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Coronaminister

Briefe zur Impfung: Lauterbach nötigt Kassen, 50 Millionen Euro rauszuhauen

Über 100 Millionen Euro hat das Gesundheitsministerium schon selbst ausgegeben, um für Impfungen zu werben. Nun hat Karl Lauterbach (SPD) auch noch die Kassen genötigt, weitere 50 Millionen Euro rauszuhauen.

IMAGO/NurPhoto

In Sachen Pandemie hat sich einiges verändert, seit Karl Lauterbach (SPD) Gesundheitsminister ist. So ist der breite Konsens verschwunden, den es noch unter seinem Vorgänger Jens Spahn (CDU) gegeben hat – von Die Linke hin bis zur CSU. Doch zumindest die Opposition folgt dem Minister nun nicht mehr auf dessen eigenwilligen Wegen. Stephan Pilsinger (CSU) hat zum Beispiel schon mehrfach Lauterbach durch Anfragen in Verlegenheit gebracht. Etwa zu den Impfdosen, die das Gesundheitsministerium millionenfach hat wegwerfen lassen müssen, weil Lauterbach zu viel bestellt hat.

Pilsinger ist gesundheitspolitischer Sprecher der CSU im Bundestag. Und hat wieder zugeschlagen. Pilsinger wollte erst in der Fragestunde wissen, wie viele Briefe an Bürger gegangen sind, um für Impfungen zu werben. Warum? Und wie viel das wen gekostet hat. Im Bundestag nuschelte und näselte sich Lauterbach an einer klaren Antwort vorbei – also legte Pilsinger schriftlich nach. Die Antwort des Gesundheitsministeriums liegt TE vor.

Kampf um die Pandemie
Karl Lauterbach unterwegs mit nächster Impfkampagne
Demnach gingen die Briefe an alle Deutsche über 60 Jahre. Die Briefe sollten sie von den „Möglichkeiten und dem medizinischen Nutzen einer zweiten Auffrischimpfung“ überzeugen. Für Kunden von Biontech und Moderna bedeutet „zweite Auffrischimpfung“ die vierte Impfung in weniger als zwei Jahren. Etwas über 25 Millionen Briefe seien versandt worden. Die Kosten seien nicht einheitlich und lägen bei einem bis zwei Euro pro Brief, sodass die Aktion mindestens zwischen 25 und 50 Millionen Euro gekostet hat – wobei aber der Verwaltungsaufwand für die Kassen nicht berücksichtigt ist.

Warum wurden die Briefe versandt? Der Versand „erfolgte eigenverantwortlich durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie die privaten Krankenversicherungsunternehmen“, schreibt das Ministerium. „Mit dem Versand der Briefe kommen die gesetzlichen Krankenkassen einer Bitte des Bundesgesundheitsministeriums nach“, antworten die Kassen auf eine Anfrage von TE. Der Dachverband GKV legt nach: „Wir kritisieren allerdings, dass die Krankenkassen diese Versandaktion aus Beitragsgeldern finanzieren müssen.“ Da es sich um eine Maßnahme im Rahmen der Pandemiebekämpfung handele, wäre es angemessen gewesen, die Aktion aus Steuern zu bezahlen. Das habe Lauterbachs Ministerium jedoch abgelehnt. Die vom Ministerium angegebenen Kosten bestätigt der Dachverband. Allerdings sei die Schätzung „grob“.

CSU-Mann Pilsinger kritisiert die Aktion: „An die 50 Millionen Euro für sinnlose Impf-Appelle des Bundesgesundheitsministers herauszuschmeißen, halte ich in Zeiten knapper Kassen für unverantwortlich.“ Derzeit erwirtschaften die Kassen ein Defizit von 17 Milliarden Euro. Deshalb erhöhen sie zum Jahreswechsel die Beiträge. Doch da Lauterbach bisher keine tiefgreifende Reform vorgelegt habe, seien weitere Beitragssatzerhöhungen im übernächsten Jahr unvermeidlich, berichten der GKV als Verband sowie einzelne Kassen.

Gesundheitsministerium korrigiert Minister
Lauterbachs Anzeigenkampagne kostet deutlich mehr als mitgeteilt
Die Briefe zur Impfung werden keinen Effekt haben, vermutet Pilsinger: „Wer sich bis jetzt nicht hat impfen lassen, wird es durch einen vermeintlich persönlichen Brief von Professor Doktor Karl Lauterbach auch nicht tun.“ Ein online versandter Appell oder ein Newsletter hätten den gleichen Effekt erzielt – „aber deutlich weniger Kosten nach sich gezogen“. Es sei „einfach absurd“, dass die Kassen derzeit dramatisch Geld einsparen müssten und „sie auf der anderen Seite das Geld der Versicherten auf diese Weise raushauen“.

Nun trifft ein Vorwurf nicht zu: Lauterbach zwingt nicht die Kassen, für Impfwerbung zu zahlen, um Steuern zu sparen. Er zwingt die Kassen, für Impfwerbung zu zahlen, und haut obendrein noch Steuern raus. 80 Millionen Euro kostet die Kampagne „Ich schütze mich…“, wie eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Thomas Dietz ergeben hat. Als diese Kampagne startete, liefen die Radiospots zur Kampagne „Fakten-Booster“ noch, die nach einer Recherche der Welt 27 Millionen Euro gekostet hat.

In einer denkwürdigen Pressekonferenz hatte Lauterbach behauptet, „Ich schütze mich…“ koste weniger als 33 Millionen Euro: 80 Millionen oder 33 Millionen Euro; 4,6 Millionen Impfdosen zu viel gekauft, die weggeworfen werden müssen – kann ja alles mal passieren. Wer das Geld so schnell ausgibt wie der Mann aus Leverkusen, verliert schon mal den Überblick. Zu seinem Glück ist es ja nicht sein Geld.

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