Tichys Einblick
Fachkräfte aus Krisenregionen?

Baerbock will mit erleichterter Visavergabe Zuwanderung noch weiter beschleunigen

Annalena Baerbock will die Visavergabe beschleunigen, Fachkräfte aus aller Welt sollen leichter Visa erhalten. Liest man genauer stellt man fest: Hinter Fachkräften stecken doch wieder Zuzüge aus Kriegs- und Krisenregionen sowie Familiennachzug. Ein übler Roßtäuschertrick.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit Arbeits- und Sozialminsiter Hubertus Heil (SPD), 11. Januar 2023

IMAGO / Metodi Popow

Das Auswärtige Amt will die Visavergabe beschleunigen und digitalisieren. Außerdem sollen die bearbeitenden Stellen ausgebaut werden und mehr Personal bekommen. Mehr als 100 zusätzliche „Visa-Entscheiderinnen und -Entscheider sowie lokale Beschäftigte“ will man einstellen. Der angebliche Hintergrund der Entscheidung: Bei „Fachkräftevisa“ will man Volldampf geben, 50.000 bis 100.000 mehr davon sollen künftig im Jahr bearbeitet werden. So heißt es in einem internen Arbeitspapier, das den Medien der Funke-Gruppe (früher WAZ-Gruppe) vorliegt und in dem sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu den Vorhaben äußert.

Der Titel des Papiers klingt schon ganz nach Volldampf und Hochgeschwindigkeit: „Aktionsplan Visabeschleunigung“. Ein besonderer Fokus liegt in dem Papier angeblich auf der Zuwanderung der berühmten Fachkräfte, die beinahe schon aus der Mode gekommen waren, seit verschiedenste Gruppen lauthals „Arbeitskräfte“ fordern, teils sogar die fragwürdige Metapher vom „migrantischen Gold“ wiederbeleben (so die taz). Daneben wird aber klar, dass es keineswegs nur um „Fachkräfte“ gehen wird.

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Ein zentrales Standbein der künftig zu steigernden Visavergabe soll das 2021 neugegründete Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) mit Sitz in Brandenburg an der Havel werden. Dort sollen bis 2024 „circa 100.000 Visa jährlich“ entschieden werden. Damit würden die dort bearbeiteten Anträge innerhalb von vier Jahren vervierfacht. Auch hier soll es folglich Stellen regnen. Zahlreiche Visumsanträge würden dann in weiter örtlicher Entfernung von den Antragstellern entschieden, was wiederum Zweifel an der Vertrautheit der Sachbearbeiter mit Land und Leuten weckt. Denn gestellt werden die Anträge ja wohl weiterhin in Peking, Istanbul, Rabat oder Abuja.

Daneben soll die Visavergabe auch gemäß dem Koalitionsvertrag digitalisiert werden, woraus man sich wiederum eine Beschleunigung erhofft. Die Digitalisierung des öffentlichen Dienstes im Inland lahmt derweil. Auch das sagt viel über die Prioritäten der Ampel.

Die Visavergabe war nie von der sogenannten „Fluchtmigration“ zu trennen

Schon einmal hatte es im Auswärtigen Amt geheißen: „In dubio pro libertate – im Zweifel für die (Reise-)freiheit.“ Das Zitat stammt aus dem sogenannten Volmer- oder Fischer-Erlass aus rot-grünen Regierungszeiten, der ebenfalls den Abbau bürokratischer Hürden bei der Visavergabe vorsah. Damals, in den frühen 2000er-Jahren, weckten zahllose Visa, die an der deutschen Botschaft in Kiew erteilt wurden, Zweifel an der Verlässlichkeit dieser Praktiken. CSU-Politiker sprachen von Menschenhandel, Schwarzarbeit und Prostitution, die so gefördert würden. Und schon damals ging es eigentlich um die Beschleunigung der Antragsbearbeitung. Die Kiewer Botschaft wurde von einer Antragsflut überrollt. Visa wurden im Minutentakt, also en masse, vergeben. Das BKA rekonstruierte später die Schleuserkriminalität, die sich durch die vereinfachte Praxis ergeben hatte.

Drohen ähnliche Gefahren auch aus der kommenden Baerbock-Praxis? Man kann es nicht ausschließen. Auf der Website des Auswärtigen Amtes lobt man sich schon heute für eine Steigerung bei der Visa-Erteilung. Im Jahr 2021 wurden demnach fast 305.000 nationale Visa erteilt, was eine deutliche Steigerung von etwa 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Man liege dabei „nahezu auf Vor-Pandemieniveau“, was zumal für langfristige Visa gelte (2019 erteilt: 324.636 nationale Visa). Bearbeitet wurden 349.689 Anträge für nationale Visa. Hinzu kommen 287.614 erteilte Schengen-Visa, bei denen man noch etwas entfernt ist vom Vor-Pandemiestand, der 2019 bei fast zwei Millionen (1.959.401) Schengen-Visa lag. Die größten Aussteller waren die Botschaften und Konsulate in China, Russland und der Türkei mit einigen hunderttausend erteilten Visa. Es gab aber auch 12.867 Schengenvisa für Marokkaner, knapp 7.000 wurden in Nigeria ausgestellt, 10.000 im Irak und 40.000 im Iran, um einige der wichtigsten Asyl-Herkunftsländer zu nennen.

