Tichys Einblick
Regierungserklärung Verteidigungsministerin

Bitte etwas mehr Ehrgeiz!

Es besteht die Gefahr, dass unsere Bundeswehr mal wieder hinter anderen politischen Ambitionen zurückzustehen hat, so Josef Kraus und Richard Drexl, Autoren des aktuellen Buchs zur Lage der Bundeswehr „Nicht einmal bedingt abwehrbereit“.

Cuneyt Karadag/Anadolu Agency via Getty Images

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat unmittelbar nach ihrer Vereidigung eine erste Regierungserklärung als neue Bundesministerin der Verteidigung und damit als sog. Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt in Friedenszeiten (IBuK) abgegeben. 18 Minuten hat sie sich dafür Zeit genommen – beziehungsweise haben ihr die Redenschreiber zugestanden, ehe dazu im eilends einberufenen Bundestag eine Aussprache erfolgte. Übergehen wir diese Aussprache, in der alle Fraktionssprecher so antworteten, wie es zu erwarten war. Erwähnenswert ist hier allenfalls, dass der Sprecher der SPD-Fraktion, und damit der Sprecher der anderen GroKo-Partei, sprach, als ob er der Opposition angehörte.

Wenig Wissen, viel Meinung
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Konzentrieren wir uns auf die 18 Minuten der neuen IBuK. Klar, das war zu wenig Zeit für eine umfassende Lage- und Perspektivanalyse. Aber es war immerhin mehr und konkreter als das, was die GroKo-Partner im Frühjahr 2018 in einem 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag an dürren drei Seiten über Sicherheitspolitik und Bundeswehr versteckt hatten.

Nun, Kramp-Karrenbauer ist jetzt die neue Verteidigungsministerin. Sie soll ihre Chance haben, aber sie muss die Chance vom ersten Tag an nutzen. Womöglich bleiben ihr in diesem Amt allenfalls zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 oder gar noch weniger, falls die GroKo platzt.

18 Minuten Regierungserklärung – das reicht allenfalls für ein paar Absichtserklärungen. Das sei eingeräumt, aber es hätte ehrgeiziger, mutiger, konkreter und detaillierter ausfallen müssen. Schreiben wir ihr hier bei TE sieben Punkte in ihr Pflichtenheft, das sie ab sofort zu erfüllen hat. Weitere Punkte werden im Laufe der Zeit hinzukommen. TE bleibt am Ball.

1. Die NATO-Bündnistreue pflegen

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Bündnistreue bedeutet im Kern die Übernahme gleicher Lasten und Pflichten durch alle Partner, sonst kommt ein hochkomplexes Gebilde wie die NATO aus dem Gleichgewicht. Die Bundeswehr muss daher auch Aufgaben übernehmen, die „robust“, das heißt „kriegerisch“, sind. Nur Überwachungsflüge zu veranstalten, beim Nachschub behilflich zu sein, Ausbildungsinitiativen für andere Armeen zu starten, Sani-Kompanien zur Verfügung zu stellen und andere NATO-Armeen das Kriegshandwerk erledigen zu lassen, das ist das Gegenteil von Lastenteilung im Bündnis. Davon ist in AKKs Regierungserklärung leider nicht die Rede. Immerhin tritt sie für die seit dem NATO-Gipfel 2002 von Prag geltende und wiederholt bestätigte Vereinbarung aller NATO-Mitgliedsländer ein, die jeweiligen Verteidigungsausgaben im Rahmen des BIP-Wachstums zu erhöhen und bis 2024 auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen. Das hat nichts mit den regelmäßigen Ermahnungen eines Donald Trump zu tun, sondern es ist dies NATO-Konsens. Damit nicht einige wenige die Hauptlast tragen müssen und andere es sich dahinter bequem einrichten können. Deutschland ist damit gemeint, es dümpelt nach wie vor bei 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung und Rüstung vor sich hin. AKK dazu: „Auf dem Weg dahin müssen und wollen wir bis 2024 ein Verteidigungsbudget in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes erreichen.“ Das ist löblich, aber zu bescheiden. Nein, die Bundeswehr braucht jedes Jahr ein Plus an 3 Milliarden, die freilich diszipliniert und gezielt eingesetzt werden müssen. Zum Beispiel, das hat AKK gesagt, für „Ersatzteilversorgung nahe an die Truppe.“ Aber bis 2024 sollten es dann wenigstens 1,8 Prozent BIP-Anteil sein.
2. Gegen den typisch deutschen Pazifismus angehen

In Deutschland ist man stolz darauf, alles Militärische argwöhnisch zu betrachten und so zu tun, als sei 1990 global der ewige Friede ausgebrochen und als könne man die dadurch entstandene Friedensdividende wieder und wieder verfrühstücken. Nein, so ist es nicht. Die Bedrohungen von Frieden und Freiheit stehen vor Europas Türen: Russlands und Chinas Expansionsgelüste, der Nah-Ost- und Nordafrika-Krisenbogen, die Herausforderungen des Terrorismus, Bedrohungen durch Cyber-Kriege usw. Hier muss gerade eine Verteidigungsministerin noch viel deutlicher in den Ring der öffentlichen Auseinandersetzung steigen.

