Tichys Einblick
Noch ein Staatsversagen

Illegale Einwanderung: Mutmaßlich bestechliche Konsulatsmitarbeiter und ihre Helfer in Deutschland

Interviews eines Hamburger Magazins mit mehreren mit unrechtmäßig erteilten Visa eingereisten Zuwanderern, Unterlagen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie weitere interne Dokumente der Behörden „zeichnen das Bild eines Netzwerks professionell agierender Schleuser, mutmaßlich bestechlicher Konsulatsmitarbeiter und einiger Helfer in Deutschland.“

Nechirvan Barzani (L), the prime minister of the Kurdish regional government, shakes hands with Frank-Walter Steinmeier, Germany's foreign minister, following the unveiling of a plaque of the new German Consulate in the northern city of Arbil, 350 kms from the Iraqi capital Baghdad on February 18, 2009. Steinmeier is on an official visit to Iraq, the first by a German diplomat in two decades.

SAFIN HAMED/AFP/Getty Images

Die Visa-Affäre bzw. der „Fischer-Erlass“ (nach dem damaligen Außenminister Joschka Fischer) genannte planmäßige Missbrauch bei der Vergabe von Visa in deutsche Botschaften und Konsulaten unter der rot-grünen Bundesregierung ist auch deshalb noch eineinhalb Jahrzehnte später so gut in Erinnerung, weil diese „unbürokratische” Verteilung von Visa aus der heutigen Perspektive der Massenzuwanderung ab 2015 als so etwas wie eine kleine Generalprobe der Zumutbarkeiten verstanden werden kann: Wie weit treiben es die Behörden des Staates mittlerweile, wenn es darum geht, den Zuzug von Personen aus den außereuropäischen Ausland zu beschleunigen?

Damals hatte das Auswärtige Amt unter Fischer versucht, eine neue Lesart des Rechts zu implantieren, als unter anderem in einem Erlass formuliert wurde: „in dubio pro libertate – im Zweifel für die (Reise-)freiheit.“ Das Ergebnis war eine zehntausendfache Erschleichung von Visa zwischen 1999 und 2002.

Der Erlass wurde erst Oktober 2004 von der rot-grünen Koalition selbst zurückgenommen. Kein Jahr später kam es zu vorzeitigen Neuwahlen und einem Regierungswechsel. Die Ära Merkel begann. Und an ihrem erwartbaren Ende steht nun erneut ein Skandal rund um die Vergabe von Visa, der das Potenzial hat, die Visa-Affäre der 2000er Jahre noch einmal in den Schatten zu stellen.

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Gestand Joschka Fischer noch ein, dass mindestens zwei Erlasse seines Ministeriums den Missbrauch der Visumbestimmungen erleichtert hätten (übrigens ohne dass er damals einen Grund sah, zurückzutreten), ist der Skandal unter den Nachfolgern Fischers im Amt, unter Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und aktuell Heiko Maas noch einmal um ein Vielfaches größer. Dann, wenn stimmt, was nun öffentlich geworden ist. Wenn dass das deutsche Generalkonsulat in Erbil Handel mit den begehrten Visa betreibt und das Auswärtige Amt oder die Bundesregierung es bisher nicht für nötig erachtet haben trotz früher Kenntnisnahme die Öffentlichkeit zu informieren.

Der Spiegel will erfahren haben, dass eine Vielzahl von Zuwanderern bei ihren Asyl-Anhörungen geschildert hätten, dass sie ihre Visa in deutschen Konsulaten bezahlt hätten. Um was zu ereichen? Gar eine Rückerstattung der bis zu fünfstelligen Summen? »So beschrieb etwa der Syrer Dlbrien S., dass ein Schleuser, der sich „Kaka“ nannte, ihm im Generalkonsulat von Erbil ein deutsches Visum organisiert habe.«

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Vom Gespräch mit ihrem Mittelsmann bzw. Schleuser, vom Antrag bis zur Abholung der Visa-Papiere im Deutschen Konsulat in Erbil soll es nur zwei Wochen gedauert haben. Das Magazin befindet: „In der deutschen Auslandsvertretung in Erbil lief es über Monate offenbar wie geschmiert.“ Zwei Dutzend Fälle sollen belegt sein, aber laut Angaben des Magazins „deutet einiges darauf hin, dass es noch weitaus mehr Fälle geben könnte.“ Nur in Erbil? Oder stehen bereits weitere Konsulate und Botschaften unter Verdacht? Informationen darüber sind aus dem zuständigen Auswärtigen Amt schwer zu bekommen, denn „eine konsequente Aufklärung der Missstände geschah bislang aber wohl nicht.“ Warum nicht?

Ein Fahnder gibt auf Nachfrage des Spiegel zu bedenken, das es „kulturelle Unterschiede“ gäbe: „In einigen Ländern gibt es andere Gepflogenheiten“. Gefälligkeiten gegen Geld seien oft weit verbreitet. „Da könnten sie Flugblätter über dem ganzen Land abwerfen, daran wird sich wenig ändern.“ Soll man nun daraus schließen müssen, dass die Botschaften und Konsulate im Nahen Osten von Botschaftern und Konsuln betrieben werden, die nicht in der Lage oder Willens sind oder nicht Willens sein sollen, ihr Personal soweit zu kontrollieren, dass die erteilten Visa nach zweifelfreier Dokumenten- und Gesetzeslage ausgestellt werden? Wer unterschreibt diese Dokumente final, wenn nicht die verantwortlichen Botschafter und Konsuln?

Eine Frage, die der Spiegel nicht stellt, muss dennoch erlaubt sein: In wie weit mag die Praxis der Fischer-Erlasse diesen Zustand befördert haben? Damals, als eine Reihe von Botschaftern und Konsuln die Anweisung aus Deutschland bekamen, es mit der Vergabe nicht mehr so genau zu nehmen? Wie weit ist es von hier bis hin zur Korruption? Von der Sch….egalhaltung ganz oben bis hin zur persönlichen Bereicherung vor Ort?

Der Spiegel jedenfalls fällt ein eindeutiges Urteil, wenn er so etwas, wie ein Netzwerk des planmäßigen Visa-Betrugs beschreibt: „Interviews (…) mit mehreren auf diese Weise eingereisten Flüchtlinge, Unterlagen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie weitere interne Dokumente der Behörden zeichnen das Bild eines Netzwerks professionell agierender Schleuser, mutmaßlich bestechlicher Konsulatsmitarbeiter und einiger Helfer in Deutschland.“