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Die Visa-Praxis war, das zeigen diese Zahlen, nie ganz von der sogenannten „Fluchtmigration“ zu trennen, sollte es auch gar nicht sein. Neben wirtschaftlichen Zwecken werden auch „humanitäre“ Kontingente durch vergebene Visa begründet, die dann in Deutschland bzw. im Schengenraum aufzunehmen sind. Die Konformität der Vergabepraxis mit dem Schengener Abkommen wurde schon in der ersten Visa-Affäre unter Rot-Grün – so vom damaligen Innenminister Otto Schily – bezweifelt. In der Tat bedeutet eine erleichterte Visavergabe ein Leck für den gesamten Schengenraum. Unterschiedliche Gesetze können zu Unwuchten führen, wenn ein Land die Visavergabe vereinfacht und so für mehr Schwarzarbeit in einem Nachbarland sorgt. Vor allem werden die Erleichterungen aber wohl zu Lasten Deutschlands gehen, das weitere, nun sogar ziemlich anstrengungslose Zuwanderungswege öffnet.
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Im Artikel der Funke-Gruppe klingt an, welche politisch relevanten Akteure heute vor allem durch die Visa-Erleichterungen zufriedengestellt werden sollen: „Menschenrechtsgruppen“ hätten schon seit Jahren die bürokratischen Verfahren für humanitäre und Fachkräftevisa kritisiert, heißt es da in schönstem Eine-Welt-Sprech. Oftmals müssten Menschen „in Krisenregionen ausharren, während ein Teil der Familie schon in Deutschland“ lebe. Gewollt sind also „ausharrende“ Fachkräfte aus Krisenregionen, oder wie darf man es verstehen? Besteht zwischen beiden Gruppen überhaupt eine klare Trennlinie in der grünen Weltsicht?

Auch Wirtschaftsverbände fordern laut den Funke-Medien eine schnellere Visavergabe. Aber auch dieser Wunsch kann nicht der alleinige Maßstab sein, wo es etwa um Geringqualifizierte geht – zumal sogar Baerbock darauf hinweist, dass Visa auch missbraucht werden können. Das müsse verhindert werden, außerdem müsse man „terroristische Gefahren eindämmen“. Aber das klingt seltsam lasch und zeigt deutlich die Gefahren der Reisefreiheit aus Krisenregionen, von der es ja eigentlich so schon genug gibt. Lechzen Wirtschaft und Bürger wirklich nach mehr legalisierter Zuwanderung aus Kriegs- und Krisenregionen? Das kommende Baerbock-Papier wirft Fragen über Fragen auf.

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„Visa dienen Menschen, daher wollen wir ein besonderes Augenmerk auf Familiennachzug legen. Er muss im Sinne der Bedarfe von Familien ausgerichtet sein“, schreibt Baerbock in ihren Erläuterungen. Doch dienen diese Visa auch Deutschland? Diese Frage mag in grünen Ministerien nicht besonders relevant sein. Für die Bürger ist sie es allemal. Jedenfalls wird durch die knackige Formulierung klar, dass Baerbocks erstes Interesse nicht einer funktionierenden Wirtschaft gilt, sondern der gefühligen Durchsetzung universaler Zuzugsrechte auf dem Umweg der „humanitären“ Visavergabe inklusive Familienzusammenführung in Deutschland. Derzeit seien die Wartefristen hier zu lange, ja „immens“, wie die Funke-Gruppe schreibt. Teilweise lägen sie bei mehr als einem Jahr. So spielt man Pingpong mit der Außenministerin.

„Effektive Instrumente“ für humanitäre Aufnahmen aus Kriegs- und Krisengebieten sollen erschaffen und durchgesetzt werden, so wieder Baerbock. Man ergänzt so die Armutsmigration via Asylrecht durch möglichst umfangreiche Kontingente, wie sie derzeit ja schon für Afghanistan – auf Initiative von Baerbock und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) – Anwendung finden. Auch die Deutschkurse im Ausland will man ausbauen.

Zudem soll es künftig mehr „visumsbefreite Länder“ geben, aus denen Migranten also ganz ohne Visum nach Deutschland „zur unmittelbaren Arbeitsaufnahme“ einreisen können. Aber das erweckt nach allem Gesagten am wenigsten Vertrauen auf wirtschaftlichen Gewinn. Eher scheint mit und ohne Visavergabe eine große Vermengung der Migrationsgründe anzustehen. Man (die Ampel-Regierenden) wird dabei jedem Kriegs- und Krisenflüchtling sicher zubilligen, dass er sich in Deutschland eine neue Existenz aufbauen wolle. Die normalen Asylverfahren werden so ersetzt und vorweggenommen von einer undurchsichtigen Außenamts-Bürokratie unter grüner Führung.

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