Tichys Einblick
ERFOLGLOSE STRATEGIE

Wie die türkische Regierung deutsche Politik(er) manipuliert und lenkt

Die türkische Regierung als auch türkische Rechtsextremisten bauen ihren Einfluss in Deutschland weiter aus, dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung hervor, die jedoch dieselbe erfolglose Strategie weiterverfolgt.

imago images / Lars Berg

Einerseits versucht die türkische Regierung, ihren Einfluss in Deutschland auszubauen, andererseits versuchen verstärkt türkische Rechtsextremisten, Einfluss auf die öffentliche politische Meinungsbildung in Deutschland zu nehmen. Dies geht aus einer bisher unveröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, worüber WELT zuerst berichtete, die TE vorliegt.

Türkische Regierung „langfristig geplante Diasporapolitik“

Laut Bundesregierung betreibe die türkische Regierung eine „langfristig geplante Diasporapolitik“, um Einfluss auf die türkische Diaspora und türkeistämmige Deutsche in Deutschland auszuüben. Versucht werde dies durch türkische Auslandsvertretungen in Deutschland – gemeint sind Gruppierungen, Vereine, Moscheegemeinden – und von regierungsnahen Organisationen und Personenzusammenschlüssen. Hervorgehoben wird dazu die „Union of International Democrats e.V.“ (UID). Sie wird in dem Papier als die „zentrale Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP in Deutschland“ genannt. Die Ressourcen der UID werden dafür eingesetzt, „den politischen Willensbildungsprozess in Deutschland im Sinne der AKP zu beeinflussen“

SETA Stiftung „firmierende Denkfabrik“

Besonders hervorzuheben ist, dass die Bundesregierung zum ersten Mal die berüchtigte „Stiftung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung“ (SETA) in diesem Kontext – des Versuchs einer Einflussnahme seitens der türkischen Regierung – benennt. Bei der Stiftung handele es sich um eine „firmierende Denkfabrik, die der türkischen Regierungspartei AKP nahesteht“. Es würden personelle Verbindungen zwischen der türkischen Regierung und der Stiftung existieren, welche seit 2017 ein Büro in Berlin unterhält. Die Stiftung werde dafür benutzt, die Standpunkte der „gegenwärtigen türkischen Regierung in deutscher Sprache unter dem Label Wissenschaft und Forschung“ zu veröffentlichen. Durch Veranstaltungen oder Publikationen würde die SETA versuchen, diese Standpunkte in den gesellschaftlichen Diskurs einzupreisen.

Öffentliches Aufsehen erhielt die Stiftung, als SETA mit dem höchst umstrittenen Politologen Farid Hafez die „European Islamophobie Reports“ 2019 herausgaben, in denen gezielt europäische Journalisten, Wissenschaftler und Politiker als „islamophob“ denunziert wurden, um dessen Kritik am Islam und an politisch-islamischen Strukturen zu deligitimieren und sie alle mit „antimuslimischen Rassismus“ zu verunglimpfen. Die EU finanzierte diese demokratiefeindlichen Berichte mit.

Türkische Rechtsextremisten vereinnahmen Amtsträger

Türkischen Rechtsextremisten würden versuchen, ihre Ziele innerhalb der bestehenden Rechtsordnung wie durch die „Einflussnahme auf die öffentliche und politische Meinungsbildung“ zu verfolgten. Insbesondere der „verbindlich organisierte Teil“ sei bemüht, über die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern sowie über Parteien einen „Einfluss auf den politischen Diskurs innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft“ zu nehmen. Die Bundesregierung hebt besonders den lokalpolitischen Bereich hervor, in welchem Teile der türkisch-rechtsextremen Szene versuchen, „interkulturelle Gesprächsformate“ zu besetzen. Hierzu wird die NRW-Kommunalwahl vom September 2020 genannt, als Politiker aus dem Umfeld des türkischen Rechtsextremismus kandidierten. TE hatte damals über die Unterwanderung der Parteien im Zuge der NRW-Kommunalwahl berichtet, sowie über den rechtsextremen Grauen Wolf, Sevket Avci, in der CDU, der von Ministerpräsident und CDU-Vorsitzenderkandidat Armin Laschet jahrelang geschützt wurde. Sevket Avci ist in der CDU ohne Konsequenzen aktiv, durfte trotz medialer Empörung an den Wahlen antreten und zog erneut in den Stadtrat Duisburg ein.

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Aus der Antwort der Bundesregierung geht auch hervor, dass nicht nur Politiker, sondern auch andere Amtsträger wie Polizeibeamte von dieser Unterwanderung betroffen sind. Dies lasse sich durch „sporadische Internetbeiträge“ feststellen, in denen uniformierte Polizeibeamte zu sehen seien, welche den im türkischen Rechtsextremismus verbreiteten Wolfsgruß zeigen würden. „Bisher konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass es sich tatsächlich um Polizeibeamte handelte“.

November 2020 gab es einen fraktionsübergreifenden Antrag im Bundestag, und das Bundesinnenministerium sollte ein Verbot der „Ülkücü“-Beweung prüfen. Doch derzeit ist ein Verbot der türkischen rechtsextremistischen Grauen Wölfe in Deutschland nicht zu erwarten, dies habe die ARD aus Sicherheitskreisen erfahren. Grund dafür seien die rechtlichen, zu hohen Hürden.

Einfluss Ankaras auf die Deutsche Islamkonferenz

Auch wird auf die Frage, welche Verbindungen Amtsträger zur Milli Görüs haben, explizit die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) genannt. Sie sei bemüht, als Dialog und Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft zu fungieren. Sie sei indirekt in der „Deutschen Islamkonferenz“ vertreten, da sie den „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“ (IR) dominant besetzte.

