Tichys Einblick
Energiesicherheit

Die Bundesregierung weiß über ihre eigenen Pläne zum Kohletransport nicht Bescheid

Wegen Niedrigwasser und der Reaktivierung von Kohlekraftwerken soll der Energietransport auf der Schiene zunehmen. Eine Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zeigt, dass die Bundesregierung entweder nicht weiß, mit welchen Kosten und Kapazitäten dies verbunden ist – oder es nicht sagen will.

IMAGO / Gottfried Czepluch

Niedrigwasser und schlechte Bahninfrastruktur: In Zeiten der Energiekrise droht der Kohletransport für die Kraftwerksversorgung zum Problem zu werden. Der Energiekonzern Uniper warnte bereits Anfang August davor, dass die Stromproduktion in zwei Kohlekraftwerken gedrosselt werden müsse, weil der niedrige Rheinpegel Kohletransporte verhindere. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt befürchtet ein Jahrhundertniedrigwasser wie 2018.

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Doch die Verlagerung der Kohle vom Schiff auf die Schiene gestaltet sich problematisch. Die Verlegung stellt das sowieso schon überlastete Bahnnetz vor unerwartete Herausforderungen. Laut Energiesicherheitspaket soll der Kohle zwar Vorrang eingeräumt werden. Doch das könnte dazu führen, dass die notorische Unpünktlichkeit der Bahn im Personen- wie Güterverkehr weiter zunimmt. Bereits im Februar war bekannt, dass das Schienennetz nicht mehr den heutigen Herausforderungen gewachsen ist.

Wie also reagiert die Bundesregierung auf dieses Amalgam von Herausforderungen? Der energiepolitische Sprecher der AfD, Steffen Kotré, wollte von der Bundesregierung wissen, welche Kosten durch diese Transportverlegung entstehen und welche Transportkapazitäten gesichert zur Verfügung stünden. Die Antwort fällt wie so häufig aus: Die Bundesregierung weiß es nicht.

In einem kurzen Antwortschreiben verweist Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Bundeswirtschaftsministerium darauf, dass man zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium eine Verordnung erarbeite, um „schienengebundene Transporte von Energieträgern gegenüber anderen Transporten“ zu priorisieren. Graichen belehrt den Abgeordneten:

„Ziel der Verordnung ist es gerade, hohe volkswirtschaftliche Kosten zu vermeiden, indem unter Nutzung der bestehenden Transportkapazitäten die Versorgung von Kraftwerken mit Energieträgern nach Möglichkeit gewährleistet wird. […] Die Höhe der durch die Priorisierung angestrebten volkswirtschaftlichen Kostenvermeidung wird von einer Reihe von Faktoren abhängen, deren Wirkung nicht pauschal ex-ante beurteilt werden kann.“

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Der Abgeordnete zeigt sich ungehalten über diese Abfuhr. „Ohne gesicherte Transportkapazitäten für Steinkohle steht nun das dritte Standbein der Energieversorgung Deutschlands auf der Kippe, nach der Verschleppung der notwendigen Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke und der grob fahrlässigen Kappung unserer sicheren Versorgung mit Erdgas“, bewertet Kotré die Antwort in einer Pressemitteilung. Die pflichtwidrige Auskunftsverweigerung zeige eine „bodenlose Verachtung“ für demokratische Institutionen und lege nahe, dass die Bundesregierung trotz „katastrophalen Zustands unserer Energiesicherheit“ das Land weiter in Richtung Abgrund steuere.

Die Antwort auf die schriftliche Anfrage ist demnach ein echter Graichen: Die Bundesregierung will die Kohle auf die Schiene verlegen, weiß aber nicht wieviel und wo und was es kostet.

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