Tichys Einblick
ABM-Maßnahme?

EU: Demokratie als Geisterstunde?

Timmermanns und Tusk, zuhause abgewählt, regieren in Brüssel: Die EU-Kommission ist eher ein Klub der Bürokraten als ein Gremium der Demokraten.

Screenprint: ZDF/Das TV-Duell

Wenn selbst der Historiker, der wie kein zweiter für das Projekt des Westens warb, wenn selbst Heinrich August Winkler der EU gravierende Demokratiemängel vorwirft, zeigt das, in welch besorgniserregendem Zustand sich die Brüsseler Administration befindet. Eine Episode verdeutlicht das auf ganz eigene Art.

Im Fernsehen und im Wahlkampf generell wird der Eindruck erweckt, dass die Bürger EU-Europas die Kommission und den Kommissionspräsidenten direkt wählen könnten. Deshalb wird euphemistisch von Spitzenkandidaten gesprochen und dem staunenden Publikum ein Wahlkampf im Stil einer Vorabendserie vorgeführt.

Schlagabtausch
EU-Wahl: Im Populistenstadl
Gestern nun trafen der Spitzenkandidat der Europäischen Volksparteien und der Europäischen Sozialdemokraten, Manfred Weber und Franz Timmermans, aufeinander. Timmermans ist Niederländer. Seit 2017 regiert die niederländische Sozialdemokratie, die Partei der Arbeit, der Timmermans angehört, nicht mehr in Den Haag mit, mehr noch die Niederländer haben die Sozialdemokraten sehr eindeutig abgewählt, die nur 5,7 % der Stimmen auf sich zu vereinigen vermochten. Dennoch werden auch die Niederländer weiter von dem niederländischen Sozialdemokraten Timmermans, der Kommissar der Europäischen Kommission ist, regiert. Sie können ihn nicht abwählen, weil er nicht zur Wahl steht. Unwichtig, ob er Spitzenkandidat oder überhaupt ein Kandidat ist, er gehört der EU-Bürokratie an, die längst nicht mehr Hüterin der Verträge ist, wozu sie einst gedacht war, sondern in der Art einer Regierung von EU-Europa handelt, ohne dafür demokratisch ermächtigt zu sein. Im Falle Timmermans wird es sogar karikativ, denn im Grunde ist Timmermans der Funktionär einer 5,7 %-Partei und besitzt keinerlei demokratische Legitimation.

Die Brüsseler Bürokratie jedenfalls scheint nicht allzu viel von Demokratie zu halten. Wäre es anders, würde sie sich um eine echte demokratische Legitimation bemühen. Frans Timmermans hätte nach dem Absturz seiner Partei in den Niederlanden zurücktreten müssen. Was berechtigt ihn, Kommissar zu sein? Demokratisch gesehen ist er ein Widergänger. So entsteht der Eindruck, dass die EU-Kommission eher ein Klub der Bürokraten als ein Gremium der Demokraten ist. Auch der polnische Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, ist als Politiker in seinem Heimatland gescheitert. Obwohl die Polen ihn abwählten, regiert er weiterhin über sie und nicht nur über sie, so wie der Niederländer Timmermans über alle Bürger der Mitgliedsstaaten der EU. Brüssel eine ABM-Maßnahme für gescheiterte Politiker, eine Oligarchie von Leuten, die sich für die Elite halten? Ist EU-Europa nicht mehr wert? Ohne echte demokratische Legitimation wird die EU scheitern. Als erster Reformschritt müsste eine Begrenzung der Amtszeiten für die EU-Kommission und den Präsidenten des Rates der Europäischen Kommission eingeführt werden.

Es kommt darauf an, dass die EU-Administration Europa nicht großen Schaden zufügt, es wäre gut, wenn sie an Europa dächte und Europa oder auch nur die EU nicht mit der eigenen Macht verwechseln würde.

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