Tichys Einblick
Falsche »Ortskräfte« in Brandenburg

Ein Afghane packt aus: Gute Kontakte brachten mich nach Deutschland

In Brandenburg stellte sich heraus: Mehr als die Hälfte der evakuierten Afghanen waren keine deutschen Ortskräfte. Die Aufnahmezentren baden so die schludrige Politik Berlins aus. Zugleich kamen unglaubliche Geschichten ans Licht und wurden besinnungslos breitgetreten.

picture alliance/dpa | Soeren Stache

Brandenburg bleibt Zielland, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur treffen an der polnischen Grenze täglich weitere hunderte irregulärer Migranten in dem Bundesland ein, auch der Berlin-Brandenburger Flughafen bringt regelmäßig weitere ›Besucher‹ ins Land, gerne auch aus sicheren Transit- und Herkunftsländern wie der Türkei oder Griechenland. Alle stauen sich derzeit im brandenburgischen Asylsystem, dessen Mitarbeiter kaum eine Atempause kennen dürften.

Bundesregierung verweigert die Auskunft
Evolution eines Begriffs: Afghanische Ortskräfte sind nicht mehr Ortskräfte
Hinzu kam, bereits im August, ein Teil der »Ortskräfte« aus Afghanistan samt Angehörigen, die zunächst in Frankfurt am Main gelandet waren und mit Bussen auf die Bundesländer verteilt wurden. Alles in allem kamen 266 Afghanen auf diesem Wege nach Brandenburg. Nun stellte sich heraus, dass nur 25 von ihnen tatsächlich Ortskräfte der Bundesregierung in Afghanistan gewesen waren. Das ergab die Prüfung der brandenburgischen Ausländerbehörde.

Zusammen waren noch 91 Angehörige eingereist. Das wiederum bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Eingeflogenen weder Ortskräfte waren, noch zu deren Familienanhang gehören – und das, obwohl die Bundesregierung ihre Definition von Ortskräften schon in den vergangenen Wochen immer stärker ausgeweitet hat. Der Begriff ‚Ortskraft‘, der inzwischen ein politisch kontaminierter geworden ist, wurde in den vergangenen Wochen immer weiter verunklart, mit immer neuem Gehalt befüllt und darüber sinnlos.

Rückstandslose Entfernung des eigenen Wirkens

Strenggenommen sind unter ‚Ortskräften‘ die Mitarbeiter der Bundeswehr während eines Auslandseinsatzes zu verstehen. Das Verteidigungsministerium besteht bis heute darauf, dass Ortskräfte nur die Personen sein können, die »auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages für ein Ressort tätig waren«. Für die Bundeswehr, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr gegenüber TE, bedeute dies, dass etwa 1.300 Personen in den gesamten zwanzig Jahren des Afghanistan-Einsatzes für die Bundeswehr tätig waren. Das ist eine relativ begrenzte Zahl, und nicht alle von ihnen – vielleicht nur die Hälfte – wären nach den heutigen Regeln einreiseberechtigt.

Auswahl vollkommen willkürlich?
Nicht einmal drei Prozent der von der Bundeswehr evakuierten Afghanen waren tatsächlich Ortskräfte
Allerdings handhaben nicht alle Ministerien die Evakuierung so streng. Es war das Außenamt unter Heiko Maas, das den Ortskräfte-Begriff auf »Personen aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Judikative, NGOs, Kultur und Medien« erweitert und so im Grunde vollkommen entwertet hat. Geht es nach Außenamt und dem absegnenden Innenministerium, haben inzwischen zigtausende Afghanen ein Recht auf humanitären Schutz in Deutschland.

Am Ende dient diese endlose Ausweitung nur einem Ziel: der möglichst vollständigen Übersiedlung der neu-afghanischen Intelligenz nach Deutschland. Doch wofür hat man sich zwanzig Jahre engagiert, nur um heute die Resultate des eigenen Wirkens praktisch rückstandslos zu entfernen? Sollte man nicht eher dafür werben, dass Teile der einstigen »Zivilgesellschaft« auch unter den Taliban ihren Platz behalten und so für ein ansatzweise pluralistisches Afghanistan sorgen? Kann man so viel Heroismus nicht von den Vorkämpfern der westlichen Lebensart in Zentralasien erwarten?

