Tichys Einblick
Umgang mit grünem Clan

Keine Sonderregeln für Graichens Schwager im Habeck-Ministerium

Nach der Demission Patrick Graichens bleibt dessen Schwager Michael Kellner Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Sonderregeln gibt es für ihn nicht – und hat es nie gegeben.

MAGO / Frank Ossenbrink

Wie sehr ist das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck daran interessiert, den Eindruck zu vermeiden, ein grüner Clan treibe dort sein Unwesen? Gar nicht, wenn man sich eine CDU-Anfrage ansieht. Dass die Öffentlichkeit Wind von der Agora-Affäre bekam, lag am Verwandtschaftsnetzwerk des Graichen-Clans; namentlich Patrick Graichen als Staatssekretär, dessen Geschwister Verena und Jakob beim Öko-Institut, sowie Michael Kellner als Ehemann von Verena und damit Schwager Patrick Graichens als Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

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Nach der Demission Graichens stellt sich zu Recht die Frage: wie mit Kellner umgehen? Die CDU hakt in ihrer Kleinen Anfrage nach, ob es gesonderte Compliance-Regeln gegeben hätte, nachdem diese Konstellation bekannt war. Antwort der Bundesregierung:

„Der Bundestagsabgeordnete Michael Kellner unterstützt als Parlamentarischer Staatssekretär Bundesminister Dr. Robert Habeck bei seinen Regierungsaufgaben. Er ist nicht Teil der Ministerialverwaltung und trifft keine Verwaltungsentscheidungen. Das gilt auch für Vergabeverfahren. Deshalb besteht kein Anlass für entsprechende Maßnahmen.“

Technisch stimmt das: Als Bundestagsabgeordneter ist Kellner kein Teil der Exekutive, sondern der Legislative. Er trifft auch keine Entscheidungen innerhalb des Hauses. Doch das Ministerium macht es sich damit einfach. Denn von 118 grünen Abgeordneten im Bundestag wird ausgerechnet einer Parlamentarischer Staatssekretär in genau jenem Ministerium, wo bezeichnenderweise sein Schwager verbeamteter Staatssekretär ist. Für die Öffentlichkeit stellt sich durchaus die Frage, ob das mit rechten Dingen zugeht – und ob die Berufung Kellners in dieses Amt nicht ein schiefes Licht auf die Arbeit des Ministeriums wirft.

Denn das Ministerium sagt es selbst: Der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner arbeitet in nächster Nähe des Ministers. Ähnlich wie früher Patrick Graichen. Ist ein Ministerium ein Hofstaat mit Clans, denen Habeck als Patriarch vorsteht, und wo Entscheidungen im Einvernehmen mit einer Familie getroffen werden? Offenbar will oder kann die Bundesregierung nicht die Problematik erkennen, dass solche Verbindungen nicht den Ansprüchen von Kontrolle und öffentlicher Arbeit genügt. Der Graichen-Clan war von Anfang an geduldet.

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Dass das Ministerium seine schützende Hand über Kellner hält, hat noch einen Grund: Als Wahlkampfmanager der Grünen gilt sein Posten als Belohnung. Das Grundgehalt eines Parlamentarischen Staatssekretärs beträgt rund 11.000 Euro – Zuschläge und Aufwandsentschädigungen nicht einberechnet (Ortszuschlag: rund 1.000 Euro, Abgeordnetenentschädigung: rund 5.100 Euro; Aufwandspauschale: rund 3.400 Euro). Veteranen erhalten Orden, verdiente Parteimitglieder lukrative Ämter.

Die Antwort des Ministeriums lautet nicht nur, dass die Personalie Kellner kein Problem ist; sie lautet auch, dass Kellner nie ein Problem war. Auf die Nachfrage der Union, warum man zu Beginn der neuen Legislaturperiode nicht die Compliance-Regeln geändert hat, antwortet das Wirtschaftsministerium:

„Es bestand kein Anlass oder die Notwendigkeit, zu Beginn der Legislaturperiode die bestehenden Regeln der Vorgängerregierung zu überprüfen, zumal sich diese maßgeblich aus dem einheitlichen Regelwerk ergeben, das für die gesamte Bundesregierung gilt.“

Der neue Staatssekretär ist Direktor eines Think-Tank, dessen Gründer bereits Staatssekretär im selben Ministerium war? Kein Problem. Sein Institut ist mit der Hälfte der Bundesministerien verbandelt? Kein Problem. Seine Schwester arbeitet bei gleich zwei NGOs, die öffentliche Gelder erhalten? Kein Problem. Sein Schwager arbeitet wie er in Ministernähe? Kein Problem.

Im „Familienministerium“ von Robert Habeck sah man nie einen Anlass, dass diese Konstellationen irgendwann problematisch hätten sein können. Das einzige Problem war, dass die Sache aufflog. Und nun weiter im Geschäft.

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