Tichys Einblick
Krisenfolge

Warum der Wohnungsbaumarkt einbricht

Weniger Baugenehmigungen, steigende Kosten, höhere Zinsen. Offenbar lässt dies die Nachfrage nach neuen Bauprojekten nahezu durchgängig einbrechen. Doch die rasant ansteigenden Preise beim Wohnungsbau sind nicht erst seit dem Ukraine-Krieg zu verzeichnen. 

Baustelle in Düsseldorf, 12.07.2022

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Der Einbruch im Wohnungsbaumarkt hat ganz unterschiedliche Gründe: Zinsen verdoppeln sich, Baukosten stiegen innerhalb eines Jahres um etwa 20 Prozent, ansteigende Preise bei Baumaterialien, der Ukraine-Krieg, es gibt Materialengpässe, dazu noch durch die Inflation verursachten deutlich steigenden Lebenshaltungskosten, wodurch ursprüngliche Kalkulationen nicht mehr realisierbar sind. Die Folge: Bauherren ziehen sich zurück. Bei Häuslebauern platzt der Traum vom Eigenheim – jedenfalls für Normalverdiener. 

Doch die rasant ansteigenden Preise beim Wohnungsbau sind nicht erst seit dem Ukraine-Krieg zu verzeichnen. Bereits im Jahr 2021 gab es Preissprünge bei Baustoffen. Holz, Beton und Stahl waren so teuer wie seit der Preiserhebungen 1949 nicht mehr. Insbesondere die höheren Energiepreise wirkten sich auf den Bausektor aus, wie das Statistische Bundesamt im Jahresrückblick auf 2021 im Februar 2022 mitteilte. Schon 2021 wirkten sich gestiegene Erdölpreise verteuernd auf Baustoffe wie etwa Bitumen für Dachabdichtungen aus. Auch Farben und Lacke waren um knapp 30 Prozent deutlich teurer als im Vorjahr. 

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Gravierend ist der Rückgang der Baugenehmigungen. Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland derzeit weniger Baugenehmigungen für Wohnungen und Häuser erteilt. Im Juni 2022 wurde in Deutschland der Bau von 30.425 Wohnungen genehmigt. Das waren 4,5 Prozent oder 1.419 Baugenehmigungen weniger als im Juni 2021. Die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser ging um 17,0 Prozent (Minus 8583) auf 41.765 zurück. Von Januar bis April 2022 ging die Zahl der Baugenehmigungen bei Einfamilienhäusern um 22 Prozent auf 27.506 im Vergleich zum Vorjahr zurück. Doch offenbar – und politisch gewollt – stieg die Zahl genehmigter Wohnungen bei den Zweifamilienhäusern um 1,6 Prozent und bei den Mehrfamilienhäusern um 7,8 Prozent. Fakt ist: Bundesweit liegen bis zu 75.000 geplante Wohnungen auf Eis. 

Die Baugewerkschaft schlägt Alarm: „Schwund bei Baugenehmigungen ist ein Alarmsignal – Staat darf Wohnungsbau jetzt nicht im Stich lassen“. Deutschland fehle die Kraft, aber auch der Mut zum Neubau von Wohnungen. … Von einem günstigen Bau-Klima könne seit Monaten keine Rede mehr sein. Der Rückgang bei den Baugenehmigungen überrasche also nicht. „Trotzdem erlebt Deutschland einen enormen Zuzug und eine nach wie vor große Wohnungsnot. Vor allem bei den Sozialwohnungen und bei bezahlbaren Wohnungen gibt es in weiten Teilen Deutschlands einen erheblichen Mangel. Die Konsequenz muss deshalb sein: Die Schaffung von neuem Wohnraum muss der Situation angepasst werden. Wir brauchen mehr Kreativität – nämlich Alternativen zum Neubau. Konkret geht es darum, den Umbau und die Dachaufstockung voranzubringen – mit einem Baurecht, das dies ermöglicht und nicht erschwert. Der Rückgang bei den Baugenehmigungen ist ein Alarmsignal. Es kommt jetzt darauf an, den Wohnungsbau zu stabilisieren.“

Jenseits vom Bau von Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäusern oder Dachaufstockungen: in der Baubranche kommt Alarmstimmung auf. Die Preise für sonstige Wohnhäuser, also Mietwohnungen, als auch für Büro- und Betriebsgebäude legten nach Daten des Statistischen Bundesamts im Vergleich zum Vorjahr zwischen 17,6 und 19,4 Prozent zu. 

Und es ist kein Ende in Sicht. Eine Studie der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) zeigt auf: die Bauherren müssen sich noch mindestens in den kommenden zwei Jahren auf weiter steigende Preise einstellen. Und die dürften um mehr als 20 Prozent steigen. 

Offenbar lässt dies die Nachfrage nach neuen Bauprojekten nahezu durchgängig einbrechen. Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes berichtet, dass der Auftragseingang im Mai um 7,5 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahr lag. „Politik und Zinsen bremsen Wohnbau durch Preisentwicklung!“ heißt es daher auch beim Zentralverband. „Ich gehe davon aus, dass diese Stornierungen in der Hoffnung auf sinkende Preise erfolgen. Dies wird nicht passieren, denn die jetzigen Preise haben eine starke politisch, dauerhaft gewollte Komponente, und das ist die CO2-Umlage“, erläutert ZDB-Präsident Reinhard Quast. 

„Eine deutliche Preisdynamik weisen derzeit Erdöl und erdölbasierte Kunststoffe auf, wie z.B. bei Bitumen oder Dämmmaterial. So ist der Erzeugerpreis für Bitumen im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 69 Prozent gestiegen. … Das dürfte deren energieintensiver Herstellung und der gesetzlich herbeigeführten Verknappung der Gewinnung von Rohstoffen geschuldet sein….  „Ohne Zement, Kalk, Steine, Beton und Kies können wir aber die großen Bauaufgaben, die vor uns liegen, sei es die Beseitigung des Wohnungsmangels in den Ballungsgebieten, die Erweiterung von Wärmenetzen, die Sanierung unserer zig Tausend Brücken und Gleisanlagen wie auch die Sanierung fast der gesamten kommunalen Infrastruktur nicht leisten.“ 

Die Diskussion dreht sich im Kreis. In Bayern will der Bayerische Gemeindetag wegen steigender Baupreise und mithin Mieten gegensteuern. Der Gemeindetag fordert Vorrang für die Kommunen im Wohnungsbau und will die zahlreichen bürokratischen und rechtlichen Hürden für Städte und Gemeinden abbauen, denn man will jetzt endlich mehr bezahlbare Wohnungen schaffen. Zehn-Punkte-Programm, Vereinfachung des Bodenrechts, Vorkaufsrecht für Grundstücke, keine Prozesse mehr vor den Verwaltungsgerichten, Forderungen nach digitalen Baugenehmigungen und Änderungen in der Bauordnung – es ist ein einziges Tohuwabohu. 

Zum Thema Änderungen in der Bauordnung: Schwierig für die Bauwirtschaft sind die zahlreichen Bauvorschriften. Für alles und jedes gibt es technische Vorschriften und DIN-Normen, die vor allem für den Wohnungsneubau alles komplexer, materialintensiver und für einen ständigen Preisanstieg sorgen. Rund 3.700 Normen sind für das Bauen in Deutschland relevant.

Anzeige