Tichys Einblick
Mehr als zehnmal größer als das Weiße Haus

Der Kanzleramts-Erweiterungsbau kommt trotz Protest

Laut Umfrage lehnen 80 Prozent der Bürger den Berliner Bürokratenbunker ab. Er soll 777 Millionen Euro kosten – nach jetziger Planung.

IMAGO / Mike Schmidt

An der Spree in Berlin-Tiergarten entsteht ab Frühjahr 2023 das unpopulärste Gebäude Deutschlands: der Erweiterungsbau des Kanzleramts. Mehr als 80 Prozent der Deutschen lehnen den geplanten Klotz nach einer Civey-Umfrage ab. Auch der Bund der Steuerzahler protestiert heftig gegen die Millionen-Ausgabe. Inzwischen gibt es eine Online-Petition, um die Errichtung noch zu verhindern.

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Das zählt für die Bundesregierung offenbar wenig: Gebaut werden soll auf jeden Fall. Der Spatenstich wird noch im November erfolgen.

Eigentlich handelt es sich bei dem Mammutbau für 400 Mitarbeiter, mit dem sich das ohnehin riesig dimensionierte Kanzleramt noch einmal auf doppelte Größe aufbläht, um ein Denkmal Angela Merkels. In ihrer 16-jährigen Amtszeit vergrößerte sie die Mitarbeiterzahl der Regierungszentrale systematisch, immer neue Spitzenposten und Abteilungen entstanden unter ihrer Ägide. Die Regierung Scholz fügte nur noch wenige Stellen hinzu, half aber auch beim Aufpumpen des Apparats. Als das noch unter Helmut Kohl geplante Kanzleramt am Spreebogen 2001 seine Arbeit aufnahm, kam es mit 410 Mitarbeitern aus. Heute gehen in der Machtzentrale schon 750 Beamte ihren Tätigkeiten nach. Der Erweiterungsbau soll noch einmal zusätzliche Büros für 400 Mitarbeiter schaffen – also etwa so viele, wie vor 21 Jahren insgesamt beschäftigt wurden. Zu den Bürofluchten kommt noch ein Luxus-Kindergarten und ein Hubschrauberlandeplatz. Kostenpunkt für das Kanzleramt Nummer 2: nach bisheriger Planung 777 Millionen Euro.

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Die schiere Größe des Baus wirkt grotesk, vor allem in Zeiten, in denen Politiker die Bürger zum Sparen animieren, bis hin zu Kurzdusch-Tipps und Waschlappen-Empfehlungen. Der Neubau soll 60.000 Quadratmeter umfassen – obwohl es sich bei dem bestehenden Kanzleramt schon um die größte Regierungszentrale der westlichen Welt handelt. Zum Vergleich: Das Weiße Haus, von dem aus 330 Millionen Amerikaner regiert werden, bietet insgesamt 5100 Quadratmeter, verteilt auf 132 Räume, 35 Badezimmer und Toiletten, 8 Treppenhäuser, 3 Fahrstuhlschächte, eine großzügige Küche und die Privatgemächer des Präsidenten.

Das heißt: Allein der Kanzleramts-Anbau wird mehr als zehnmal so groß wie die gesamte Machtzentrale der USA .

In einer Civey-Umfrage vom 23. bis 29. Oktober sagten 62,8 Prozent der Befragten, sie sähen den Neubau „sehr negativ“, weitere 20,7 Prozent „eher negativ“. Unentschieden blieben 10,6 Prozent. Nur 3,5 Prozent bewerten die Kanzleramtsverdoppelung eher positiv, weitere 2,4 Prozent sehr positiv.

Das Kanzleramt begründet den Neubau ernsthaft mit der Behauptung, er diene der „Nachhaltigkeit“: Die 400 Beamten, die dort einziehen sollten, gebe es schließlich schon, sie seien nur auf verschiedene Standorte in Berlin verteilt. Offenbar stellt das im Fax- und Papierakten-Deutschland ein ernsthaftes Problem dar.

Ob Olaf Scholz den teuren Riesenbau noch als Kanzler erlebt, ist eher fraglich: Die Bauarbeiten sollen sich laut Plan bis 2028 hinziehen.

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