Tichys Einblick
Grundrechtseinschränkungen durch Behörden

Ärger für Lauterbach: Länder drängen auf die Rückkehr zum alten Genesenenstatus

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags sieht in der Verkürzung des Genesenenstatus „verfassungsrechtliche Maßstäbe“ berührt. Jetzt steigen Lauterbach die Gesundheitsminister aller 16 Bundesländer aufs Dach.

IMAGO/Chris Emil Janßen

Die Verkürzung des Genesenenstatus auf 3 Monate sowie die Herabstufung von Johnson&Johnson-Geimpften könnten ein Nachspiel haben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Bundestag und Bundesrat überzeugt, das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) dazu zu ermächtigen, die Definition von Genesenen- und Geimpftenstatus auf die Webseite beider Institute zu verlegen.

Es kann damit festlegen, wie viele und welche Impfungen einen Impfstatus begründen oder wie viele Monate jemand als genesen gilt. Möglich macht das eine kleine Änderung. Zuvor fand sich die Angabe der Genesenen-Dauer in der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung. In dieser steht jetzt nur noch ein Verweis auf die Seite des RKI.

Wissenschaftlicher Dienst kritisiert: Regelung besitze „hohe Grundrechtsrelevanz“

Die vordergründige Entschlackung bot nunmehr die Möglichkeit, innerhalb weniger Stunden die Rechte von Millionen Bundesbürgern auszuhebeln. Die Aktion sorgte daher in Medien und Politik für heftige Kritik. Lauterbach wollte nach der Empörung nicht für das Chaos verantwortlich sein, nahm aber zugleich RKI-Chef Lothar Wieler in Schutz vor Angriffen. Doch nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (WD) wird es jetzt für beide eng.

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Lauterbach im Reich der Widersprüche
Dort heißt es, dass eine solche Regelung „hohe Grundrechtsrelevanz“ besitze. Die „Regelung des Immunitätsnachweises“ bilde demnach die „Grundlage für die Frage, ob die Grundrechte der betroffenen Person durch die Corona-Maßnahmen beschränkt werden dürfen oder ob aufgrund der Immunisierung eine Ausnahmeregelung gelten kann“. Eine Bestimmung des Genesenenstatus durch ein Institut statt durch den Bundestag sieht der WD daher „kritisch“. Es sei nicht ersichtlich, warum eine Behörde statt des Parlaments diesen Sachverhalt regele. Es gebe daher große Zweifel, ob dies „verfassungsrechtlichen Maßstäben“ genüge.
Bayern konstatiert „enorme Verunsicherung und Verärgerung“ unter Betroffenen

Gegenüber der BILD-Zeitung bestätigte der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner die Kritik des Gutachtens. Es arbeite „die Verfassungswidrigkeit der Regelung über den Genesenenstatus präzise und zutreffend heraus“, eine solche Entscheidung dürfe nicht über eine bloße Internetverweisung dem RKI überlassen werden. Der CDU-Gesundheitsexperte Erwin Rüddel forderte das Parlament dazu auf, „zügig seine Entscheidungshoheiten zurückholen“, ähnliche Stimmen wurden aus den Fraktionen der AfD und der Linkspartei laut.

Doch nicht nur im Parlament hat das Gutachten für Aufsehen gesorgt. Nach Angaben der Welt haben bei einer Schalte der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am 22. Januar alle 16 Länder Lauterbach aufgefordert, die Verordnungsänderung rückgängig zu machen, und RKI und PEI wieder zu entmachten. Bayern hat bereits einen Antrag in der GMK vorgelegt, den Genesenenstatus wieder auf 6 Monate zu verlängern. Das Bundesland begründet dies mit „massiven Auswirkungen“ für die betroffenen Personen und der „enormen Verunsicherung und Verärgerung“, die mit dem verkürzten Genesenen-Status eingetreten wären. Zudem verweist es auf EU-Regelungen. Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich bereits in der letzten Woche für eine Rückkehr zur Sechs-Monate-Regel ausgesprochen.

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