Tichys Einblick
Flut im Ahrtal

Die Verantwortungslosigkeit der Malu Dreyer und ihres Gefolges

Malu Dreyer und Roger Lewentz (beide SPD) sind in der Nacht der Katastrophe an der Ahr schlafen gegangen. Wertvolle Zeit blieb ungenutzt. Zeit, in der wehrlose Menschen dem Tod überlassen wurden.

IMAGO/phootothek

134 Menschen sind in der Katastrophennacht im Juli 2021 im Ahrtal gestorben. Das Wasser hat eine schwer vorstellbare Schneise der Verwüstung durch die Landschaft gezogen. Die Bewohner haben Furcht und Leid ertragen müssen. In all den grausamen Geschichten, die an der Ahr und ihren Nebenflüssen passiert sind, sticht eine hervor. Die deshalb so grausam ist, weil sie wehrlosen Menschen passiert ist. Menschen, die auf Schutz angewiesen waren zu einer Zeit, als die zuständigen Mitglieder der Landesregierung schliefen.

Die Schönwetter-Regierung
Das Team Dreyer ist mit der Flut im Ahrtal komplett überfordert
Es ist die Geschichte von einer Behinderteneinrichtung der Lebenshilfe in Sinzig. Zwölf Menschen mit geistiger Behinderung lebten in diesem Heim. Die Flut riss es mit sich. Es muss ein besonders grausamer Tod gewesen sein. Die wehrlosen Menschen starben. Alle. Schutzlos. Deshalb schutzlos, weil eine Landesregierung bei weitem nicht alles getan hat, was hätte getan werden können, um solch schutzloses Leben zu retten. Es sind die Toten der verantwortlichen Politiker. Allen voran der Regierungschefin Malu Dreyer (SPD). Um den Tod dieser Wehrlosen geht es ganz praktisch, wenn theoretische Aspekte behandelt werden wie: Warum haben die Verantwortlichen an welcher Stelle nicht früher gehandelt?

Zum Beispiel Erwin Manz (Grüne). Er war bis zu jener Flutnacht Staatssekretär im Umweltministerium. Sein Haus gab am Nachmittag vor der Katastrophe eine Pressemitteilung raus. Tenor: Ganz so schlimm werde es nicht werden. Der SWR tat, was der SWR tun muss: Er nahm die Regierung für voll und verbreitete die falsche Sicherheit im späteren Katastrophengebiet. Kurz darauf bekam Manz von seinen Experten gesagt, dass er falsch liege. Er entschied sich bewusst dazu, die Pressemitteilung nicht zu korrigieren. Wetterdienste wie der von Jörg Kachelmann trommelten derweil Alarm. Sogar Privatleute auf Twitter. Doch Evakuierungen blieben da aus. Keine zwölf Stunden später waren die Wehrlosen im Heim von Sinzig tot.

Von der Wasser-Flut in die Bürokratie-Flut
Ein Jahr nach der Flut im Ahrtal: Der gerettete Politiker-Porsche und das Staatsversagen
Erwin Manz sagt an diesem Freitag vorm Untersuchungsausschuss aus. Er ist immer noch Staatssekretär. Warum? Das muss Malu Dreyer beantworten. Das müssen die rheinland-pfälzischen Grünen beantworten. Sie werden vermutlich viele Worte finden. „Koalitionsfrieden und Parteienfilz“ werden mutmaßlich nicht darunter sein – so zielführend sie auch wären. Oder Roger Lewentz. Der Innenminister und Parteivorsitzende der SPD in Rheinland-Pfalz. Er besuchte an jenem Abend das Lagezentrum, informierte per SMS Malu Dreyer. Doch die blieb liegen und auch Lewentz zog sich zurück. Wie schlimm die Lage würde, sei da nicht abzusehen gewesen, sagt der Minister heute. Auch er weigert sich zurückzutreten.

Gegen 22 Uhr stieg ein Polizeihubschrauber in die Luft über dem Ahrtal. Da lebten die wehrlosen Bewohner des Heims in Sinzig noch. Da hätten sie noch in Sicherheit gebracht werden können. Der Hubschrauber zeichnete Bilder auf, die einem selbst stark verpixelt noch den Magen umdrehen lassen. Sie sind auf Rhein-Zeitung.de zu finden. Trotz dieser Bilder kam da den Behinderten in Sinzig keiner zur Hilfe. Keine sechs Stunden später waren sie tot. Darum geht es, wenn heute Roger Lewentz sagt, er habe die Bilder nicht gekannt.

Politik- und Staatsversagen
Es war Zeit zur Evakuierung vor der Katastrophe an der Ahr
Lewentz behauptet, er habe die Bilder vor wenigen Wochen zum ersten Mal gesehen. Die Polizei erzählt eine Geschichte dazu, die ihren obersten Dienstherren entlasten soll. Ein Mitarbeiter habe die Dateien im falschen Format an falscher Stelle abgelegt. Dass der Hund den Zettel mit dem Dateinamen gefressen habe, erzählen sie nicht. Aber für die Experten seien die Dateien jedenfalls nicht mehr zu finden gewesen. Ein Laie indes fand sie. Der AfD-Landtagsabgeordnete Michael Frisch, als er die Akten durchstöberte. Er sorgte dafür, dass die Bilder öffentlich werden. Nicht die Polizei oder ihr Chef Lewentz.

Die Bilder hätten nicht gezeigt, wie schlimm die Lage werde, sagt Lewentz heute. Er habe die Bilder nicht gesehen, sagt Lewentz heute. Beide Aussagen zusammen erwecken den Eindruck eines Mannes, der um ein Amt kämpft, dass er nach moralischen Maßstäben nicht mehr haben dürfte. Der nur noch Minister ist, weil seine Chefin Malu Dreyer Wert auf Moral legt. In Reden. In der Praxis orientiert sich Malu Dreyer aber an nacktem Machterhalt.

Lewentz rechtfertigt sein Kleben am Amt damit, dass er im Wiederaufbau dabei sein wolle: „Ich will anpacken, ich will helfen, ich will mit dafür sorgen, dass es den Menschen an der Ahr wieder besser geht“, sagt er im SWR. Der Wiederaufbau stockt. Seit weit über einem Jahr. Selbst die Tagesschau kommt nicht an Berichten darüber vorbei, dass den Menschen im Ahrtal ein zweiter Kältewinter bevorsteht.

Zeitungsbericht:
Mainzer Landesregierung handelte trotz Warnungen vor Flutkatastrophe nicht
Der „Ich will anpacken“-Minister ist auch für den Wiederaufbau zuständig. Zum Beispiel dafür, dass private Spenden liegen blieben, weil die Verwaltung ausgiebig prüfte, ob die überhaupt ausgezahlt werden dürften. Paragrafen statt Pragmatismus. „Ich will anpacken“, sagt Lewentz. Heute. Nach über einem Jahr verschlafener Chancen. „Ich will im Amt bleiben“, wäre ehrlicher.

CDU-Generalsekretär Gordon Schnieder sagt: „Lewentz hat das Vertrauen der Menschen verloren. Das nicht zu erkennen, macht doppelt fassungslos.“ Lewentz solle aufhören, sich rauszureden und die Verantwortung abzuschieben. Dreyer solle die Reißlinie ziehen. Einen Misstrauensantrag, den die AfD im Landtag gegen Lewentz stellen will, werde die CDU aber nicht mittragen. Doch nächste Woche soll Lewentz noch einmal im Untersuchungsausschuss über die Nacht aussagen, in der unter anderem zwölf wehrlose Menschen hätten gerettet werden können. In der die Verantwortlichen aber geschlafen haben.

Anzeige