Tichys Einblick
Autoren-Auszug?

Erste Konsequenzen für Suhrkamp nach Tellkamp-Distanzierung

Vieles spricht dafür, dass hoch dekorierte kritische Geister Suhrkamp verlassen, die alles andere wollen, als in einem Verlag zu publizieren, der seine Autoren auf diese Weise maßregeln will.

@ John MacDougall/AFP/Getty Images

Hat Suhrkamp zu hoch gepokert, als der Verlag seinem Bestseller-Autor Uwe Tellkamp mit einem Maulkorb drohte, wenn dieser nicht stringenter irgendeiner imaginären politischen Linie des Verlages folgt?

Autorenverfolgung
Suhrkamp distanziert sich von Uwe Tellkamp
Mit Klaus-Rüdiger Mai wird jetzt der erste Rückzug eines Autors bekannt, der mit Suhrkamp in Kontakt war. In einem TE vorliegenden Mailverkehr zwischen Mai und einem der Geschäftsführer des zu Suhrkamp gehörenden Insel Verlags, wirft der Autor dem Verlag eine Entgleisung „in Sachen Uwe Tellkamp“ vor. Mai spricht dem Verlag darin ab, noch zu den renommierten Unternehmen der Branche zu gehören. Suhrkamp würde sich damit zu einem Parteiverlag entwickeln.

Mai schreibt an Suhrkamp: „Linkes Denken mag sich darin ausdrücken, liberales hingegen nicht, denn dieses Denken findet sich in dem Voltaire zugeschriebenen Apercu: ich bin zwar nicht Ihrer Meinung, aber ich werde alles tun, damit sie Ihre Meinung frei äußern (und publizieren) können. Sie haben sich gegen die Vielfalt und für die politische Einfalt entschieden.“

Bittere Worte
Uwe Tellkamp im Original-Ton
Klaus-Rüdiger Mai hat nun einen kritischen Essay zurückgezogen, welchen er dem Verlag vorgeschlagen hatte. „Er wird andernorts und mit mehr Recht erscheinen.“ Vieles spricht sogar dafür, dass diesem Beispiel weitere Autoren folgen werden oder sogar schon gefolgt sind. Autoren, deren Weggang für Suhrkamp Schaden bedeuten würde. Und da gibt es einige hoch dekorierte kritische Geister, die alles andere wollen, als in einem Verlag zu publizieren, der seine Autoren auf diese Weise maßregeln will.

Interessant könnte hier auch noch werden, wie Suhrkamp die Twitter-Meldung gegen Tellkamp erklärt. Denn im Grunde genommen hatte man ja lediglich darauf verwiesen, dass der Verlag nicht zwingend die Meinung der Autoren teilt. Indes ist die Lesart eindeutig, wenn man hier einen Hashtag #tellkamp anfügt und sich also im zeitlichen Kontext einwandfrei auf den öffentlichen Auftritt seines Autors im Dresdner Kulturpalast bezieht. Das ungeschehen zu machen, ohne sich zu entschuldigen, dürfte schwer fallen bzw. den nächsten Shitstorm gegen den Verlag begründen.

Presseerklärung
Klaus-Rüdiger Mai storniert Publikation bei Suhrkamp
Eines allerdings darf ebenfalls nicht unüberlegt lassen: Möglicherweise steckt auch Kalkül dahinter. Möglicherweise war Tellkamp sowieso ein Kandidat, von dem man vorhatte, sich zu trennen, und man nutzte nun die erstbeste Gelegenheit, auf diesem Wege weitere unliebsame Autoren los zu werden, die sich solidarisch erklären mit Tellkamp, ohne das Suhrkamp ihnen vertraglich weiter verpflichtet sein muss. Aber darüber können in den kommenden Tagen nur der Verlag selbst und die Autoren Auskunft geben.