Tichys Einblick
Die EKD und ihr Rettungsschiff

Die evangelische Kirche wird zur NGO mit Seelenheilsattitüde

Die Evangelische Kirche in Deutschland ruft zum Spenden für die "Seenotrettung" von Migranten im Mittelmeer auf. Ernste Fragen stellt sie sich dabei nicht. Sie will offenbar nichts anderes mehr sein als ein Resonanzboden für die erhabenen Gefühle ihres Führungspersonals.

imago images / epd

Die EKD beteiligt sich an einem Bündnis, das ein Rettungsschiff ins Mittelmeer schicken will. Die Spenden soll ein Verein namens „Gemeinsam Retten e.V.“ einsammeln, dessen Vorsitzender Thies Gundlach ist, einer der Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD. In der evangelischen Zeitschrift ideaSpektrum ruft Thies Gundlach dazu auf, „unbedingt“ für ein „zusätzlich ins Mittelmeer“ zu entsendendes „Seenotrettungsschiff“ zu spenden. Übrigens wird das Rettungsschiff von der umstrittenen Organisation Sea Watch gekauft, für die Carola Rackete aktiv ist. 

Der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD wirbt inzwischen für eine Kirche, die anscheinend nichts anderes mehr sein will, als ein Dienstleiter für zweifelhafte NGOs und Resonanzboden dafür, dass sich ihr rotgrünes Führungspersonal öffentlich erhabene Gefühle bereiten kann.

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Theologisch ernst zu nehmen, ist die unzusammenhängende Argumentation Gundlachs nicht, und frei von Demagogie schon gar nicht, denn in Ansehung des Arguments der Lebensrettung verstummen natürlich alle anderen Argumente, obwohl sie dort erst beginnen müssten, nämlich beim Prinzip Verantwortung für die Menschen, die sich in Gefahr begeben, und für die deutsche Gesellschaft, letztlich auch für den christlichen Glauben. Denn es gehört zur intellektuellen Redlichkeit dazu, die Fragen zu erörtern, ob die „Seenotrettung“ nicht zum Ausbau der Schlepperorganisationen beiträgt, sie nicht starke Anreize dafür schafft, dass sich Menschen in Gefahr begeben, weil die Gefahr mit dem Verweis auf die „Seenotrettung“ in der Werbung der Schlepper kleingeredet wird, ob nicht die aufnehmende Gesellschaft überfordert wird, weil der Blick vor den Ressourcen, vor den realen Möglichkeiten, was die Gesellschaft an Integration überhaupt zu leisten vermag, geschlossen wird und man wenig „nachhaltig“ handelt, wenn man die Folgen des eigenen Tuns nicht bedenkt und absichert.

Wer „wir“ sagt, meint bekanntlich „ihr“. Als die Bundeskanzlerin ihren famosen Slogan formulierte: „Wir schaffen das“, hieß das im Klartext: ihr schafft das schon, seht zu, wie ihr mit den Folgen meiner alternativlosen Politik klarkommt. In gleicher Weise agiert die EKD in der Flüchtlingsfrage. 

Thies Gundlach liefert in  dem Versuch, für die „Seenotrettung“ zu werben, ein starkes Gegenargument, ohne es beabsichtigt zu haben, wenn er schreibt: „Und so wenig wir Raucher von der Krankenkasse ausschließen, obwohl wir wissen, wie schädlich Rauchen ist, so wenig schließen wir Menschen von der Seenotrettung aus, weil wir meinen, sie sollten gar nicht erst aufs Meer rausgehen.“ Meint Gundlach, „aufs Meer raus(zu)gehen“, sei eine Sucht wie das Rauchen, der man, weil man sich einmal daran gewöhnt hat, nicht mehr zu entkommen vermag? Wenn es wirklich so wäre, bestünde wahrlich kein Grund für die Seenotrettung. Auch ein EKD-Funktionär sollte wissen, dass erstens Raucher wie alle Krankenversicherten ihre Beiträge entrichten und dass man zweitens inzwischen Rauchen als Gesundheitsrisiko immer öfter anzugeben hat. Man muss intellektuell schon sehr verzweifelt sein, wenn man einen so schiefen Vergleich bemüht.

Der Theologe Günter Thomas widerspricht Thies Gundlach nun in der neuen Ausgabe von ideaSpektrum. Er weist nach, dass die EKD-Aktion „doppelzüngig“ ist, „weil zu allererst eine öffentliche moralisch-politische Machtprobe mit dem Staat gesucht wird.“ Übrigens eine Machtprobe, die zudem gefahrlos ist, weil die Regierung im Grunde gar nichts gegen die „Seenotrettung“ hat, nur sich eben an Gesetze halten muss. Günter Thomas kennzeichnet die Politik der EKD als „zynisch“, weil eben nicht den „Schwächsten der Schwachen“ geholfen wird, die in den Lagern ausharren, sondern damit ein „spezifischer Menschenhandel der Starken und Risikobereiten“ unterstützt wird. Mittelfristig werden nach Einschätzung des Theologen wirtschaftlich „die Folgen kirchlichen Handelns ungefragt auf die Allgemeinheit“ übertragen, die nicht gefragt wird, ob sie das will, was klerikal arrogant und undemokratisch ist. 

