe verbotener Rauschmittel.

Doch auch mit seinen Lieblingsthemen hat Lauterbach kein Glück. Derzeit tourt er durch Italien, um zu demonstrieren, dass man wegen des Hitzetodes nicht mehr durch Italien touren kann. Genauso gut könnte man eine Mehrfachgeimpfte mit Long-Covid zu einer Pressekonferenz einladen, um für die Impfung zu werben – weil die Long-Covid verhindere. Was der Erfinder der Absoluten Killervariante auch schon geschafft hat.

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Nun droht Lauterbachs nächstes Lieblingsprojekt ähnlich kläglich zu scheitern: die Legalisierung von Cannabis. Die hatten die Ampelparteien versprochen, um ihre Jugendverbände für den Wahlkampf zu motivieren. Doch statt der großen Freigabe präsentierten Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) nur eine minimale Freigabe mit maximalem Aufwand an Bürokratie.

Allerdings scheint schon diese rechtlich fraglich zu sein und sich innerhalb der Europäischen Union kaum realisieren zu lassen. Das hat ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ergeben. In Auftrag gegeben hat die Arbeit Stephan Pilsinger. Arzt, Bundestagsabgeordneter und Gesundheitspolitiker der CSU. Pilsinger sagt: „Das Gutachten unterstreicht, wie nahe der Referentenentwurf der Ampel an der Europarechtswidrigkeit dran ist.“

Zu dem Entwurf von Lauterbach und Özdemir gehört die Idee von Hanf-Vereinen. Innerhalb dieser „Cannabis Social Clubs“ soll es den Mitgliedern – und zwar nur den Mitgliedern – unter strenger Aufsicht begrenzt erlaubt sein, die berauschenden Pflanzen anzubauen. Das ist laut Gutachten fraglich: „Denn das Risiko, dass Cannabis-Pflanzen an Personen abgegeben werden, die nicht nachweislich Mitglieder des Anbauvereins sind, ist faktisch hoch“, sagt Pilsinger. Die Gefahr einer verdeckten Kommerzialisierung in den Vereinen sei „einfach nicht von der Hand zu weisen“. Schon das bringe den Entwurf der beiden Minister beträchtlich ins Wanken.

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Auch die zweite Idee der beiden scheint nicht zu funktionieren. Diese sieht Modellregionen vor, in denen der Anbau und die Abgabe von Cannabis vom Staat kontrolliert – oder sogar vom Staat selbst betrieben wird. Aber: „Europa- und völkerrechtlich sind der Anbau und der Handel mit Cannabis in den angedachten Modellprojekten nur zulässig, wenn dabei sichergestellt ist, dass sie ausschließlich medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken dienen“, sagt Pilsinger. Auch müsse zu 100 Prozent sichergestellt sein, dass der Kreis der berechtigten Empfänger stark eingeschränkt wird. „Eine Legalisierung von Cannabis durch die Hintertür über Modellregionen, die ganze Großstädte oder große Regionen zum Kiffer-Hotspot machen würde, ist also rechtlich höchst problematisch, wenn nicht gar unzulässig“, sagt Pilsinger.

Die Gutachter zweifeln an, ob Lauterbachs und Özdemirs Entwurf realistisch umsetzbar ist: „Fraglich ist, wie der Umstand zu bewerten ist, dass Vereinsmitglieder ihre Pflanzen gegebenenfalls nicht selbst aufziehen.“ Das eröffne die Möglichkeit des Anbaus gegen Geld. Inwiefern der sich dann noch auf den privaten Konsum reduzieren lasse, sei eben zweifelhaft: „Letztlich steht dahinter die Frage, ob in einem Cannabis-Club die einzelnen Pflanzen den jeweiligen Mitgliedern zugeordnet werden müssen oder ob es für die Bejahung des ausschließlich persönlichen Konsums ausreicht, wenn Anbautätigkeiten innerhalb des Vereins ausgeführt werden, die eine bestimmte Erntemenge abwerfen, welche dann wiederum als Eigenbedarf und damit persönlicher Konsum der einzelnen Vereinsmitglieder verstanden werden kann.“

Die Gutachter erinnern an ein Urteil des Gerichtshofes der EU: „Der Handel mit Betäubungsmitteln (ist) in allen Mitgliedstaaten nach internationalem Recht und nach dem Unionsrecht verboten, sofern er nicht streng überwacht für die Verwendung zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken stattfindet.“ Nur unter diesen Bedingungen wäre die Hanfabgabe laut Gutachten rechtlich möglich.

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Durchaus möglich, dass Lauterbach und Özdemir die Warnung des Wissenschaftlichen Dienstes in den Wind schlagen. Doch so oder so sind die beiden Minister mit zwei Kernzielen bereits gescheitert. Zum einen wollten sie die Haschszene legalisieren. Das tun sie zwar, aber zu einem hohen Preis: Wer kein staatlich verfolgter Kiffer sein will, muss sich zum staatlich registrierten Kiffer machen. Ob das in der Szene gut ankommt, sei dahingestellt.

Außerdem wollten Lauterbach und Özdemir die Justiz entlasten. Deren Apparat sollte nicht mehr gezwungen sein, sich in Bewegung zu setzen, nur weil in Kreuzberg ein Philosophie-Student im 27. Semester sich den Nietzsche aus dem Kopf bläst. Doch statt weniger Staat produzieren die beiden ungleich mehr Staat: Der müsste registrieren, erlauben und kontrollieren, wer wann was warum anbaut. Entweder gibt die Justiz im Ergebnis dann komplett auf und schafft einen rechtsfreien Raum – oder sie wird noch deutlich stärker überlastet, als sie es jetzt ohnehin schon ist.

Mit der Legalisierung von Cannabis ist es wie mit allem, was Lauterbach anfasst: Es bekommt tolle Presse – funktioniert aber nicht. CSU-Arzt Pilsinger gibt daher eine skeptische Prognose ab: „Lauterbachs Cannabis-Modellregionen sind für mich daher schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Auch mit Blick auf den Jugend- und Gesundheitsschutz fordere ich: Gebt das Hanf nicht frei!“

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