Tichys Einblick
Fallzahlen im Vergleich

Corona-Update zum 7. April: Österreich gibt einen Fahrplan vor

Wie entwickeln sich die Fallzahlen in Österreich und Deutschland? Boris Johnson wird auf der Intensivstation behandelt. In Deutschland sollen Einreisende in Quarantäne. Kurz und Merkel stellen sich der Presse: ein Vergleich.

imago Images

In Deutschland nimmt die Zuwachsrate der neuen Fallmeldungen weiter ab. Da nun auch die Zahlen vom Montag vorliegen, steht zu bezweifeln, dass es sich dabei um einen reinen Wochenend-Effekt handelt. In den vergangenen Wochen kam es allerdings immer gegen Ende der Arbeitswoche zu einer Spitze der Neumeldungen. Es ist also ein gewisses Ansteigen der Neu-Meldungen in den nächsten Tagen zu erwarten. Trotzdem ist das deutliches Absinken der Zuwachsrate ein Anzeichen, dass die Maßnahmen, vor allem das erhöhte Hygiene-Bewusstsein der Bevölkerung einen Effekt zeigen.

Es lohnt sich auch ein Blick auf den Fallvergleich Deutschland und Österreich. In Österreich gelten schon länger Einschränkungen. Vorausgesetzt, dass ähnlich getestet wird, ist in Österreich ein deutlicheres Abflachen der Kurve zu sehen als in Deutschland. In Österreich wird momentan eine Studie durchgeführt, die auch als „Studie der 2.000“ bekannt ist. Dabei wird eine Stichprobe der Bevölkerung auf eine Corona-Infektion getestet, um die Durchseuchung der Bevölkerung einschätzen zu können. Die Ergebnisse sollen im Laufe dieses Tages verkündet werden. Der österreichische Kanzler Kurz erwähnte jedoch bei seiner Pressekonferenz gestern, dass nach dem vorläufigen Erkenntnisstand nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, seiner Aussage nach „im Promillebereich“, infiziert ist.

Eine vergleichbare Studie ist im Kreis Heinsberg in Arbeit.

Laut Länderinformationen sind mittlerweile 98.858 Personen als Infiziert gemeldet. Die Johns Hopkins Universität meldet 101.806 Fälle. Die Länder schätzen 12.806 Menschen davon gut als geheilt ein, allerdings veröffentlichen Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz , Sachsen und Schleßwig-Holstein keine Zahlen hierzu, diese Zahl ist also viel zu niedrig. Die Johns Hopkins Universität schätzt gut 28.700 Geheilte in Deutschland. Mittlerweile sind 1.584 Corona-positiv gemeldete Personen verstorben.

Folgephänomene: Boris Johnson auf der Intensivstation

Der britische Premierminister Boris Johnson wurde in die Intensivstation eingewiesen. Das meldete gestern Abend die BBC. Er wurde schon am Sonntag Abend im Krankenhaus eingeliefert. Er ist 55 Jahre alt, zählt also nicht zu der Risikogruppe der Älteren. Dass eine Covid-19 Erkrankung nur bei älteren Patienten schwer verläuft, erweist sich allerdings immer mehr als falsch.

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Das Corona-Krisenkabinett der Bundesregierung empfahl gestern den Bundesländern, alle aus dem Ausland Einreisenden für zwei Wochen unter Quarantäne zu stellen. Es ist nicht klar, wie diese Regelung in den Grenzgebieten funktionieren soll – wo die Leute aus familiären wie wirtschaftlichen Gründen regelmäßig über die Grenze pendeln. Aunahmen für die Quarantäne sollen nur für die gelten, die weniger als „mehrere Tage“ im Ausland waren. Wie sinnvoll eine solche Regelung auf Länderebene ist, ist fragwürdig.

In Dänemark kündigt die Regierung an, vom 15. April an die Kindergärten und Grundschulen wieder zu öffnen. Bis dahin dauert es noch einige Zeit, doch es gibt den Eltern immerhin ein gewisses Maß an Planungssicherheit und stellt ein Ende der Doppelbelastung von Beruf und Kinderbetreuung in Aussicht.

Hintergründe: Zwei Pressekonferenzen, ein Kanzler und eine Kanzlerin

In Sachen Corona geht Österreich deutlich entschiedener vor als Deutschland. Schulschließungen, Einschränkungen des öffentlichen Lebens und Maskenpflicht in Geschäften: alles Regelungen, die früher als in Deutschland eingeführt wurden – und dazu die Maskenpflicht, die es in Deutschland nicht gibt. Die Bundesregierung behauptete bis vor kurzem, Masken wären sinnlos und gibt jetzt zähneknirschend zu, dass Masketragen doch andere Menschen schützen kann – so will Angela Merkel eine Maskenpflicht seit ihrer Pressekonferenz gestern als Regelung auch nicht mehr ausschließen.

Ein Arzt demonstriert, was der selbstgenähte Mundschutz bringt
Österreich ist den Entwicklungen also oft einige Tage voraus, handelt entschlossener und gibt klarere Anweisungen. Gestern verkündete der österreichische Kanzler Kurz auch eine vorläufige Strategie für schrittweise Lockerungen der Beschränkungen. So sollen schon ab dem 14. April kleine Geschäfte wieder öffnen dürfen – es gelten jedoch weiter Bestimmungen wie eine Maskenpflicht und eine maximale Kundenzahl im Laden. Vom 1. Mai an sollen dann wieder Friseure, Einkaufszentren und größere Geschäfte öffnen dürfen, andere Dienstleister, Hotels und Gastronomie frühestens ab Mitte Mai. Prüfungen für das Abitur und die Mittlere Reife sollen stattfinden.

Das sind vorläufige Zielsetzungen, sollten sich bisherige Trends zur Entwicklung der Corona-Fälle fortsetzen – falls nicht, können die Maßnahmen auch wieder geändert werden: die Karwoche als Bewährungsprobe des bisher sehr disziplinierten Verhaltens der Bevölkerung Österreichs.

Das sind entscheidende Unterschiede zum Vorgehen der deutschen Bundesregierung. Im Anbetracht der bisherigen Kommunikation zum Thema Corona scheint die Devise zu sein: „Wenn wir gar nichts sagen, müssen wir nicht zugeben, dass alle unsere bisherigen Aussagen falsch waren.“

Bei ihrer gestrigen Pressekonferenz wollte Angela Merkel noch kein Datum für Lockerungen nennen und sagte dazu: „Nachdenken tun wir, und es wird ein schrittweises Vorgehen sein“. Was heißt das jetzt? Denkt unsere Regierung also wenigstens nach? Wie schön. Und auch dazu, wie diese Lockerungen aussehen sollen, wollte Merkel nichts sagen. Für die Bundesregierung scheint es kein Problem zu sein, die Menschen ohne langfristige Perspektive zu Hause sitzen zu lassen. Gerade diese Unsicherheit schadet, weil sie jede private wie geschäftliche Planung verhindert.

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