Tichys Einblick
Ein Flop nach dem anderen

AKK-Vorschlag eines „Nationalen Sicherheitsrates“ ist überflüssig

Eine solcher „Rat“ wäre nur sinnvoll, wenn er den starren Parlamentsvorbehalt lockern ließe.

Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images

Annegret Kramp-Karrenbauer hat politisch nicht das große Los gezogen. Sie wollte es so, wohl um sich für noch höhere Ämter zu empfehlen. Bewusst zog sie zwei Lose, die eher einem zweifachen Einsatz als Pflegekraft für Pflegefälle Stufe 3 („Schwerstpflegebedürftigkeit“) gleichkommen: den Bundesvorsitz der CDU und das Amt der Bundesministerin der Verteidigung. Das ist ein bisschen viel auf einmal und wohl der Grund, dass sich hier AKK-Hopps und -Flops die Waage halten. Das war zu erwarten. Als CDU-Parteivorsitzende bekommt sie zum Beispiel ab, was eigentlich der Frau im Kanzleramt gälte.

Bleiben wir bei der Verteidigungsministerin. Auf der Habenseite AKK stehen ihre engagierte Forderung nach zwei Prozent BIP-Anteil Rüstungsausgaben und zuletzt das Sichtbarmachen der Bundeswehr bei öffentlichen Gelöbnissen. Unübersehbar aber sind AKK-Flops: Vor allem ihr unbedachter Vorschlag, die Bundeswehr solle sich mehr in Nordsyrien engagieren.

Und dann kommt sie mit ihrem Vorschlag, es solle ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden. So die Ministerin am 7. November 2019 bei einer Grundsatzrede an der Universität der Bundeswehr in München.

Es gibt längst den Bundessicherheitsrat und das Sicherheitskabinett

Was also soll ein „Nationaler Sicherheitsrat“? Seit 1955 (Adenauer!) gibt es den Bundessicherheirat. Er ist wie folgt definiert: „Der Bundessicherheitsrat (BSR) ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Seine Sitzungen, die von der Bundeskanzlerin geleitet werden, sind geheim. Der Bundessicherheitsrat koordiniert die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung und ist für die Genehmigung von Rüstungsexporten zuständig. Er kann endgültig entscheiden, sofern nicht nach dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich ist. Ständige Mitglieder des Bundessicherheitsrat sind neben dem Bundeskanzler und dem Chef des Bundeskanzleramts seit 1998 die Bundesminister des Äußeren, der Finanzen, des Inneren, der Justiz, der Verteidigung, der Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.“

Darüber hinaus gibt es das Sicherheitskabinett als informelles Gremium der Bundesregierung, das im Bedarfsfall durch den Kanzler einberufen wird, um Fragen der äußeren oder inneren Sicherheit zu erörtern. Diesem Kabinett gehören neben dem Kanzler an: der Außenminister, der Innenminister, der Verteidigungsminister, der Chef des Bundeskanzleramtes sowie der Vizekanzler, bei Bedarf weitere Minister und Vertreter des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes.

Wo also ist der Mehrwert eines „Nationalen Sicherheitsrates“? Diese Frage stellt denn auch zu Recht Sigmar Gabriel in einem Namensbeitrag vom 9. November im Tagesspiegel. Und Gabriel ist hier kein Niemand – zumal als ehemaliger Außenminister. Provokant titelt er mit Blick auf AKK: „Wäre nicht schlecht, die deutsche Verfassung zu kennen“.

Vor allem hält Gabriel dem Verteidigungsministerium vor, mit dem Nationalen Sicherheitsrat das Außenamt entmachten zu wollen. Gabriel will vielmehr einen „Europäischen Sicherheitsrat“ – zumal nach Emmanuel Macrons Diagnose, die NATO befinde sich im Stadium des Hirntods.

Gabriel weiter: Eigentlich brauche Deutschland das Gegenteil eines hinter verschlossenen Türen geheim tagenden nationalen Sicherheitsrates: nämlich eine öffentliche Diskussion über unser sicherheitspolitisches Selbstverständnis in einer sich völlig veränderten Weltordnung. Deutschland könne keine „große Schweiz“ sein wollen: wirtschaftlich erfolgreich, geopolitisch aber irrelevant.

Die Aussetzung der Wehrpflicht war für Gabriel übrigens eine große strategische Fehlentscheidung, weil die Bundeswehr heute weit weniger Teil unserer Gesellschaft sei als zu Zeiten der Wehrpflicht. Nicht die Bundeswehr habe sich von der Gesellschaft abgewandt, sondern große Teile der Gesellschaft von der Bundeswehr, weil eben nicht mehr die eigenen Kinder potentiell zu dieser Armee gehören.

Der Parlamentsvorbehalt muss gelockert werden

Was bleibt vom AKK-Vorstoß, was könnte der Vorstoß doch noch an Konkretem mit sich bringen? Nun, hoffentlich eine Diskussion, ob nicht die Exekutive wie bei allen anderen NATO-Mitgliedsländern beim Einsatz des Militärs das erste Worte hat – bei aller parlamentarischen Kontrolle selbstverständlich. Dazu hat AKK in ihrer Münchner Rede vom 7. November 2019 etwas Richtiges gesagt: „So ein Nationaler Sicherheitsrat würde unsere Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung bringen.“

Der hochgelobte deutsche Sonderweg einer „Parlamentsarmee“ mit dem „Parlamentsvorgehalt“ bei jedem Einsatz der Bundeswehr ist in Zeiten sich überstürzender Krisen jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. Er muss gelockert werden. Siehe dazu auch die Seiten 189ff im Buch von Kraus/Drexl.