Tichys Einblick
"Bundesaufnahmeprogramm"

Bundesregierung und „Zivilgesellschaft“ verstetigen die Zuwanderung aus Afghanistan

Mit einem „Bundesaufnahmeprogramm“ wird die legale Zuwanderung von Afghanen nach Deutschland zur Regel. 1000 „besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen“ monatlich sollen kommen – mit ihren Angehörigen. „Zivilgesellschaftliche Organisationen“ entscheiden, wer kommt – und kassieren.

Annalena Baerbock und Nancy Faeser im Bundestag, 07.09.2022

IMAGO / Future Image

Die stetige Zuwanderung von Afghanen nach Deutschland wird zur offiziellen Regierungspolitik. Und wer kommt, entscheiden „zivilgesellschaftliche Organisationen“. Ein entsprechendes Programm, das Innenministerin Nancy Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock am Montag präsentierten, trägt laut der eigens eingerichteten Website den Namen „Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan“ (im Untertitel „Aufnahmeprogramm der Bundesregierung für Menschen aus Afghanistan“). Die Überschrift lässt also reichlich interpretatorischen Raum.

In der Überschrift der Pressemitteilung ist von „besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen“ die Rede. Das unmittelbar nach der Machtübernahme der Taliban stets genannte Aufnahmekriterium „Ortskraft“, das auch bei großzügiger Auslegung eine gewisse Begrenzung des Berechtigtenkreises bedeutete, wird also abgelöst durch das Kriterium „besonders gefährdet“. Faeser sprach zwar von einer „Grundlage festgelegter Aufnahmekriterien“, aber welche diese sind, sagte sie nicht. Eine „Aufnahmeanordnung“ wird auf der Website angekündigt, liegt aber noch nicht vor.

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Zur Entscheidungsinstanz über die Gefährdung und damit über das Recht, legal nach Deutschland einzuwandern, haben Faeser und Baerbock „zivilgesellschaftliche Organisationen“ gemacht. Mit ihnen zusammen sei das Programm erstellt worden. Ihnen danken Faeser und Baerbock ausdrücklich. Für sie wird eine „Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft“ eingerichtet, über die es beim Innenministerium heißt: „Um für eine Aufnahme im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan in Betracht gezogen zu werden, sind geeignete Personen von meldeberechtigten Stellen vorzuschlagen. Die meldeberechtigten Stellen wurden aufgrund ihrer spezifischen Kenntnisse über für die Aufnahme in Frage kommenden Personen oder Verhältnisse in Afghanistan durch die Bundesregierung für dieses Vorschlagsrecht ausgewählt. Meldeberechtigt sind u.a. zivilgesellschaftliche Organisationen.

Die teilnehmenden zivilgesellschaftlichen Organisationen werden durch eine vom BMI finanzierte Koordinierungsstelle bei diesem Verfahren unterstützt.“ Das Aufnahmeprogramm ist also auch ein verstetigtes Unterstützungsprogramm der Bundesregierung für diese „zivilgesellschaftlichen Organisationen“. Oder in den Worten von Bundesinnenministerin Faeser: „Bei der Umsetzung gehen wir in der engen Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen neue Wege und Kooperationsformen ein, die es so bisher nicht gegeben hat. Dafür stärken wir die Strukturen der zivilgesellschaftlichen Organisation insbesondere mit einer Koordinierungsstelle, um sie bei der Beteiligung am Programm zu unterstützen.“

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Eine Liste dieser Organisationen ist auf der Website der Koordinierungsstelle noch nicht zu finden. Im Impressum ist Marcus Grotian genannt, ehemaliger Bundeswehrsoldat und Mitglied des „Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte e.V.“. Auf der Website des BMI für das Bundesaufnahmeprogramm heißt es nur: „Die meldeberechtigten Stellen wurden aufgrund ihrer spezifischen Kenntnisse über für die Aufnahme in Frage kommenden Personen oder Verhältnisse in Afghanistan durch die Bundesregierung für dieses Vorschlagsrecht ausgewählt.“ Ein klassischer Zirkelschluss: Weil die Organisationen die auszuwählenden Afghanen kennen, werden sie selbst von der Bundesregierung ausgewählt. Tatsächlich entscheiden also nun „zivilgesellschaftliche Organisationen“ in quasi-staatlicher Ermächtigung über die Einwanderung von Afghanen.

Das Programm war im Koalitionsvertrag schon angekündigt worden. Verschiedene Hilfsorganisation hatten schon im Juli und dann nochmals im September in Briefen an die Bundesregierung Druck ausgeübt. Dazu gehören zum Beispiel die für ihre „Seenotrettungseinsätze“ und linksextreme Äußerungen bekannte „Mission Lifeline„. Sie hatten „fehlende staatliche Ressourcen“ beklagt und jene „Koordinierungsstelle“ gefordert, die sie jetzt erhalten.

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Faeser betonte in der Pressemitteilung, die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Kommunen im Blick zu haben, weil diese durch die hohe Zahl in diesem Jahr nach Deutschland gekommener Flüchtlinge bereits belastet seien. Da stehen auch Zahlen: Es sei „geplant, im Monat ca. 1.000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen mit ihren Familienangehörigen aus Afghanistan aufzunehmen. Das entspricht dem Umfang der Aufnahmen besonders gefährdeter Afghaninnen und Afghanen in den vergangenen Monaten.“ Die Zahl 1000 pro Monat sagt aber nicht viel aus. Dass jeder gefährdete Afghane möglichst viele „Familienangehörige“ mitzubringen versuchen wird, ist naheliegend. Tatsächlich werden also wohl mehrere Tausend Afghanen pro Monat legal einwandern dürfen.

Bisher hat die Bundesregierung laut eigener Angaben „für ca. 38.100 Afghaninnen und Afghanen eine Aufnahme zugesagt. In den vergangenen Monaten wurden im Schnitt für ca. 1.000 Personen im Monat Aufnahmen erklärt. Unter den Personen mit Aufnahmezusage befinden sich ca. 24.500 ehemalige Ortskräfte und ca. 13.600 weitere gefährdete Afghaninnen und Afghanen, jeweils einschließlich berechtigter Familienangehöriger. Davon sind mehr als zwei Drittel (ca. 26.000 Personen) bereits nach Deutschland eingereist.“

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