Das Handeln der Kirchenfunktionäre wirft immer stärker die Frage auf, ob nicht eine arme Kirche besser sei, ob die Frage der Kirchenfinanzierung nicht inzwischen und angesichts der Entwicklung grundsätzlich zu stellen ist, weil die Kirche ihre Grundsätze verlässt und immer stärker als politischer Akteur oder als eine Art NGO mit Seelenheilsattitüde und mit immer reicherem Ablasshandelsangebot tätig wird. Das wird inzwischen auch offen erklärt. So schrieb vor kurzem der Chefredakteur der Zeitschrift zeitzeichen, zu deren Herausgebern der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm gehört, dass es „zur Praxis Leitender Geistlicher in der EKD gehört … sich regelmäßig politisch“ zu äußern „und dies in der Regel eindeutig im links-liberalen Spektrum.“ Wenn das so ist, wenn die Kirche „eindeutig“ „links-liberal“ agiert, muss die Kirche wie eine politische Organisation oder ein politischer Verein behandelt werden. 

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Als „geistlich mutlos“ charakterisiert Günter Thomas das Verhalten der EKD-Funktionäre, weil „die moralischen Grauzonen von Interessenkonflikten, die Grenzen der Barmherzigkeit und der Beginn von Politik“ nicht „unerschrocken ins Auge gefasst“ wird. Wenn Thies Gundlach in seinem geglückt-verunglücktem Rauchervergleich schreibt, dass die Flüchtlinge „gar nicht erst aufs Meer rausgehen“ sollten, dann sagt er, worum es eigentlich geht, nämlich sichere Einwanderungswege für alle zu schaffen, die nach Deutschland wollen, weil sie in der Tat verfolgt werden, oder weil sie sich in Deutschland ein Leben im Reichtum erhoffen oder weil sie in die Sozialsysteme einwandern wollen. Wer sichere Einwanderungswege schaffen will, muss erstens sagen, für wen und wie er zweitens sicherstellen will, dass diese nicht missbraucht werden. Aber genau diese Verantwortung zu übernehmen, lehnen die EKD-Funktionäre ab. Damit agiert die EKD auf der Linie der grünen Partei, von der sie nicht mehr zu unterscheiden ist, denn wie hatte das doch Karin Göring-Eckardt formuliert: „Sind wir ein Land, das für Migrantinnen und Migranten offen ist? Was Leute anzieht, die wir übrigens dringend brauchen – nicht nur die Fachkräfte, sondern weil wir auch Menschen hier brauchen, die in unserem Sozialsystem zu Hause sind, und die sich hier auch zu Hause fühlen können.“ (ARD Morgenmagazin am 09.10.2013, hier zitiert nach Jan Fleischhauer spiegel.de 02.11.2017) 

Deutschland steht vor großen Problemen, die Einwanderung ist eines der ernstesten, eines, das die Bundesrepublik in eine existentielle Krise führen kann. Wenn auf der einen Seite bestens ausgebildete Bürger jährlich in der Größenordnung einer Stadt wie Potsdam das Land verlassen, im Gegenzug aber eine Masseneinwanderung von in der Mehrzahl wenig bis gar nicht qualifizierten Migranten erfolgt, entsteht ein Ungleichgewicht. Wenn gleichzeitig durch eine nachlassende Wirtschaftskraft die Finanzierung der Einwanderung in die Sozialsysteme von selbigen nicht mehr zu stemmen ist, und die deutschen Steuerzahler mit immer neuen Steuern und Abgaben wie der CO2 Steuer, die zur Finanzierung auch der steigenden Migrationskosten benutzt werden wird, der Verteuerung der Energie aufgrund eines wirtschaftlich sinnwidrigen EEGs, belastet werden, dann lässt auch die Kaufkraft der Bürger nach. Nachlassende Kaufkraft der Bürger wird jedoch zum Menetekel der Binnenkonjunktur. Jeder kann sich ausmalen, was geschieht, wenn Export und Binnenkonjunktur gleichzeitig  zu schwächeln beginnen. Jeder – nur nicht die EKD. Doch da hilft auch kein Beten mehr.  

Rettungsschiffe zu schicken, ist der falsche Weg. Richtig wäre es, darüber Einigkeit zu erzielen, wen wir aufnehmen wollen und können und wie für diejenigen sichere Wege geschaffen und Integration projektiert wird. Überdies müsste Klarheit über die tatsächliche Einwanderung geschaffen werden, die in verschiedenen Programmen versteckt und auf unterschiedlichen Routen erfolgt. Entweder hat die Regierung längst jeden Überblick verloren, oder sie klärt die Bürger nicht auf.

Die EKD verspielt mit ihrer von jeder Verantwortungsethik freien Politik die Möglichkeiten, den Menschen zu helfen, die Hilfe benötigen.

Die erhellende Diskussion zwischen Thies Gundlach und Prof. Dr. Günter Thomas lässt sich hier nachlesen.