Horst Seehofers Blanko-Vollmacht

Inzwischen haben angeblich 136 der nach Brandenburg evakuierten Afghanen einen Asylantrag gestellt. Um diesen für eine Nicht-Ortskraft eigentlich selbstverständlichen und erwartbaren Akt machten allerdings einige Betroffene und mit ihnen ein paar Medien ein großes Getöse. Ein von einem Afghanen gestellter Asylantrag schien im Widerspruch zu der Blanko-Vollmacht zu stehen, die Innenminister Horst Seehofer den zu Evakuierenden in einer Pressekonferenz im August gegeben hatte. Die evakuierten Ortskräfte und gefährdeten Personen müssten kein Asylverfahren durchlaufen, sondern bekämen humanitären Schutz nach Paragraph 22 des Aufenthaltsgesetzes.

Was aber, wenn ein derart evakuierter Afghane weder eine Ortskraft noch eine besonders schützenswerte Person ist? Gilt dann das Wort des ewig taktierenden Noch-Innenministers? Oder gelten die normalen gesetzlich vorgesehenen Abläufe? Auf diesen Konflikt scheint das Handeln der brandenburgischen Landesbehörden hinauszulaufen, die Afghanen ohne Ortskraft-Status vor die Wahl stellten, einen Asylantrag zu stellen oder die Aufnahmezentren des Landes zu verlassen.
Natürlich hätten diese Nicht-Ortskräfte gar nicht erst aus Afghanistan evakuiert werden dürfen. Und natürlich ist die Tatsache, dass nun 150 Afghanen in Brandenburg sind, die nie etwas mit der Bundesregierung zu tun hatten, auf einen extremen Mangel an politischer Fortune zurückzuführen, der zweifellos rund um die so glorreiche Afghanistan-Luftbrücke herrschte. Doch nicht ist glorreich an unsachgemäßem Handeln.

Mit Vitamin B zum Aufenthaltsstatus aus humanitären Gründen

Wo findet die Sicherheitsüberprüfung statt?
Bundesregierung verschweigt genaue Zahl der aus Afghanistan eingeflogenen Vorbestraften
Die Folgen dieser schludrigen Politik werden heute von den Mitarbeitern der brandenburgischen Ausländerbehörde ausgebadet. Denn sie waren es, die einige zu Unrecht eingeflogene »Flüchtlinge« in »herkömmliche Asylverfahren drängen« wollten – was in der Tat eine ungeheuerliche Anforderung an einen »Flüchtling« gewesen wäre. So sah es der RBB, der damit einen Sturm im Netz aufgriff, den ein Online-Video der NGO Pro Asyl ausgelöst hatte.

Doch den Vogel schoss der brandenburgische Landesfunk mit der Schilderung eines ganz bestimmten Falles ab. Denn bei einem der zu Unrecht Eingereisten, vom RBB »Hamid« genannt, handelt es sich um einen ehemaligen Berater des afghanischen Verteidigungsministers. »Hamid« hatte vielleicht hin und wieder etwas mit der Bundeswehr zu tun, doch für sie gearbeitet hat er nie. Nach Deutschland kam er dank seiner »Kontakte und Freunde in der deutschen Botschaft«. Das würde man unter normalen Umständen als Korruption und Spezlwirtschaft bezeichnen. Doch in diesem Fall wird es zur Heldentat verklärt, die nicht in der deutschen Bürokratie versumpfen darf. Dabei ist sie selbst der Sumpf.

Die Vizefraktionsvorsitzende der Brandenburger Linken, Andrea Johlige, erklärte sogleich: »Ich bin fassungslos. Den Ortskräften wurde im Sommer die humanitäre Aufnahme in Deutschland versprochen. Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, dass diese Menschen nun ins Asylsystem gedrängt werden sollen, was in vielen Fällen aufenthaltsrechtlich nachteilig für sie sein wird.« Doch es sind keine Ortskräfte und deshalb haben sie nicht nur keine aufenthaltsrechtliche Extrawurst verdient, es ist vielmehr die Frage, ob sie überhaupt einen Aufenthaltsstatus in Deutschland erhalten dürfen. Nebenher fragt man sich, wer hier eigentlich von wem abschrieb: der RBB von der Ex-SED-Politikerin, oder war es doch umgekehrt?

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