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Fußball-Bundesliga: Die Pleite könnte trotz Geisterspielen noch kommen

Die Ära der Geisterspiele in der Fußball-Bundesliga beginnt am 16. Mai. Mit dieser ungewollten Realität kann sich des Deutschen liebster Sport vor dem Aus retten - vorerst. Denn ein Ende der Pandemie ist noch lange nicht in Sicht.

imago Images

Nach 66 Tagen Zwangspause werden die 36 Clubs der ersten und zweiten Bundesliga ihre Geisterspiel-Tortur wieder beginnen. Leere Ränge, Quarantäne, unzählige Coronatests und Disziplin aller Beteiligten werden bis Ende Juni dafür sorgen, dass der Profifußball in Deutschland nicht vor die Wand fährt. Vorerst ist des Deutschen liebsten Kind gerettet. Als erste Profiliga weltweit wird der Betrieb wieder aufgenommen. Das medizinische Konzept hat die Politik und die Gesundheitsämter überzeugt und dient auch als Blaupause für alle anderen Wirtschaftsbranchen in Deutschland und die anderen großen Profiligen in England, Spanien oder Italien. Die Bundesliga verzichtet ganz auf Staatshilfen, finanziert die zahlreichen Tests, Überwachungen und Organisation aus der eigenen Tasche und rettet mit diesen akuten Maßnahmen mindestens 13 der 36 Clubs vor der Insolvenz. Denn mit der letzten Instanz “Geisterspiele” ist garantiert, dass die letzte von vier Raten aus dem Fernsehvertrag für diese Saison noch zur Auszahlung kommt. Die Rede ist von knapp 225 Millionen Euro.

Nur kurzfristige Gedankengänge bis Ende der Saison

So weit so gut. Es werden nach Beendigung der Saison die Antworten fehlen, wie es im schlimmsten Fall der Fälle weitergehen wird. Geisterspiele bis Ende des Jahres, Geisterspiele für die kommenden Jahre? Bis Ende der Spielzeit 2020/21 werden nochmals knapp 1,3 Milliarden Euro aus dem bestehenden TV-Vertrag an die Vereine ausgeschüttet. Große Teile dieser Gelder sind bei zahlreichen Clubs schon jetzt fest verplant in Spielergehälter, Schuldentilgungen oder Transfers. Doch ein weiteres Bangen und Hoffen auf die tatsächliche Überweisung der TV-Gelder, wie nun im Mai nach dem Stopp des Spielbetriebs beispielsweise bei einer zweiten Welle der Pandemie können sich die angeschlagenen Clubs nicht mehr leisten. Schon jetzt müssen sie die Gürtel enger schnallen, schon jetzt müssen sie Spielergehälter nach unten anpassen und ihre Kader verkleinern. Im Sommer laufen mehr als 400 Spielerverträge aus. Die Chancen auf einen Arbeitsplatz sind mit Corona gesunken.

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Obwohl die Medienpartner weiterhin auf die Übertragung der Geisterspiele nicht verzichten werden, stehen die Clubs vor anderen schwerwiegenden Problemen. In der Regel starten die Profivereine im Mai jeden Jahres mit dem Saisonkartenverkauf und müssen diesen nun erst einmal aussetzen, denn Planungssicherheit gibt es in Zeiten von Corona nicht. Das trifft vor allem die kleineren Vereine, bei denen der Anteil des Ticketings im Gesamtbudget höher ist als beispielsweise bei den Großclubs aus München, Dortmund, Gelsenkirchen oder Mönchengladbach. Aus dem DFL-Wirtschaftsreport 2020 geht hervor, dass alleine in der Bundesliga 520 Millionen Euro aus dem Ticketverkauf eingenommen werden.

Eine unbekannte Größe bei Fortdauer der Geisterspiele ist auch das Sponsoring, das immerhin im Schnitt 21% des Gesamtbudgets der 36 Clubs ausmacht. Das Sportsponsoring zwischen Club und Unternehmen beinhaltet neben klassischer Bandenwerbung auch Business-Seats, Logen oder sonstige PR-Auftritte bei den Heimspielen. Rund 80% der Werbekunden in der Bundesliga fehlen bei einem “Versammlungsverbot” in den Bundesligastadien und das wirkt sich auch auf die Summen aus, die von den Vereinen oder ihren Vermarktern aufgerufen werden.

Sponsorensuche bereitet Probleme

Der Lock Down hat auch die deutsche Wirtschaft in Schockstarre versetzt – mit entsprechenden Wirkungen ins Sportsponsoring. Jüngstes Beispiel ist der Ausstieg von Volkswagen Nutzfahrzeuge beim Traditionsverein Hannover 96 nach mehr als 13 Jahren. Schon jetzt ist klar, dass zahlreiche Sponsoren ihre zum 30. Juni 2020 auslaufenden Verträge aus finanziellen Gründen nicht verlängern können. Für Clubs und deren Vermarkter brechen harte Zeiten an. Seit Monaten ist Borussia Mönchengladbach auf der Suche nach einem neuen Trikotsponsor, nachdem die Postbank bekanntgegeben hat, dass sie nach dieser Saison aus wirtschaftlichen Gründen das Engagement beenden muss. Das Unternehmen zahlte pro Spielzeit rund 6,5 Millionen Euro. Diese Summe wird den Rheinländern fehlen, denn einen neuen Trikotsponsor haben sie bisher noch nicht gefunden. Die Beispiele für eine bisher erfolglose Suche nach Sponsoringgeldern könnte endlos fortgesetzt werden.

Geisterspiele retten keine 56.000 Arbeitsplätze

TE 06-2020
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Profifußball mit Fans ist auch das Salz in der Suppe für die lokale Wirtschaft. An der Bundesliga hängen etwas 56.000 Arbeitsplätze. Caterer, Gastronomie, Zulieferer, Hotels, Gewerbe oder öffentlicher Verkehr. Mit der Fortsetzung von Geisterspielen würde es auch hier zu keiner Entspannung kommen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, doch ein Ende der Krise ist noch nicht in Sicht. Bundesliga-Fußball vor leeren Rängen rettet einige Vereine kurzfristig vor der Insolvenz, doch sonst hat der Entscheid für die Geisterspiele eigentlich nur Verlierer: Die Fußballfans, die TV-Anstalten, Sponsoren, Vereine und ihre Spieler.

Einzig Christian Seifert ist aus der Krise als Gewinner hervorgegangen. Wie der Geschäftsführer der DFL das Schiff Bundesliga durch die Irrungen und Wirrungen der vergangenen Wochen und Monate gelenkt hat, war vorbildlich. Eloquent, ehrlich und kommunikativ hat er sich als Retter des Milliardengeschäfts entpuppt, aber gleichzeitig den Finger gehoben, dass der Profifußball in Deutschland einen weiteren Crash nicht überleben werde. Der 50-jährige Badener weiß, dass Geisterspiele vorerst nur dafür sorgen werden, dass einige Clubs nicht kollabieren. Er weiß aber auch, dass Geisterspiele in den kommenden Monaten für den nächsten finanziellen Crash sorgen können. Die von ihm ins Leben gerufene Task Force “Zukunft Profifußball” soll es richten. Das Credo: Ohne Starallüren, Überheblichkeit und mit viel Vernunft. Sonst droht die nächste Pleite. Die Ideelle. Und dann hätte das Produkt Bundesliga sein Haltbarkeitsdatum überschritten. Das Opium fürs Volk hätte ausgedient.

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