Die Milli-Görüs Bewegung ist seit den 70er Jahren in Deutschland und dient, wie TE berichtete, seit 2002 als Propagandainstrument und auch als Finanzquelle für das AKP-Regime. 2002 trafen sich Erdogan und der damalige Ministerpräsident Abdullah Gül mit der Führung der Islamischen Gemeinschaft Milli-Görüs (IGMG). Der Großteil der IGMG trennte sich von der Saadet-Partei zugunsten der AKP. Und in Deutschland wurden Vereine, Organisationen und Einrichtungen der AKP gegründet. Kurz: Die IGMG stellt eine essentielle Basis der AKP in Deutschland dar. Durch eine indirekte Vertretung in der Deutschen Islamkonferenz übt die Regierungspartei AKP auch Einfluss auf jene Konferenz aus.

Der „Zentralrat der Muslime“ wird in der Antwort verschwiegen

Gleichzeitig verwundert die Antwort der Bundesregierung, welche „Kenntnisse“ nicht in der Antwort veröffentlicht werden. Auf die Frage, welche Kenntnisse die Bundesregierung über Amtsträger zu staatstürkischen Verbindungen wie AKP, UID, DITIB, Milli Görüs und Grauen Wölfen besäße, folgt am Ende: „Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse über Verbindungen von Mandatsträgern zu den genannten türkischen Stellen und regierungsnahen Organisationen vor.“ UID, Graue Wölfe, DITIB und IGMG wurden zwar genannt aber: Wo ist der „Zentralrat der Muslime Deutschlands“ (ZMD)? Die Generalsekretärin des ZMDs, Nurhan Soykan, wurde als Beraterin im Auswärtigen Amt im Juli 2020 eingestellt. Der ZMD wird in der Nähe der islamistischen Muslimbruderschaft und der AKP-Regierung gesehen. Außerdem ist der türkisch rechtsextreme Verein ATIB, der vom Bundesverfassungsschutz den Grauen Wölfen zugeordnet wird, ein Gründungsmitglied und eine stete Mitgliedsorganisation des ZMD. Wie TE bereits aufzeigte, existieren direkte Verbindungen zwischen ZMD und ATIB. Verbindungen vom ZMD zur AKP und Präsidenten Erdogan sind von Wissenschaftlern und Journalisten längst ausfindig gemacht.

Unveränderte, erfolglose Strategie der Bundesregierung

Die FDP-Bundesfraktion stellte auch die wichtige Frage, welche Strategie die Bundesregierung verfolge, um der von türkischen staatlichen gesteuerten Überwachung und Einschüchterung auf deutschem Staatsgebiet entgegenzuwirken.
Antwort: „Das BfV klärt die fragegegenständlichen Sachverhalte intensiv auf und informiert durch Lagebilder und sonstige Berichte sowohl den politischen Raum als auch die Öffentlichkeit. Die Spionageabwehr des BfV tauscht sich zudem mit Nachrichtendiensten der EU-Staaten aus, soweit es die Aufgabenerfüllung erfordert, so auch zu den Aktivitäten türkischer Nachrichtendienste.“

VORBILD ÖSTERREICH
Österreichs Dokumentationsstelle Politischer Islam wirkt schon
Die hauptsächliche Strategie Deutschlands ist immer noch der Bundesverfassungsschutz (BfV) als Werkzeug. Angeblich würde der BfV intensiv Sachverhalte aufklären und die Öffentlichkeit und den politischen Raum aufklären. Doch wie viele Politiker und Bürger lesen sich die Verfassungsschutzberichte durch? Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, und damit die türkische Regierung, vertreten einen politischen Islam – eine Ideologie, die die Umgestaltung der Gesellschaft und des Staates anstrebt und zu demokratischen Grundsätzen sowie Menschenrechten im Widerspruch steht. Eine Aufklärung über den politischen Islam inklusive dessen Strukturen sowie Umgangs-Richtlinien für die Öffentlichkeit und Beamte existiert in Deutschland faktisch nicht.

Durch die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ Österreichs werden jedoch genau diese Ziele verfolgt, als auch Fragen, die bisher ungestellt sind. Der Extremismusforscher Lorenzo Vidino, welcher im wissenschaftlichen Beirat der Dokumentationsstelle vertreten ist, betonte in einem Grundlagenpapier, dass keine der europäischen Regierungen über formale Richtlinien verfüge, welche Behörden und Institutionen über eine korrekte Einordnung von Organisationen der – Vidino nannte hier die Muslimbruderschaft – informieren. Die Entscheidung über den Umgang werde Behörden und Mitarbeitern selbst überlassen. All die Jahrzehnte haben bewiesen, der deutsche Bundesverfassungsschutz hat in dieser einzigen Strategie keine positive Auswirkungen auf Beamte für einen Umgang mit türkischen Rechtsextremismus, AKP-Einfluss oder mit den politischen Islam.

Der Grund für die hohe Anzahl an Unterwanderung in Nordrhein-Westfalen dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine fehlende Aufklärungsarbeit seitens der Regierenden darstellen. Besonders der Erfolg der Unterwanderung von Erdogan-Lobbyisten, türkischen Rechtsextremisten und Islamisten zeigt das Problem auf, dass die Öffentlichkeit Deutschlands zu wenig Kenntnis über diese Phänomene hat. Stattdessen überlässt man es vollkommen den Journalisten, über solche Unterwanderungen zu informieren. Doch dies reicht nicht aus, um die Gesellschaft, vor allem muslimische und türkisch-stämmige Personen, zu schützen. Die Bundesregierung muss ihre Strategie in diesen Kampf ändern.

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