Tichys Einblick
TE-Exklusiv

EU-Kommission: „Aserbaidschan bleibt wichtiger Energiepartner“

Trotz der Aggression Aserbaidschans gegen das Nachbarland Armenien sieht man in Brüssel keine Notwendigkeit, Konsequenzen zu ziehen. TE hat die Presseabteilung der EU-Kommission mit ihrer Politik konfrontiert.

Wand eines Verwaltungsgebäudes in Jermuk, Armenien, die bei einem Beschuss beschädigt wurde, 15.09.2022

IMAGO / ITAR-TASS
Eine muslimische Autokratie greift eine christliche Demokratie an – und alles ist anders? Wenn es nach der EU-Kommission geht, hat der Konflikt im Kaukasus keine Auswirkungen.

Aserbaidschanische Angriffe auf Armenien
Die Völkerrechtlerin ignoriert den Völkerrechtsbruch
TE hatte im Zuge des Angriffs auf Armenien vonseiten aserbaidschanischer Truppen die EU mit ihrer eigenen Außenpolitik konfrontiert. Schließlich hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem aserbaidschanischen Autokraten noch im Juli die Hand gereicht und sein Land einen „vertrauenswürdigen Partner“ genannt. Hintergrund: Um vom russischen Erdgas loszukommen, wechselte man den einen Autokraten gegen den anderen aus.

TE stellte daher an die EU-Kommission am Mittwoch folgende Fragen:

„Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Juli über ihren Twitter-Account Aserbaidschan als ‚vertrauenswürdigen Energielieferanten‘ bezeichnet. Gibt es eine Stellungnahme vonseiten der EU-Kommissionspräsidentin nach den Angriffen aserbaidschanischer Truppen auf armenisches Gebiet, die seit Dienstag im Gange sind und bei denen bisher rund 100 Menschen ums Leben kamen? Gibt es eine Revision der Position der Kommissionspräsidentin?

Bewertet die EU-Kommission die Partnerschaft nach dem völkerrechtswidrigen Angriff neu? Welche Konsequenzen zieht die EU-Kommission aus dem aggressiven Verhalten Aserbaidschans, insbesondere im direkten Umgang mit der Regierung Baku?“

Bereits am Donnerstag erreichte die Redaktion folgendes Antwortschreiben:

„Nach der Eskalation der Feindseligkeiten zwischen Aserbaidschan und Armenien am 12./13. September hat sich die EU bei beiden Ländern aktiv für eine Deeskalation und den Dialog eingesetzt. Der Präsident des Europäischen Rates, Michel, und der Hohe Vertreter, Borrell, standen sowohl mit den aserbaidschanischen als auch mit den armenischen Gesprächspartnern in Kontakt, und der EU-Sonderbeauftragte Klaar ist mit den Gesprächspartnern vor Ort aktiv.

Wir begrüßen die Ankündigung, dass sich beide Seiten auf einen Waffenstillstand geeinigt haben, auf den wir ebenfalls hingearbeitet und zu dem wir beigetragen haben. Die EU wird weiterhin mit beiden Ländern zusammenarbeiten, um den Prozess der Normalisierung zwischen ihnen im Interesse von Frieden und Stabilität voranzutreiben. Die Beziehungen der EU zu Aserbaidschan basieren auf dem Abkommen über die partnerschaftliche Zusammenarbeit und den Partnerschaftsprioritäten, und Aserbaidschan bleibt ein wichtiger Energiepartner für die EU.

In unserem Dialog mit den aserbaidschanischen Behörden betonen wir, wie wichtig es ist, internationale Verpflichtungen einzuhalten, darunter die UN-Charta, die Schlussakte von Helsinki und die Charta von Paris.“

Es gibt also weder eine Stellungnahme der EU-Kommissionspräsidentin zum völkerrechtswidrigen Angriff auf armenisches Territorium noch eine Kurskorrektur. Im Gegenteil: „Aserbaidschan bleibt ein wichtiger Energiepartner für die EU“. Ein bisschen Belehrung darüber, was in der UN-Charta steht – und fertig. Stattdessen schreibt sich die EU es als eigenen Verdienst zu, dass die Kampfhandlungen eingestellt und eine Waffenruhe eingetreten sei. Dass diese bis heute nur von Armenien, nicht aber von Aserbaidschan offiziell anerkannt wird, bleibt ausgespart.

Es wird deutlich, dass die EU wie Deutschland nicht neutral in diesem Konflikt ist. Nur steht man dieses Mal unglücklicherweise auf der Seite des Angreifers – weil man von ihm abhängig ist.

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