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Streit vor Gericht

Berlin: Polizei verbietet mehrere Corona-Demos und erlaubt Gegenveranstaltungen

Mehrere Corona-Demos dürfen nach derzeitigem Stand am Pfingstwochenende in Berlin nicht stattfinden.

Polizeipäsenz beim Autokorso mit Abschlusskundgebung von Gegnern der Corona-Politik am Theodor-Heuss-Platz in Charlottenburg. Berlin, 21.05.2021

IMAGO / Future Image

Die Polizei Berlin hat vor dem Pfingstwochenende elf Versammlungen verboten, darunter auch Großdemos von Maßnahmengegnern. Grund seien prognostizierte Verstöße gegen die Infektionsschutzverordnung, teilte die Polizei Berlin mit. Bei einem Aufzug zum Thema “Nahostkonflikt” käme die “Störung des öffentlichen Friedens” hinzu, etwa durch das Rufen volksverhetzender und antisemitischer Parolen. Verbote gegen Corona-Demos haben das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt. Die Veranstalter teilten in der Nacht vom Freitag zum Samstag mit, dass man Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eingelegt habe.

Augenscheinlich hat die Polizei vor allem regierungskritische Demonstrationen verboten. Eine veröffentliche Liste nennt unter anderem Versammlungen von “Pfingsten in Berlin” und “Für Frieden, Freiheit und Grundrechte” mit bis zu 16.000 Teilnehmern, eine Kundgebung “Merkel soll zurücktreten” und den “Medienprotestmarsch ‚Kinder sind keine Laborratten’”. Kleinere Kundgebungen von Maßnahmen-Kritikern, die offenbar weniger zentral stattfinden, hat die Polizei erlaubt. Hingegen hat die Polizei offenbar keine einzige Gegendemo verboten: Zugelassen wurden laut einer Liste etwa eine Versammlung gegen “Rechtsruck und Corona-Leugnung” und eine “Gedenkveranstaltung für die Opfer des Coronavirus und gegen Querdenkende und Corona-Leugnende”. Auch eine Demo “Gegen Mieterwahnsinn” mit 10.000 Teilnehmern darf laut dem Spiegel am Sonntag stattfinden.

Der Querdenken-Anwalt Ralf Ludwig äußerte Kritik. Er hatte gerichtlichen Einspruch gegen mehrere Verbote erhoben. Außerdem seien die Verbotsbestätigungen der Gerichte redundant. “Man findet in solchen Entscheidungen keine Bezugnahme auf wissenschaftliche Studien, sondern mehr oder weniger nur Bezugnahmen auf die eigenen Entscheidungen, die man getroffen hat”, sagte Ludwig. Dass die Inzidenzen gar keine Aussagekraft hätten, wüsste im Prinzip jeder, aber die Gerichte wollten es nicht wahrhaben. “Man möchte die politische Meinung, die Querdenken hat, nicht auf der Straße haben”, erklärte der Anwalt.

Die Polizei Berlin verwahrte sich in der Mitteilung dagegen, parteiisch zu sein. Man richte sich nach den gesetzlichen Vorgaben, wäge die Grundrechtspositionen ab und gehe mit Augenmaß vor. “Dass lediglich zu elf der rund 90 angezeigten Versammlungen Verbotsbescheide ergingen, stellt diesen Umstand noch einmal klar heraus”, schreibt die Polizei.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg begründete seine Entscheidung damit, dass die “negativen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit mit dem zu erwartenden Teilnehmerkreis aus der ‘Querdenker-Szene’” ein Verbot rechtfertigten. Denn gerade an prominenten Orten der Stadt sei zu erwarten, dass die Infektionsschutzregeln nicht eingehalten würden.

Bereits am Freitagabend bildeten Maßnahmen-Kritiker Autokorsos gegen die Corona-Maßnahmen. Hunderte Autos fuhren laut Spiegel in Richtung Charlottenburg. Die Polizei rechnet offenbar mit zahlreichen Demonstranten. Dem Spiegel-Bericht zufolge plant die Polizei einen Großeinsatz mit 3.000 Beamten. Zuletzt wurden Maßnahmen-kritische Versammlungen nur mäßig besucht. Führende Köpfe der Querdenken-Bewegung hatten sich unzufrieden mit den Protesten der vergangenen Monaten gezeigt. Etwa sagte der Anwalt Markus Haintz in Nürnberg: “Wir sind zu wenige” (TE berichtete). Er sprach sich für eine Strategieänderung aus.

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