Tichys Einblick
Betrug schon seit 2015

Wirecard: Das große Schweigen der PR-Experten

Viele große Namen der PR-Branche standen in Diensten von Wirecard. Doch im Betrugsskandal um den Finanzdienstleister sind sie erstaunlich leise geworden. Über Anwälte wird jetzt klar, dass der Betrug schon 2015 begann und schon damals kein Gewinn gemacht wurde.

imago Images / Sven Simon

Im Getümmel um den Betrugsskandal bei Wirecard sind vor allem die Akteure ganz still und stumm, die normalerweise das große Wort führen oder zumindest ihren Klienten die richtigen Worte in den Mund legen: die Kommunikationsberater. Dabei haben sich in jüngster Vergangenheit beim dubiosen Zahlungsverkehrsdienstleister etliche ihrer Vertreter die Klinke in die Hand gegeben.

Zum Teil sind es erste Adressen der Branche – wie die auch internationale Agentur Edelman mit ihrem Finanzkommunikations-Experten Rüdiger Assion, der lange Jahre die Kommunikation der Deutschen Börse geleitet hatte und als Meister seines Fachs gilt. Assion war zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung bei Wirecard im Dezember 2019 mit dem neuen Wirecard-Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann gut bekannt, der einst Vorstand bei der Deutschen Börse war. Damals berichtete der Branchendienst „PR-Report“ über die Zusammenarbeit und ließ sich von Wirecard bestätigen, dass Edelman „seit Kurzem ein globales Beratungsmandat“ wahrnehme. Edelman fungierte seit dem 1. Januar 2020 als „externe Pressestelle“ des Unternehmens, wie ein Mitarbeiter der Agentur gegenüber dossierB beschreibt.

Wie zu hören ist, bemühten sich gleichzeitig noch weitere PR-Firmen darum, Wirecard trotz aller Verdächtigungen in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Zum Beispiel Hering Schuppener. Mitarbeiter dieser Agentur hatten das Mandat des Aufsichtsrats für dessen Öffentlichkeitsarbeit. Was andere großen Krisen-PRler für den inzwischen inhaftierten Konzernchef Markus Braun und sein undurchsichtiges Firmengeflecht bewirken konnten, bleibt im Dunkeln und wird auch seitens der Berater nicht kommentiert. So viel deutet der eine oder andere aber an: Für die persönliche Beratung des Firmenchefs legte sich die Agentur Cardo des einstigen VW-Kommunikators Dirk Große-Leege ins Zeug.

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Wie Insider behaupten, habe Große-Leege vor allem seinen direkten Draht zum Wirecard-Chef Braun gepflegt. Ob er ihm dazu geraten hat, gegen die Financial Times öffentlichkeitswirksam abzulästern, weil die mehrfach in den vergangenen Jahren über undurchsichtige Machenschaften von Wirecard in Asien berichtet hatte, bleibt im Unklaren – wie so vieles andere bei dem inzwischen in die Insolvenz gerutschten Finanzdienstleister. Zitieren wir wieder den „PR-Report“: Große-Leege war laut eigener Auskunft bereits seit 2008 für das Unternehmen tätig und will das auch parallel zu Edelman geblieben sein.

Auch die vom früheren Bild-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje gegründete und nun von Michael Inacker geleitete Agentur WMP Eurocom war für Wirecard beratend tätig – im Schlepptau der Anwaltskanzlei Bub, wie der „PR-Report“ im Februar vermutete. Die Mitarbeiter von WMP sollten sich um den Aufbau interner Kommunikationsstrukturen kümmern, durften aber nach außen kein Sterbenswörtchen über das Unternehmen verlautbaren. An eine Koordination der Kommunikationsaktivitäten, geschweige denn an eine abgestimmte Kommunikationsstrategie der involvierten Berater war nach Angaben Betroffener nicht zu denken. Schließlich gab es noch einen weiteren Kommunikationsberater, der sich allerdings ausschließlich um Ruhm und Ehre des flüchtigen Vorstandsmitglieds Jan Marsalek kümmerte: Carsten S. Zehm, Inhaber der Agentur Zehm Public Relations in Starnberg. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Das gilt vor allem dann, wenn jeder den Chefkoch spielen will – und der Auftraggeber Braun ohnehin alles besser weiß als seine Berater. Einer von ihnen attestiert dem abgetretenen Wirecard-Chef gern schon mal Autismus und Beratungsresistenz.

Der Betrug begann schon 2015

Aber darüber hinaus wollen die sonst so mitteilungsfreudigen Kommunikatoren nichts verraten, soweit es um ihre segensreiche Tätigkeit für Wirecard und deren Topmanager geht. Informationen gibt es nun vor allem von der Münchner Staatsanwaltschaft und von den Teams des Insolvenzverwalters Michael Jaffe. Demnach wurden in den vergangenen Tagen neben der erneuten Verhaftung Brauns weitere Haftbefehle gegen frühere Führungskräfte gestellt. Dabei gehe es unter anderem um gewerbsmäßigen Bandenbetrug und Marktmanipulation in mehreren Fällen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München. Ein Kronzeuge und weitere Unterlagen hätten den Ermittlern zudem weitergeholfen: Demnach sollen die Betroffenen schon seit 2015 beschlossen haben, die Wirecard-Bilanz „aufzublähen“. Das tatsächliche Geschäft habe bereits damals Verluste geschrieben, sagte die Sprecherin.

Die neuen Haftbefehle richten sich unter anderem gegen den früheren Finanzvorstand Burkhard Ley sowie gegen den früheren Chef-Buchhalter von E. Bereits in Untersuchungshaft befindet sich B., der frühere Chef der Wirecard-Tochtergesellschaft Cardsystems Middle East in Dubai. Er hatte sich Anfang Juli gestellt und war dafür zuvor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach München gereist.

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Zeugenaussagen und Urkunden begründeten der Staatsanwaltschaft zufolge den Verdacht, dass die Beschuldigten Braun, Ley, von E. und B. unter Beteiligung von weiteren Mittätern im Jahr 2015 übereinkamen, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch das Vortäuschen von Einnahmen aus Geschäften mit sogenannten Third-Party-Acquirern (TPA) aufzublähen, berichtete die Staatsanwaltschaft weiter. Das Unternehmen sollte dadurch finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver dargestellt werden, um so regelmäßig Kredite von Banken und sonstigen Investoren zu erlangen, heißt es in der Pressemitteilung. Die Beschuldigten hätten jedoch spätestens seit Ende 2015 gewusst, dass der Konzern mit den tatsächlichen Geschäften insgesamt Verluste erzielte.

Und das Team des Insolvenzverwalters fand heraus, dass von den insgesamt 45 Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft Wirecard nur drei nennenswert profitabel waren. Über die Cardsystems in Dubai liefen die mutmaßlichen Scheingeschäfte, diese Firma steuerte 2018 mit 237 Millionen einen großen Anteil des Wirecard-Gewinns bei. Aber davon konnten die Kommunikationsberater natürlich bis zu den Prüfungsergebnissen von KPMG rein gar nichts wissen.


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