Tichys Einblick
Bundestag debattiert Erbschaftssteuer

Wenn der Staat Omas Häuschen an die Armen verteilen will

Den Deutschen droht nächstes Jahr faktisch eine drastische Erhöhung der Erbschaftssteuer. Die CDU will die Regierung damit im Bundestag stellen und scheitert. Doch die Ampel-Parteien übernehmen das selbst.

Symbolbild

IMAGO / Christian Ohde

Die Bundesregierung hat vor, das Bewertungsgesetz zu ändern. Das bedeutet in der Praxis: Die gleichen Häuser und Grundstücke werden als deutlich teurer als bisher bewertet. Faktisch führt das zu einer Erhöhung der Erbschaftssteuer. Selbst die grünenfreundliche Süddeutsche Zeitung warnt vor dem Thema und kommt auf einzelne Rechnungen, in denen Erben 50.000 Euro mehr zahlen müssen als bisher. Bisher schützen Freibeträge das Vererben von Häusern. 500.000 Euro sind es für Ehepartner, 400.000 Euro für Kinder und 200.000 Euro für Enkel. Durch die neue Bewertung fallen diese Freibeträge nun immer häufiger.

Die CDU greift das brisante Thema auf. Sie beantragt im Bundestag höhere Freibeträge. Dafür schickt sie Olav Gutting ins Rennen. Der ist Fachanwalt für Erbrecht, seit über 20 Jahren im Bundestag und seit acht Jahren auch im Fraktionsvorstand. Politisch aufgefallen ist Gutting durch … Einer größeren Menge bekannt wurde er … Also, Gutting sitzt seit 20 Jahren im Bundestag und seit acht Jahren auch im Fraktionsvorstand. Die bisherigen Freibeträge reichten nicht aus, sagt er. Das Familienhaus müsse steuerfrei weitergegeben werden können, sagt er. Gestellt bekommt er die Ampel nicht. Eine Mehrheit findet er auch nicht.

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Die Ampel kann sich nicht entscheiden, wie sie sich vermarkten will. Einerseits möchte sie die Erben nicht vergrätzen und die Folgen der faktischen Erhöhung der Erbschaftssteuer kleinreden. Andererseits würde sich die linke Koalition gerne für die Besteuerung Besitzender feiern. In ihren Redebeiträgen im Bundestag tun sie beides – um Widersprüche schert sich in der Ampel schon lange keiner mehr.

So redet denn Tim Klüssendorf (SPD) das Thema klein: „Wir schützen Omas Häuschen.“ Es gebe ja auch keine Erhöhung, sondern nur eine neue Immobilienverwertungsordnung. Aber genau so feiert sich Klüssendorf: Eigentlich müsse die Erbschaftssteuer noch verschärft werden. Denn: „Ich habe nicht dafür gearbeitet, wenn ich von meinen Eltern ein Haus erbe. Für mich ist das leistungsloses Einkommen.“ Von jährlich 400 Milliarden vererbten Euro würden nur 11 Milliarden Euro besteuert – das müsse mehr werden.

Katharina Beck (Grüne) stellt die Erbschaftssteuer in den Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und den mit der Verarmung der Deutschen: 40 Prozent der Deutschen habe gar kein eigenes Vermögen, 70 Prozent würden nicht erben. Diesen Menschen wollten die Grünen helfen: „Wir müssen uns auf die fokussieren, die es brauchen – das sind nicht die 30 Prozent Erbenden.“ Schenkungen und Erbschaften würden „Ungerechtigkeiten“ zementieren. Um Rot-Grün zusammenzufassen: Niemand hat die Absicht, Omas Häuschen zu nehmen – aber es ist richtig, Omas Häuschen unter den Armen zu verteilen.

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Bliebe noch die FDP. Früher bekannt als bürgerliche Partei. Also eigene Verantwortung, eigene wirtschaftliche Initiative und das Recht, zu Wohlstand zu kommen. So weit die alte liberale Partei. Nun zur FDP, die als Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün fungiert: Die Behauptung, dass die Erbschaftssteuer erhöht werde, sei „totaler Quatsch“, sagt Claudia Raffelhüschen. Es handele sich um eine „realistischere Einschätzung des Wertes“. Nach „Sondervermögen“ für Schulden und „Freiheitsenergien“ für teuere Strompreise ist die FDP weit gekommen im Bereich der Sprachverdrehung.

Aber Raffelhüschen kündigt auch einen liberal-bürgerlichen Widerstand aus der FDP an: Ihr Fraktionsvorsitzender Christian Dürr habe ja selbst die Debatte um höhere Freibeträge angestoßen. Und die FDP diskutiere das Thema. Fraktionsintern. Die „liberalen Überzeugungen“ werden noch in die Debatte einfließen. Viel Zeit dafür bleibt allerdings nicht. Am morgigen Freitag wird der Bundestag die faktische Erhöhung der Erbschaftssteuer im Rahmen des Jahressteuergesetzes beschließen. Mutmaßlich mit den Stimmen der FDP. Aber die Erhöhung ist ja keine Erhöhung, sondern „eine realistischere Einschätzung des Wertes“ bitte schön und bitte sehr.

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