Tichys Einblick
Landtagswahl Schleswig-Holstein:

Hoch „Langeweile“ im Norden

Die CDU gewinnt sensationell in Schleswig-Holstein, die SPD verliert krachend. AfD fliegt aus dem Landtag und DIE LINKE ist dabei, zur unbedeutenden Splittergruppe abzuschmelzen; auch die FDP verliert.

IMAGO / penofoto

Es gibt zwei klare Sieger bei der Landtagswahl: die CDU mit über 40 Prozent, das ist auch der Sieg ihres Spitzenkandidaten Daniel Günther. Es ist ein Hoch für Langeweile; denn Daniel Günther ist eine eher sperrige Figur, ein staubtrockener Redner ohne Charisma und politische Phantasie. Er galt lange als Schleppenträger von Angela Merkel; das hat ihm also nicht geschadet. Vermutlich hat er sich rechtzeitig distanziert; wofür er steht, bleibt ohnehin unklar. Vielleicht ist er der Richtige in einer Zeit, die angstgeschüttelt ist: bloß keine Experimente. Der Slogan von Konrad Adenauer aus dem Jahre 1957 hat einmal mehr die CDU zum Sieg geführt. Dazu kommt: Der Bundestrend für die CDU liegt bei mageren 26 Prozent für die CDU; davon hebt er sich gewaltig ab. Günther ist die personifizierte Merkel-Nachfolge mit dem Versprechen, dass alles bleibt, wie es ist. Für CDU-Chef Friedrich Merz ist es ein zwiespältiges Ergebnis: Günther und seine Schulministerin Prien repräsentieren den linken Rand der CDU. Mit diesen Personen ist keine Reform machbar; beide sind erklärte Merz-Feinde. Seine Rolle ist geschwächt, kaum dass er den Zuschlag als Parteichef erhalten hat. Der Sieg ist ein vergiftetes Geschenk für ihn.

SPD bricht ein, FDP verliert deutlich
Landtagswahl: Ampel-Klatsche in Schleswig-Holstein
Wo es einen großen Sieger gibt, gibt es auch viele Verlierer, denn Wahlen sind Nullsummen-Spiele: Was der eine gewinnt, verliert der andere. Und weil die CDU viel gewinnt, verliert die SPD massiv: zweistellige Verluste sind schon erklärungsbedürftig.

Verlierer ist auch die AfD, die diesmal den Einzug in den Landtag nicht schafft – ebensowenig wie die Partei DIE LINKE, die nur magere zwei Prozent holen kann; nur halb so viel wie die AfD. Die AfD fliegt also erstmals aus einem Landtag wieder hinaus. Das Hufeisen verliert, die Bürger rücken in die linke Mitte, die Günther repräsentiert. Die AfD hatte, wie es bei ihr üblich ist, mehr lokalen Krach vorzuweisen als eine klare Strategie. Sie versucht derzeit, große Themen für sich zu besetzen: So lehnt sie die Unterstützung der Ukraine entschieden ab und versucht, wie auch DIE LINKE, die Atomangst zum Argument in der Wahlkabine zu stilisieren. Für beide Parteien hat sich das nicht ausgezahlt – jenseits der Landespolitik. DIE LINKE läuft jetzt in der Rubrik „Andere“. Sie verdampft aus der Politik.

Das Wahlergebnis ist eine Katastrophe für die SPD, die lange und mit wechselnden Personen das Land regieren konnte. Bundeskanzler Olaf Scholz ist jedenfalls kein Bringer für die SPD. Natürlich liegt es auch am schwachen Kandidaten vor Ort.

Aber üblicherweise kann dieses Defizit von einem Kanzler ausgeglichen werden. Nicht in Kiel. Jetzt rächt sich der unklare Kurs der SPD-geführten Bundesregierung in der Ukraine. Dem klaren Kurs der Grünen, die Waffen unbedingt liefern wollen, hat die SPD mit ihrem Hin- und Zurück, erst Nein und dann Ja, aber das auch doch nicht richtig, nichts entgegenzusetzen.

Auch die FDP schreibt an Stimmen zurück. In der Ampel verliert sie an Profil. Wofür braucht man die FDP? Mit Wolfgang Kubicki war sie populär; jetzt ist ihr Kurs irgendwie unklar. Wozu braucht man sie? Diese Frage wird nicht beantwortet.

Wirtschaftswunder und Zuwanderung
Hendrik Wüst und eine weit verbreitete Legende
Dafür legen die Grünen zu. Möglicherweise lösen sie die SPD als zweitstärkste Partei ab. Sie rücken damit immer mehr in die Rolle als dritte große Partei hinein; da hilft natürlich, dass Robert Habeck aus dem Norden kommt. Sofort wird das hohe Lied der Windenergie als Waffe gegen Putin angestimmt. Dass der Wind Deutschland nicht retten kann – was soll’s. Die Grünen leben von der Hoffnung, nicht von Fakten.

Jetzt will Habeck noch mehr und noch schneller Windräder bauen lassen: In Zeiten der Not ist die Vernichtung von Natur kein Thema. Dass Schleswig-Holstein seine Küsten längst so verspargelt hat, dass Urlaub dort nur noch für Anhänger lärmender Großindustrie angeraten ist: Auch das zählt nicht. Habeck will Putin „nicht länger den Popo tätscheln“: Dass Windenergie die Abhängigkeit von Gas erst geschaffen hat, weil der Wind nur gelegentlich pfeift – diese Tatsache geht unter im Jubel. Und bekanntlich halten sich die Grünen ja auch die Renaissance von Kohle – und vielleicht sogar Atom offen.

Für die Ampel ist es insgesamt eine Niederlage, denn die Grünen machen nicht wett, was SPD und FDP verlieren. 6 Prozent erhält die Partei der dänischen Minderheit SSW; das beste Ergebnis seit 1946. SSW ist eine Verlegenheitspartei; sie wird gewählt auch von denen, die den großen Parteien nicht trauen.

Jetzt kann es eine schwarz-grüne Koalition von CDU und Grünen geben. Aber es reicht auch für eine Koalition mit der FDP, notfalls vielleicht sogar mit der Dänen-Partei. Das verschafft Günther und der CDU eine starke Verhandlungsposition: Sie kann sich aussuchen, mit wem sie ihr Hoch „Langeweile“ auslebt.

Und jetzt wird das Ergebnis instrumentalisiert für die Wahl kommende Woche. Denn Nordrhein-Westfalen mit 18 Millionen Einwohnern ist das Schwergewicht unter den Bundesländern.

Ist das also ein Trend? Der Trend hin zur CDU? Wohl eher nicht. Amtsinhaber haben immer einen Bonus beim vorsichtigen Wähler. In NRW wurde Hendrik Wüst zum Erbe von Armin Laschet bestimmt, der Berlin erobern wollte und krachend gescheitert ist. Wüst hat einen Wackelkurs hinter sich, und keinerlei Profil erworben, außer dahingehend, dass er die Lockdown-Politik von Karl Lauterbach fortsetzen will.

Trotzdem will die CDU aus dem lokalen Ergebnis einen Trend basteln. Das ist riskant. Der Sieg der SPD im Saarland zeigt: Was an einem Ort funktioniert, klappt andernorts nicht. Und daher bleibt die Wahl in NRW offen und von Schleswig-Holstein unbeeinflusst.


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Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (15.05.2022) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 16.05.2022, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

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