3. Das Vertrauen der Truppe wiedergewinnen

AKKs Vorgängerin, Ursula von der Leyen, hat die Truppe mit absurden Vorwürfen vor den Kopf gestoßen: Ein Haltungsproblem habe die Bundeswehr und Führungsschwächen. Es ist eine von AKKs wichtigsten Aufgaben, das zerdepperte Porzellan zu kitten. Sie hat einen Anfang gemacht, als sie sagte: „Ich habe größten Respekt vor den Soldatinnen und Soldaten, für ihren Dienst, und vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Bundeswehr … und Stolz auf die enorme Leistung der mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten, die jeden Tag für Deutschlands Sicherheit einstehen und unsere Freiheit verteidigen.“ Im Alltag heißt das für AKK: Raus in die Einheiten im In- und Ausland! Gespräche mit allen Dienstgraden ohne Aufpasser! Echte und offene Begegnungen – ohne Presse und ohne Gefechtsfeldtourismus. Nebenbei an die Kollegen von den Medien: Es ist auch ihre Aufgabe, unsere Armee kritisch, aber konstruktiv zu begleiten.

4. Ein realistisches Bild einer „Europäischen Verteidigungsunion“ entwickeln

AKK meinte: „Wir wollen Europa stark machen – auch in handfesten militärischen Fähigkeiten.“ Zuvor schon hatte sie wie Merkel von einer „europäischen Armee“, gar einem „europäischen Flugzeugträger“ geschwärmt. Nein, da ist ihr doch eine Vision durchgegangen, die einer Re-Vision bedarf. Europäische Militär- und Sicherheitspolitik geht nur auf Augenhöhe, aber nicht so, wie bislang, als die Franzosen ständig die Köche und die Deutschen die Kellner gaben. Und apropos „Flugzeugträger“: Wie realistisch ist es, sei rhetorisch gefragt, dass sich das zwangsweise von Atomenergie befreite Deutschland an einem atombetriebenen Flugzeugträger mit französischen Atomwaffen beteiligt?

5. Die Bundeswehr öffentlich sichtbar machen

AKK sagte dazu durchaus berechtigt: „Wir werden die Sichtbarkeit der Bundeswehr in unserem Land, in unserer Gesellschaft erhöhen. Ob das das freie Bahnfahren in Uniform ist, oder Gelöbnisse oder Zapfenstreiche in der Öffentlichkeit …. Die Bundeswehr gehört erkennbar und sichtbar in die Mitte unserer Städte und Gemeinden. Ich habe alle Ministerpräsidenten angeschrieben und Ihnen vorgeschlagen, zum Geburtstag unserer Bundeswehr am 12. November in ihren Bundesländern öffentliche Gelöbnisse durchzuführen. Das wäre ein starkes Signal und ein großartiges Zeichen der Anerkennung für unsere Soldatinnen und Soldaten.“ Völlig d‘accord! Die Gelöbnisse dürfen nicht aus Angst vor Antifa-Ausschreitungen auf Kasernenhinterhöfe verbannt werden.

6. Deutsche Sonderwege auf den Prüfstand stellen

AKK betonte, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee sei. Stimmt, aber das Prinzip Parlamentsarmee ist ein deutscher Sonderweg. Kein anderes NATO-Land „leistet“ sich eine solche Schwerfälligkeit bei Entscheidungen über mögliche Einsätze ihrer Armee. Es ist höchste Zeit, hier ein vom Bundestag beschlossenes Gesamtmandat für die Bundeswehr anzustreben, in dessen Rahmen die Exekutive flexibler und rascher entscheiden kann.

7. Den Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre ohne Ansehen der Person begleiten

Von der Leyen ist nach Brüssel in die EU-Kommission weggegangen. Der Untersuchungsausschuss zu den mehr als 200 Millionen, die sie für Beraterverträge zuließ, stellt damit seine Arbeit nicht ein. AKK hat hier konsequent und ohne Ansehen der Person ihrer Vorgängerin die Aufklärung zu unterstützen.

Ein Kernproblem für AKK und damit die Bundeswehr aber ist, dass CDU-Vorsitz und IBuk nicht zusammen gehen. Man kann eine Partei wie die CDU mit mehr als 400.000 Mitgliedern und zahlreichen Landesverbänden nicht so nebenher aus dem Bendlerbock heraus führen, und man kann das Verteidigungsministerium nicht aus dem Sessel der CDU-Bundesvorsitzenden leiten. Will sagen: Beides geht nicht zusammen. Das konnte sich nur eine CDU-Vorsitzende Merkel leisten, allerdings um den Preis, dass die CDU zu einer Unterabteilung des Kanzleramtes herabgestuft und quasi kannibalisiert wurde. Wie AKK beide je für sich 60- bis 80-Stunden-Jobs schultern will, steht in den Sternen. Es besteht jedenfalls die Gefahr, dass unsere Bundeswehr mal wieder hinter anderen politischen Ambitionen zurückzustehen hat.


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