Tichys Einblick
Höchster Anstieg seit 2008

Die Inflation galoppiert: 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat

Erstmals seit der Finanzkrise liegen die monatlichen Verbraucherpreise mehr als drei Prozent über dem Vorjahr. Auch ohne den Basiseffekt der wieder erhöhten Mehrwertsteuer liegt die Rate noch deutlich über zwei Prozent.

IMAGO / Frank Sorge

Die Inflationsrate in Deutschland – gemessen als Veränderung des Verbraucher­preisindex (VPI) zum Vorjahresmonat – wird im Juli 2021 voraussichtlich +3,8 % betragen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach bisher vorliegenden Ergebnissen weiter mitteilt, steigen die Verbraucherpreise gegenüber Juni 2021 voraussichtlich um +0,9 %. Das ist das erste Mal seit August 2008, dass der VPI im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als drei Prozent stieg.

Destatis erklärt den extremen Anstieg im Juli 2021 insbesondere durch einen Basiseffekt, nämlich die Senkung der Mehrwertsteuersätze im Juli 2020. Die Bundesregierung wollte damit während des Lockdowns den Konsum ankurbeln. Seit Januar 2021 befinden sich die Mehrwertsteuersätze für fast alle Waren und Dienstleistungen wieder auf dem vorherigen Niveau. „Die genaue Höhe des Basiseffekts ist nur schwer zu benennen, da gleichzeitig auch andere Preiseffekte wirken, wie zum Beispiel die CO2-Bepreisung und übliche Marktentwicklungen. Bei der Senkung der Mehrwertsteuersätze im Juli 2020 lag der rein rechnerische Effekt bei -1,6 Prozentpunkten.“ Selbst wenn man diese Prozentpunkte abzieht, liegt die Inflation also immer noch bei 2,2 Prozent. In den kommenden Monaten ist allein schon wegen der Rückkehr der Mehrwertsteuer zu ihren alten Sätzen mit weiteren Preisanstiegen zu rechnen.

Dazu kommt, dass die offizielle Inflationsstatistik den tatsächlichen Kaufkraftverlust des Euro tendenziell verharmlost, wie kritische Ökonomen immer wieder feststellen. Nicht zuletzt erfassen die Verbraucherpreise eben nicht die Preisentwicklung von Immobilien, Aktien und anderen Vermögenswerten.

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 Die EZB hat mit ihrem neuen Inflationsziel – nicht mehr „unter, aber nahe 2 Prozent“ sondern 2 Prozent „als symmetrisches Ziel“ – schon klar gemacht, dass sie nicht viel gegen eine steigende Inflation einzuwenden hat. Dass sie an ihrem Anleihenkaufprogramm und ihrer Nullzins-Politik festhalten wird, hat Lagarde jüngst deutlich gemacht. Mit einer Straffung der Geldpolitik zur Eindämmung der Inflation ist also nicht zu rechnen.

EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte im Mai in einem Interview schon gesagt: „In Deutschland rechnen wir damit, dass es durchaus zu einer Inflation kommen kann, die größer ist als drei Prozent.“ Und sie hatte klargemacht, dass die EZB darin keinen Grund zum Handeln sieht: „Unsere geldpolitische Strategie ist mittelfristig ausgerichtet, und das bedeutet, dass wir durch all diese kurzfristigen Schwankungen hindurchschauen.“ Welche Zeitspanne sie mit „kurzfristig“ meinte, sagte sie nicht.