Tichys Einblick
Minister / Influencer

Karl Lauterbach wirbt nach eigener Infektion massiv für Medikament Paxlovid

Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist mit Corona infiziert und nutzt das, um für das Pfizer-Medikament Paxlovid zu werben. Von dem hat er eine Million Dosen gekauft. Den Impfstatus erklärt er derweil zur Privatsache – seinen eigenen Impfstatus.

IMAGO/NurPhoto, Independent Photo Intel / Collage: TE

Karl Lauterbach (SPD) hat die Gegenoffensive gestartet. An Ostern. Als er die Angst vor der „Absoluten Killervariante“ in die Welt setzte. Davor hatte er im Bundestag seine bisher größte Niederlage als Gesundheitsminister erlebt: das Nein zur allgemeinen Impfpflicht. Auch weil ihm der Krieg in der Ukraine seine Stammplätze bei Anne Will, Markus Lanz und Sandra Maischberger geraubt hatte. Mit ihnen hatte er auch die öffentliche Aufmerksamkeit verloren. Wer von Panik lebt, lebt auch von Aufmerksamkeit.

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Im Juni hatte Lauterbach seine Stammplätze bei Maischberger und Co zurückerobert. Die Deutschen waren des Kriegs am Don müde und widmeten sich wieder der Angst vor dem Virus sowie dem Zeremonienmeister dieser Angst. Der Minister aus Leverkusen nutzte bei Maischberger die zurückgewonnene Aufmerksamkeit, um für ein Medikament zu werben: Paxlovid, das von Pfizer vertrieben wird. Damit hätten sich viele Tote vermeiden lassen. Unter vielen Toten macht es Lauterbach auch nicht.

Nach der Talkshow meldeten sich viele Experten zu Wort und relativierten die Aussagen des Ministers: „Diese Vorstellung mag zwar verführerisch sein, entspricht aber nicht den Fakten“, sagte der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. Zwar gebe es erfreuliche Fortschritte in der Behandlung. Aber es sei nicht so, dass Ärzte nur Medikamente verschreiben müssten und alles werde gut – so wie es Lauterbach bei Maischberger gesagt habe. Eine im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie sagt, dass die Wirkung deutlich schwächer sei als erwartet. Das gelte vor allem für gesundheitlich nicht vorbelastete Menschen. Nur schwere Verläufe ließen sich damit brechen.

Entgegen dieser Einschätzung der Wissenschaft inszeniert Lauterbach nun seinen Reklame-Feldzug für Paxlovid. Er sei zwar bereits viermal geimpft, ließ Lauterbach seine Angst-Gläubigen auf Twitter wissen. Aber er nehme nun auch Paxlovid. Obwohl er selbst von einem milden Verlauf bei sich berichtete und auch, obwohl er als Gesundheitsfanatiker gilt, der sich auf privaten Feiern sogar das Salz vom Essen kratzen lässt. Was sind die Motive hinter Lauterbachs neuem Reklame-Feldzug?

Bereits nach der Maischberger-Sendung stellte TE Fragen an das Gesundheitsministerium zu Paxlovid. Darauf teilte Lauterbachs Haus mit, dass es im Februar eine Million Einheiten des Mittels bestellt habe. Das werde von Pfizer übers Jahr verteilt ausgeliefert. Bis Ende Mai seien 350.000 Einheiten in den Großhandel gegangen, aber laut Ministerium gerade mal 17.200 Einheiten abgerufen worden. Paxlovid ist verschreibungspflichtig. Das heißt: Von der bis dahin gelieferten Menge waren im Juni gerade mal knapp 5 Prozent abgerufen worden – von der bestellten Menge waren es entsprechend nur 1,7 Prozent.

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Die Anwendung von Paxlovid sei „nicht ganz trivial“, wie Lauterbachs Haus TE mitteilte. Es müsse „in sehr begrenztem Zeitraum nach der Infektion verabreicht werden“. Dann könne es zudem sein, dass es „in Kombination mit zahlreichen anderen Medikamenten nicht den gewünschten Effekt haben kann“. Ohnehin sei es nur für volljährige Menschen gedacht, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Das Ministerium habe den Expertenrat der Bundesregierung gebeten, ein Behandlungskonzept zu entwickeln. „Dies bleibt zunächst abzuwarten“, hieß es Ende Juni aus Lauterbachs Ministerium.

Die vom Ministerium beschriebenen Auflagen passen nun nicht zu dem Lobbyisten und Politiker, der als Arzt seine Approbation erst erhalten hat, nachdem die Politik die Pflicht gestrichen hat, eine 18 Monate dauernde Pflichtzeit als Arzt im Praktikum nachzuweisen – und der nun trotz leichtem Verlauf zu Paxlovid gegriffen haben will. Zumal sich Karl Lauterbach ohnehin von der Wissenschaft verabschiedet. Die Ständige Impfkommission hat er aufgefordert, erneute Impfempfehlungen für Menschen unter 60 Jahren auszusprechen. Der Politiker gibt also Wissenschaftlern vor, was sie zu sagen haben, damit er danach behaupten kann, er mache nur, was die Wissenschaft vorgibt.

Doch aus eben dieser Wissenschaft mehren sich die Stimmen, die sich weigern, Lauterbachs Lieder zu singen: etwa wenn es um den Impfdruck geht. Im „Infektionsschutzgesetz“ hat sich Lauterbach mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf eine allgemeine Maskenpflicht geeinigt, die sogar draußen gelten soll. Davon befreit wird allerdings, wer sich alle 90 Tage freispritzen lässt. „Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass sich jeder alle drei Monate impfen lassen sollte“, sagte Professor Carsten Watzl der Bild. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie sprach sich gegen die vierte Impfung bei Menschen unter 70 Jahren aus.

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Professor Andreas Radbruch warnt in der Bild vor Lauterbachs Impfkurs: Die vierte Impfung sei eher schädlich. Nach der dritten Impfung säßen die Antikörper nicht mehr auf den Schleimhäuten, sondern im Blut. Dort könnten sie die Infektion aber nicht verhindern. Radbruch ist der Vizepräsident der Europäischen Föderation der Immunologischen Fachgesellschaften. Es sind also keine TV-Gesichter, die da Lauterbach widersprechen – sondern hochrangige Vertreter der Wissenschaft.

Wobei sich Lauterbach auch immer offensichtlicher selbst widerspricht. Medien hatten angefragt, wie lange Lauterbachs vierte Impfung her sei. Das sei kein Thema der öffentlichen Berichterstattung, ließ der Minister die Anfragen abwimmeln. Er bezieht sich also auf das Recht der Privatsphäre. Aber genau dieses Recht auf Privatsphäre spricht der Sozialdemokrat den 83 Millionen anderen Deutschen ab. Kommt das Gesetz von Lauterbach und Buschmann, werden Verkäufer zum Wächter des Impfstatus ihrer Kunden. Genauso wie Wirte, Kellner, Türsteher, Platzanweiser oder Verwaltungsmitarbeiter im Krankenhaus.

Lauterbach selbst hat öffentlich verneint, dass Impfen Privatsache sei. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einer Rede behauptet, dass es keine private Entscheidung sei, ob man sich die Nadel setzen lässt. Als es um den Impfstatus des Fußballers Joshua Kimmich ging, warf sich Lauterbach voller Freude an Belehrung in die öffentliche Debatte. Nun sei aber ausgerechnet sein Impfstatus privat. Es fällt immer schwerer, Lauterbach zu verstehen. Man muss ihm folgen – wenn man das denn will.

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